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  • Cover des neuen Romans von Dr. Sandra Hartmann.

Er erzählte ihr ziemlich schnell, bevor sie überhaupt richtig zusammen waren, von seinen früheren Freundinnen, die allesamt „nichts taugten“.

8. September 2023 von Gschwätz Allgemein, GelbeSeiten 0 Kommentare

Cover des neuen Romans von Dr. Sandra Hartmann.

Im ersten Kapitel dieses bizarren Gesellschaftsromanes über eine Beziehung, die es zu oft immer noch gibt im 21. Jahrhundert, lernen wir Georg und Nina kennen. Georg, ein Mister Charming, wie er im Buche steht und Nina, stets bemüht. Doch leider macht sie in Georgs Augen vieles immer noch falsch. Da sind die Wassertropfen auf der Küchenzeile, die Nina manchmal in der Hektik des Familienallages übersieht, oder dass die Badewanne nur bis zu einem bestimmen Punkt gefüllt werden darf. Warum provoziert sie Georg mit ihrem Verhalten jeden Tag aufs Neue? Warum hält sie Abstandsregeln zu Georgs Freunden und zu seinem Vater nicht immer ein? Warum hat sie den Arbeitsvertrag für Georgs neuen Mitarbeiter nicht sofort geschrieben? Die Coronapandemie macht ihr mit homeschooling und home office völlig den Gar aus. Sie sei einfach zu nichts zu gebrauchen, sagt Georg. Unfähig. Dankbar müsse sie sein, dankbar, bei ihm und seinem Vater sein zu dürfen. Und irgendwann, ganz allmählich, auch durch fantastische Menschen, die in ihr Leben treten, erkennt Nina, dass nicht sie das Problem ist. 

 

Kapitel 2. Begeben wir uns zurück an den Anfang.

Bevor wir schauen, welche Lawine auf Nina zurollt nach ihrer Trennung von Georg (>>> Kapitel 1 nochmal lesen), spulen wir zurück auf den Anfang. Nein, nicht auf Adam und Eva. Soweit nicht. Wir drehen die Zeit 15 Jahre zurück und stellen fest: Nina und Georg haben sich ziemlich schnell kennen- und lieben gelernt. Nina steckte mitten in einer Beziehung, in der sie nicht wirklich glücklich war. Georg war Single. Sie lernten sich über Freunde kennen. Nina erzählte Georg von ihrem Freund, mit dem sie zwar viel Spaß hatte, aber darüber hinaus plätscherte die Beziehung oberflächlich so dahin. Gespräche über Themen wie Politik und Wirtschaft konnte sie mit ihm nicht führen. Bei einem weiteren Treffen in größere Runde sahen sie sich ein paar Wochen später wieder und Georg tat ausführlich seine Meinung über den Gazastreifen und die politisch hochproblematische Lage dort kund. Nina war begeistert. Im Nachhinein, wenn sie nun mit etwas Abstand zurückblickte und ihre Beziehung Revue passieren lässt, gefühlt 10 Bücher über narzisstische Strukturen gelesen hatte, war ihr vollkommen klar, was damals ablief. Das war nicht der Georg, der sich wirklich für Politik interessierte, das war der Georg, der Nina damals haben wollte und der sich exakt so präsentierte, wie Ninas Vorstellungen von einem Traummann waren. Er eignete sich dieses Wissen bewusst an, um sie zu beeindrucken, interessierte sich aber letztendlich nicht wirklich für Politik außer für die üblichen Stammtischparolen. Im Laufe ihrer Ehe waren es die immergleichen Sätze, die Georg auf Lager hatte über den Gazastreifen, über Flüchtlinge, vor denen er Angst hatte, dass sie ihm etwas wegnahmen, obwohl er selbst ein Flüchtling war. Konstruktive Diskussionen gab es nicht, nur Wut und Hass.

Er präsentierte sich als ihr Traummann, nur leider hielt dieser Zustand nicht lange an

Zu ihrem ersten Date lud Georg sie zu sich nach Hause ein und kochte für sie. Sie hätte ihn nie als Mann eingeschätzt, der in der Küche stand und kochte. Sie selbst war keine große Köchin und hatte ihm das damals auch erzählt. Sie stand weder gerne am Herd, noch buk sie freiwillig Kuchen. Et voila, nun hatte sie einen Mann, der für die kochte. Das geschah genau einmal in ihrer gesamten Beziehung und Ehe und zwar, als sie zusammenkamen. Später, als sie Kinder hatten, buk er für die Kinder, wenn wieder einmal etwas vorgefallen war und er sehr wütend wurde, am nächsten Morgen, Pfannkuchen zum Frühstück. Heilewelt-Pannkuchen mit Bananenscheiben obendrauf. Die Kinder strahlten vor Glück. Ansonsten eignete sich Nina im Laufe ihrer Ehe alles Wissenswerte rund um die Küche an, damit Georg zufrieden und glücklich war. Das war gar nicht so einfach. Sein Geschmack war meilenweit von dem entfernt, was sie gerne aß. Er aß gerne deftige Hausmannskost, Schweinebraten, Fettäugleinsuppen, sie eher fleischlos. Auf die kleinen Zutaten kam es dabei an. Wenn er dann in die Küche kam und feststellte, dass sie das falsche Öl verwendete oder das Essen zu wenig gewürzt war, wusste sie schon jetzt, dass er die Nase rümpfen und nichts oder nicht viel essen würde. Und die Kinder dementsprechend auch nicht. Man fand relativ schnell eine Lösung. Nicht selten aß er dann das, was seine Mutter gekocht und vor die Tür gestellt hatte oder er ging nach dem Essen zu seiner Mutter, aß dort richtig und brachte das übriggebliebene Essen von ihr mit. Später dann, als die Kinder schon da waren, stellte seine Mutter das Essen einfach vor die Tür. Nina wurde gar nicht mehr gefragt. Auch die Küche galt es dementsprechend nach dem Kochen ordentlich zu hinterlassen. Das Schlimmste für Georg waren Wasserstropfen auf der Küchenzeile, die sie übersehen hatte. „Das macht das ganze holz kaputt“, mornierte er jedes Mal, wenn er einen Tropfen fand und griff zum Geschirrtuch, um die Tropfen damit zu entfernen. „Es ist doch nicht viel, was ich von Dir verlange, Nina. Ein paar Kleinigkeiten, mehr nicht. Das muss doch möglich sein“, seufzte er und sie schämte sich immer mehr, dass sie anscheinend zu nichts zu gebrauchen war.

Er erzählte ihr ziemlich schnell, bevor sie überhaupt richtig zusammen waren, von seinen früheren Freundinnen, die allesamt „nichts taugten“.

Er erzählte ihr ziemlich schnell, bevor sie überhaupt richtig zusammen waren, von seinen früheren Freundinnen, die allesamt „nichts taugten“. Nina aber sei anders, einzigartig. Sie würde ihn glücklich machen. Nina schwebte auf Wolke sieben. Ja, sie würde ihn glücklich machen. Sie kam sich vor wie die Außerwählte. Er sagte ihr, wie wichtig ihm auch seine Freunde seien. Daher bemühte sie sich ganz besonders, einen guten ersten Eindruck zu machen bei den anfänglichen Treffen, locker zu sein. Ihm viel Freiraum zu lassen. Er konnte tun und lassen, was er wollte. Georg war zufrieden. Sie war es auch. Bereits nach einem Jahr Beziehung war sie schwanger, sie hatten nicht mehr verhütet und ließen dem Schicksal seinen Lauf. Lars kam auf die Welt. Und Georg schien alles andere als glücklich, eher entsetzt zu sein. „Was soll ich jetzt nur tun?“, jammerte er seiner Schwester vor. Kurz vor der Geburt zog sie bei ihm und seinen Eltern ein. Er wollte keine Kinder, er sei ein „Lebemann“, wie er nie müde wurde zu betonen, auch sollte sie bei jeder Schwangerschaft abtreiben. Das zumindest verlangte er von ihr. „Wie soll ich denn noch ein Kind ernähren, Nina? Wie stellst du dir das vor? Weißt du eigentlich, wie teuer Kinder sind?“, fragte er sie die ganze Zeit, als sie mit Ida schwanger war. Damals standen sie gerade am Anfang der Selbstständigkeit für seine Firma. Seine Sätze trieben ihr Schweißperlen auf die Stirn und bereiteten ihr unruhige Nächte. Was, wenn er recht hatte? Wenn sie das finanziell nicht schaffen werden?

Treib das Kind ab

Während ihrer ersten Schwangerschaft hatte sie bereits durchgearbeitet, nun gab sie noch mehr Gas in ihrer zweiten Schwangerschaft – neben Lars als Kleinkind. Da Büroarbeit keine wirkliche Abeit war, weigerte sich Georg, die ersten frei Jahre noch jemaden einzustelle, der Nina entlastete, als die Firma größer und die Aufträge mehr wurden. Rechnungen, Mahnungen, Werbung, E-Mails, Telefonate, monatliche Auswertungen, Steuerabschlüsse, Gerichtsverfahren mit unzufriedenen Kunden. Ninas Elternzeit bestand aus einem unbezahlten Vollzeitjob für ihren Mann und der Erziehung ihrer beiden Kinder.

Du bist nicht krank, nur schwanger

Sie sei ja schließlich auch nicht krank, sondern nur schwanger und später war sie eben „nur“ Mutter, das könne sie ja wohl mit links, wie Georg nie müde wurde zu betonen. Der Kundenstamm vergrößerte sich, sie bekamen bessere Aufträge, immer wieder kehrende Kunden. Sie versuchte, so viel Geld in der Verwaltung wie nur möglich zu sparen, indem sie am Anfang fast alles selbst machte, obwohl das bedeutete, eigentlich nie fertig zu sein. Georg war dadurch manchmal auch unzufrieden mit ihr, etwa, wenn sie nicht sofort seine Wünsche umsetzte. „Ich habe dir doch gesagt, ich brauche den Arbeitsvertrag für den neuen Mitarbeiter in der Werkstatt heute noch.“ – „Ich habe es leider nicht geschafft, Georg. Morgen ist er fertig. Das verspreche ich dir, Georg.“ – „Nina, ich glaube, du verstehst das nicht. Ich bin die alleinige Fratze der Firma. Ich in die alleinige Fratze. Es gibt nur einen Chef. Du oder ich“, Georg schaute sie wütend an. Nina schaute ihn verdutzt an und dachte, sie hätte sich verhört. Natürlich war er der Chef. Das hatte sie auch nie in Frage gestellt, nur weil sie den Arbeitsvertrag nicht pünktlich fertiggestellt bekam. Seine Wortwahl war mehr als eigenartig. Bezeichnete er sich gerade selbst als Fratze? Sie antwortete nicht, um nicht unnnötig wieder einen Streit zu provozieren. „Ich entscheide, ich bestimme. Ich hoffe, das ist jetzt klar. Ansonsten fliegst du.“ Es hatte keinen Zweck, weiter mit ihm zu diskutieren, auch wenn seine Aussagen sehr absurd waren. Nina gab auf, schwieg und machte sie an den Arbeitsvertrag.

Georg präsentierte sich stets als fantastischer Unterhalter

Als Lars auf der Welt war, war bei ihnen Zuhause stets offene Tür. Seine Eltern, seine Verwandtschaft und seine Freunde waren zu dieser oft bei ihnen Besuch, um den kleinen Lars zu betrachten. Nina mochte jeden einzelnen von ihnen, aber sie hatte kaum eine Minute für sich und den kleinen Lars alleine. Zum Stillen ging sie in das Schlafzimmer, wenn Gäste da waren. Seine Familie gab ihr Tipps, wie man optimal stillte, eine optimale Kindererziehung ausschaut und was sie noch besser machen konnte. Nach den Tipps bewirtete Nina die Gäste. Georg war stets gut gelaunt, wenn Besuch da war und er irgendwann zu später Stunde nach Hause kam, wenn er mit arbeiten fertig war, was teilweise erst nach Mitternacht der Fall war. Er war nun doch stolz auf seine kleine Familie, auf seinen Thronerben. Er war auch großzügig. Nina wäre zwar gerne häufiger alleine mit ihren Kindern direkt nach der Geburt gewesen, aber es hatte auch einen großen Vorteil, wenn sie Besuch hatten: Georg war dann gut gelaunt, zeigte sich von seiner besten Seite und war der Unterhalter des Abends. Ihr graute immer schon davor, wenn sich der Abend dem Ende zuneigte und sie mit ihm am Schluss wieder alleine war. Denn wenn sie alleine waren, kam die Unzufriedenheit und seine Aggression zurück, er fand immer etwas, dass sie im Umgang mit seiner Familie oder seinen Freunden falsch gemacht hatte, was ihr aber in dem Moment nicht auffiel, erst, als er sie danach darauf aufmerksam machte. Wenn sie sich in den Gesprächen mit seiner Familie, besonders gegenüber seinem Vater nicht so verhielt, wie er es als angemessen empfand, begann er damit, ihr einen Vortrag darüber zu halten, dass sie es leider anscheinend in ihrer Kindheit nicht gelernt habe, der älteren Generation den nötigen Respekt und Anstand entgegenzubringen und endete nicht selten mit wüsten Beschimpfungen, die häufig immer gleich endeten: „Verschwinde doch mit deinem Balg.“ Oder: „Hau ab, du Fotze. Verpiss dich aus meinem Haus. Ich halte das mit dir einfach nicht mehr aus.“ Manchmal steigerte er sich derart in seine Wut hinein, dass er am Ende weinte. Irgendwann verzichtete sie daher immer mehr darauf, sich zu verteidigen oder irgendetwas zu erwidern. Das machte das ganze noch schlimmer. Wenn er mal wieder irgendwann nach Mitternacht nach Hause kam, machte sie sich keine Sorgen mehr, war sie nicht mehr traurig, dass sie mit den Kindern wieder alleine zu Abend essen musste, fragte sie nicht mehr, wo er gewesen ist. Sie wollte seine Lügen nicht mehr hören. Irgendwann war sie sogar froh, wenn er immer weniger zu Hause war, wenn er nicht mehr neben ihr im Bett lag oder sie bereits schlief, wenn er nach Hause kam.

„Du bist nichts und du kannst nichts“

Worte können grausam sein. Wie Messerstiche. Und wenn man diese Worte immer wieder zu hören bekam, glaubt man sie irgendwann selbst. „Du bist nichts und du kannst nichts. Du bist zu blöd zu allem, Nina“, herrschte sie er sie immer wieder an, wenn ihr Fehler passierten. Wenn sie ihm wiederum von Kunden Kritik weitergab, dass irgendetwas an seiner Arbeit nicht gepasst hatte, trat sie nicht selten einen Tornado damit los, obwohl sie nur die Übermittlerin der Botschaft war. Dieser Kunde, so Georg, sei einfach nur blöd, unfähig, würde die gelungene Arbeit nicht wertschätzen. „Wenn er nicht bereit ist, zu zahlen, mahnen wir erst ab, dann klagen wir, Nina.“ Das war dann auch ihr Job, gemeinsam mit der Anwaltskanzlei.  Sein Vater, der ebenfalls von Beginn an mit in der Werkstatt als Handwerker arbeitete, erhielt von Beginn an monatlich ein vierstelliges Gehalt. Aber das war in Ordnung. Sie war seine Frau. Sie brauchte keine Bezahlung. Man machte es ja schließlich für die Familie.

„Ich werde dich überleben“

„Du kannst dir sicher sein, ich werde dich überleben, Nina. Ich werde dich nicht um Stich lassen, wie dein Vater … und dann starte ich vielleicht nochmal durch“, sagte er im Kreis von Freunden manchmal, fasste ihr dabei mit seiner Hand auf die Schulter und lachte. Nina lachte auch, war sie doch froh um Georg, froh um diese Aussage. Georg, der sie nie alleine lassen würde, der immer für sie sie da sein würde, bis zu ihrem Tod, der nach ihr starb, damit sie im Alter nicht alleine war. Damit sie auch jetzt nicht alleine war. Sie hatte eine absolute intakte Großfamilie geheiratet. In der man sich immer umeinander kümmerte und in der man nie alleine war. Niemals.

„Ein Glück, dass beide Kinder optisch nicht nach dir kommen“, sagte ihre Schwiegermutter

Rückzug und Privatsphäre gab es in ihrem Haus nicht. Als sie einmal darum bat, dass sein Vater klingeln möge, bevor er zu ihnen eintrat, schließlich könnte sie auch gerade aus der Dusche steigen und nackt herumlaufen, sprachen er und sein Vater fast zwei Wochen nichts mit ihr. Selbst Wochen später poppte diese in den Augen seines Vaters lächerliche Forderung immer wieder im familiären Kreis auf. Wie unverschämt und unerhört sie sich benehme und was sie sich überhaupt erlaube und einbilde. Etwas mehr Respekt wäre angebracht. Aber das läge wohl wiedermal an ihrer Erziehung, die offensichtlich gründlich misslungen sei. Als Ida zur Welt kam, seufzte seine Mutter und sagte zu Nina: „Ein Glück, dass beide Kinder optisch nach meinem Sohn kommen.“ Nina schluckte und lächelte brav.

Die Urlaube waren ihre besten Zeiten als Familie. Seine Eltern waren weit entfernt – und sie machten grandiose Ferien mit den Kindern – Fernreisen, Kreuzfahrten, Rundreisen. Der Alltag war weit weg. Aber irgendwann fiel Nina auch hier immer mehr auf, dass kein Tag verging, an dem Georg nicht trank. Sie erinnerte sich noch gut an einen Urlaub in Amerika und das erste, was sie besichtigten mit ihrem Mietwagen, war ein Supermarkt, in dem sie 24 Dosen Budweiser kauften und in den Kofferraum luden. Erst ab diesem Zeitpunkt war Georg entspannt.

Sein Sohn war sein Partner

Und dass im Urlaub kaum eine Nacht verging, in welcher Georg nicht mit einem Kind im Bett schlief, eng aneinandergedrückt die ganze Nacht. Meist mit Lars. Es war nicht etwa so, dass Lars zu ihnen ins gemeinsame Ehebett geschlüpft wäre, weil er sich nach ein paar Kuscheleinheiten sehnte, sondern dass Georg sich abends selbst zu Lars in sein Einzelbett legte und dort auch blieb, nicht, weil Lars darum gebeten hätte, sondern weil Georg das wollte. Während Ida und Nina morgens am Frühstückstisch auf sie warteten, schauten sich Georg und Lars immer öfter morgens im Bett noch einen Film an und erschienen dann pünktlich zum Mittagessen. Das war ihr Urlaub. Am Anfang, als die Kinder kleiner waren, war das noch ganz süß, aber irgendwann, als sie immer älter wurden, fand Nina sein Verhalten immer merkwürdiger. Das war keine Ehe, sondern eine Zweckbeziehung. Und so innig das Verhältnis zu seinem Vater als seinem besten Freund war, so innig schien auch Georg es mit seinem Sohn haben zu wollen. Sein Sohn war sein Partner. Nicht sie.

Aus der Nase ihres Sohnes lief Blut

Einerseits diese große Intimität durch intensive, stundenlange Streicheleinheiten, es konnte auch vorkommen, dass Georg Lars am Essenstisch auf seinen Schoß nahm und mit seinem Mund an seinem Ohr herumknabberte. Da war Lars schon elf. Andererseits kein Lob, keine anerkennenden Worte. Im Gegenteil, Abwertungen, und manchmal auch Schläge, weil das Naturell von Lars seiner Meinung nach Schläge brauche, wenn dieser sich hin und wieder traute, aufzubegehren, seinem Vater zu widersprechen – so wie Georg, wie er selbst sagt, als Junge auch Schläge von seinen Eltern gebraucht habe, um seinen Charakter zu formen und in die richtigen Bahnen zu lenken. Als Nina Georg während der Coronapandemie bat, ihr beim Homeschooling mit den Kindern zu helfen, Nina war bei Ida, er sollte Lars unterstützen, hörte sie nach kurzer Zeit auf einmal einen dumpfen Knall aus Lars‘ Zimmer. Als sie hineinging, um nachzuschauen, tat sich vor ihr ein abstruses Bild auf. Georg, wie er links von Lars stand. Lars wie er auf dem Schreibtischstuhl hinter seinem Schreibtisch saß und sie anschaute. Vor ihm lagen seine Aufgaben. Aus seiner Nase lief Blut. „Was ist passiert?“, fragte Nina erschrocken. „Ich warne dich, Nina“, zischte Georg sofort, sein Zeigefinger auf sie gerichtet. „Unterstell mir jetzt bloß nichts. Ich habe nichts getan. Ich habe nur ausgeholt, weil er wieder mal keine Lösung gefunden hat und wollte so tun, als ob ich ihn schlage, damit er endlich mal fertig wird. Aber ich habe ihn nicht geschlagen.“ Daraufhin habe sich Lars geduckt aus Angst davor, tatsächlich wieder geschlagen zu werden, und sei dabei mit dem Kopf auf Tischplatte geknallt. Selbst wenn das stimmte, was Georg da erzählte, war es erschreckend, wie er derart kalt und empathielos neben seinem Jungen stand, während diesem das Blut aus der Nase lief und rote Flecken auf dem Schreibtisch hinterließ. Kein Gefühl von Mitgefühl, an eine Entschuldigung erst gar nicht zu denken. Im Gegenteil. Lars sei schließlich schuld, er bemühe sich nicht richtig.

„Ich bin der Fehler“, dachte Nina über viele Jahre

Lars würde über kurz oder lang auf die schiefe Bahn geraten, wenn Nina nicht bald ebenfalls härter durchgreife, das garantiere er ihr, sagte Georg immer wieder, wenn Lars nicht so lief wie gewünscht. Lars habe überhaupt keinen Respekt vor ihr, würde ihr auf der Nase herumtanzen und wenn er letzten Endes auf die schiefe Bahn gerate, habe das dann ganz allein Nina zu verantworten. Im Nachhinein konnte sie darüber nur den Kopf schütteln. Aber wenn dir das jeder ständig sagt, Ninas Ehemann, ihre Schwiegereltern, ja sogar die Geschwister von Georg, irgendwann glaubte Nina, was man ihr immer wieder vorkaute. Sie bekam Angst, dass Lars auf die schiefe Bahn gerät und sie schuld daran war. du dich im Nachhinein immer schämen wirst. Irgendwann lebt man in einer Glaskugel mit Menschen um einen herum, die alle dieselbe Einstellung hatten, nur man selbst nicht. „Ich bin der Fehler“, dachte Nina dann immer wieder. „Ich bin der Fehler im System.“ Weil doch alle anderen um sie herum im Gleichklang sprachen. Nur sie nicht. Sie war irgendwann irgendwie aus dem Takt geraten. Dabei versuchte sie doch nur, möglichst konfliktfrei mit den anderen zusammenzuleben. Doch es gelang ihr immer weniger.

Hatte Georg sie vor Freunden und bei Familientreffen bislang stets gelobt, wie viel sie arbeite und was für eine gute Mutter sie sei, verkehrte sich im Laufe der Jahre auch sein Verhalten ihr gegenüber in der Öffentlichkeit allmählich ins Gegenteil. Er fühlte sich von ihr gegängelt, eingeengt, sie mache Fehler bei der Arbeit, sie sei zu lax mit den Mitarbeitern, mit Lars, sie verhalte sich falsch in der Öffentlichkeit. Zu Festen gingen sie noch gemeinsam hin, aber er ging dann direkt zu Bekannten und Freunden, trank und verirrte sich erst, als er nach Hause wollte, wieder zu ihr.

Sie wurde irgendwann zu seinem Schwarzen Peter

Rückblickend wurde sie irgendwann zu seinem öffentlichen Schwarzer Peter. Er der Good Guy, Mister Charming. Und sie das Gegenteil. Sie bestritt die Gerichtsverfahren für ihn gegenüber Mitarbeitern, von denen er sich trennen wollte. Sie versuchte konsequenter und strenger mit Lars zu sein. Er wurde dadurch immer mehr zum best daddy ever, auch wenn er fast nie zu Hause war. Sie wurde immer angespannter, genervter und gefrusteter.

Auch privat schien er förmlich nach Fehlern zu suchen, um ihr zu sagen, dass sie nichts tauge. Bereits Kleinigkeiten wurden zu einem Elefanten aufgeblasen. Einmal hatte sie das Auto anscheinend nicht ordnungsgemäß auf einem Parkplatz vor dem Haus von Freunden abgestellt. Er kam zwei Stunden später – angeblich von der Arbeit – angefahren. Anstatt ihre Freunde zu begrüßen, kam er direkt auf sie zu und raunzte sie an: „Sag mal, spinnst du? Bist du besoffen oder was?“ Nina schaute Georg verdutzt an. „Wie scheiße hast du denn da geparkt? Da kommt ja keiner mehr vorbei an unserem Auto. Du stehst ja quasi mitten in der Straße. Jetzt würde ich mich aber beeilen, nochmal ordentlich einzuparken, sonst bleibt garantiert jemand daran hängen.“ Kreidebleich ging Nina zum Auto. Doch das war eigentlich ganz gut eingeparkt. Entweder hatte sie langsam Wahrnehmungsstörungen oder er hatte vielleicht wieder zu viel getrunken oder nur einen Grund gesucht, um mit ihr einen Streit anzufangen oder beides. Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass er nun wieder den restlichen Tag nichts mit ihr sprach.

Sie schämte sich und begann zu dieser Zeit tatsächlich immer mehr an ihrer eigenen Erinnerung und Wahrnehmung zu zweifeln.

Wenn Nina zu Hause am Essenstisch etwas erzählte und Georg auch anwesend war, drehte er sich demonstrativ weg, hörte nicht zu oder fing parallel mit anderen ein Gespräch an. Sie hoffte, dass sich alles wieder bessern würde, aber das Gegenteil war der Fall.

Als sie wieder einmal gemeinsam auf einem Dorffest waren, unterhielt sie sich sehr nett mit einem langjährigen Freund von ihm. Sie war froh, dass sie jemandem zum Reden hatte. Am nächsten Tag redete Georg zunächst mal wieder kein Wort mit ihr. Das kannte sie ja schon. Dennoch fragte sie sich, was sie nun schon wieder falsch gemacht hatte. Irgendwann schließlich nannte Georg ihr den Grund: „Sag mal, Nina, merkst Du eigentlich gar nichts mehr? Weißt du, wie du dich auf dem Fest aufgeführt hats? Wie ein billiges Flittchen.“ Sie habe mit einem seiner besten Freunde geflirtet, sei viel zu nah bei ihm gestanden. Das habe jeder gesehen. Und obendrein: Was habe sie sich bei ihrem Outfit gedacht?  Man habe direkt von ihrem Ausschnitt in ihre Vagina schauen können. Sie schämte sich und begann zu dieser Zeit tatsächlich immer mehr an ihrer eigenen Erinnerung und Wahrnehmung zu zweifeln. Sie habe sich doch einfach nur normal mit ihm unterhalten. „Ich sage es dir jetzt mal so, wie es ist: Die Menschen reden über dich, Nina, und sie schütteln nur noch den Kopf. Sie fragen sich, wie ich es eigentlich überhaupt noch mit dir aushalte.“ Nina ging daraufhin immer weniger aus. Die Angst war zu groß, sich falsch zu verhalten. Eigentlich spielte sich ihr Leben die letzten Jahre ihrer Ehe nur noch in den eigenen vier Wänden ab, im Büro oder bei Elternabenden. Als Freundinnen sie überredeten, doch mit ihnen einmal wieder mit ins Kino zu gehen, riefen ihre Kinder alle fünf Minuten an, da Georg, der eigentlich zugesichert hatte, derweil auf die Kinder aufzupassen, auch gegen 22 Uhr noch immer nicht zu Hause war und ihre Schwiegermutter, die eigentlich solange für Lars und Ida da sein wollte, vor dem Fernseher saß und selbst als eine Glasflasche zu Bruch ging, nicht kam, um die Scherben im Kinderzimmer wegzuräumen. Lars und Ida weinten ins Telefon. Von dem Film bekam Nina kaum etwas mit, ihr Telefon klingelte unentwegt. Wäre sie nicht gemeinsam mit ihren Freundinnen gefahren, wäre sie mit Sicherheit früher nach Hause gekommen und nicht bis zum Ende des Filmes geblieben. Als sie nach Hause kam, räumte sie erstmal die Glassplitter auf dem Boden neben Idas Bett weg, während Ida mittlerweile in ihrem Bett schlief und ausschaute wie ein kleiner Engel. Nina streichelte ihr über den Kopf und ihre Augen füllten sich mit Tränen.

Georg freute sich auf die Zeit, wenn er mit seinem Sohn gemeinsam um die Häuser ziehen und trinken konnte

Georg und Nina gingen generell selten zu zweit aus oder unternahmen zu zweit etwas, in den Jahren ihrer Ehe. Wenn sie gemeinsam ausgingen, dann gemeinsam mit den Kindern und in der Regel nur auf irgendwelche Dorffeste. Georg trank sich durch den Abend, wurde dadurch in der Regel entspannter, gut gelaunt, wenn nichts dazwischenkam, was ihn störte, und hing nur ab und an am nächsten Morgen kotzend über der Kloschüssel. Nina begann, Alkohol allmählich zu verabscheuen und trank selbst so gut wie nichts mehr. Wenn Georg erzählte, er freue sich schon auf die Zeit, wenn er mit Lars um die Häuser ziehen und trinken konnte, drehte sich ihr der Magen herum.

Das letzte Mal, als sie gemeinsam mit Georg unterwegs gewesen ist, hat es dann so richtig geknallt.

Der Grund war auch hier der Alkohol gepaart mit seiner grundlosen Eifersucht. Auch dieses Mal hatte sie sich zu lange mit einem Freund von ihm unterhalten. Eigentlich hatte Nina nur mit Mark gesprochen, weil Georg den ganzen Abend im Festzelt mit seinen anderen Freunden unterwegs war. Sie hatte ihn schon seit Stunden nicht mehr gesehen. Doch das war nicht weiter schlimm. Im Gegenteil. Irgendwann hat sich Mark zu ihr gesellt und sie hatten sich wirklich gut unterhalten. Am Ende wollten sie lediglich noch etwas frische Luft auf dem Festplatz schnappen und sind ein wenig herumgelaufen.

Als es Zeit war, zu gehen, war der private Partybus, den Nina für alle gebucht hatte und mit welchem sie alle gemeinsam angereist waren, weg. Da Georg Ninas Handy hatte,rief Mark Georg an. Dieser grölte lautstark und betrunken ins Telefon, dass Mark und Nina nun zusehen könnten, wie sie nach Hause kämen. Sie seien zu spät am Treffpunkt gewesen. Nina schaute auf ihre Uhr. 10 nach Mitternacht war es. Georg hatte Recht. Sie waren 10 Minuten später eingetroffen als geplant. Der Bus war weg. Aber hätte man da nicht noch kurz warten können oder sie zumindest anrufen? Sie waren über 200 Kilometer von zu Hause entfernt. Ihr Herz begann, schneller zu schlage. Nina hatte weder Geld noch Jacke oder ein Handy dabei. Sie begann zu frieren, während sie auf Georg einredeten, er möge dem Busfahrer sagen, dass er wieder umdrehen solle. Doch das Gegenteil war der Fall, wie Nina im Nachhinein von Freunden erfahr, die mit in dem Bus gesessen sind. Der ansonsten chronische Zuspätkommer Georg habe wohl mit Nachdruck veranlasst, dass der Bus pünktlich ohne Nina und Mark von Festgelände rollte, obwohl diverse gemeinsame Freunde ihn versucht haben, zur Vernunft zu bringen und auf Nina und Mark noch kurz zu warten. Dabei soll er wohl so wütend geworden sein, dass er Ninas Handy gegen die Scheibe des Busses geworfen hat.

Er ließ sie einfach stehen und fuhr weg. Sie hatte weder eine Jacke, noch Geld oder ein Handy

Mark und sie haben sich dann ein Taxi genommen, das Mark bezahlt hat. Über 200 Euro kostete der Spaß schließlich. Florian, ebenfalls ein guter Freund von Georg, hat Nina ein paar Tage später ihr Handy wiedergegeben. Es war völlig kaputt. Nina hat es aufbewahrt, als Erinnerung, daran, was alles passieren kann, wenn man Georg wütend machte und sich nicht an seine Regeln hielt. Da war sie wieder an diesem Punkt, die Frage, ob sie gehen sollte oder bleiben. Wie damals, er die Badezimmertüre aufgebrochen hat, als sie sich bei einem Streit mit Lars im Badezimmer einschloss aus lauter Angst vor Georg. Sie fragte Florian, der ihr ihr Handy wieder brachte, was er von der Aktion hielt. Sie wollte wissen, ob sie sich wieder falsch verhalten hatte. „Nina, ich kann dir nur sagen, dass du ganz allein wissen musst, ob du dich so behandeln lassen möchtest.“ Sie war also nicht verrückt. Selbst Florian sah Georgs Verhalten als das an, was es war: nicht normal.

Das war einer von diesen Sätzen, welcher ihr letztendlich rückblickend wahnsinnig geholfen hatte, in dieser Ehe nicht völlig verrückt zu werden. Das können Außenstehende kaum nachvollziehen, die niemals Erfahrungen mit dem Prinzip Dr. Jekill und Mr. Hyde gemacht haben. Georg war nach außen ein fantastischer Mann. Für viele sicherlich ein Traummann. Er war auch eine sehr lange Zeit ihr Traummann gewesen. Sie hätte alles, wirklich alles für ihn getan. Niemand, der nicht idealerweise einmal auch seine andere Seite hautnah mitbekommen hat, seine Ausraster, seine Beleidigungen, seine Abwertungen, konnte sich auch nur annähernd vorstellen, dass er ein wahnsinnig extremes Wechselspiel-Prinzip beherrschte, das unglaublich anstrengend für alle Beteiligten auf die Dauer war. Heute konnte er einen auf Händen tragen und das Gefühl geben, der beste Mensch zu sein und gemeinsam mit ihm alles zu erreichen, morgen konnte nur ein Satz ihn derart aus der Fassung bringen, dass man nur noch Dreck wert war, zu nichts nütze, zu blöd zu allem, zu nichts zu gebrauchen. Dieser Mensch konnte dich in den Himmel heben mit allen dazugehörigen Glücksgefühlen. Er konnte dich aber auch von einer Sekunde auf die nächste zu Fall bringen. Er kannte schlichtweg keine Skrupel. „Entschuldigung“ hatte er, wie sein Vater, noch nie über die Lippen gebracht und es schien auch, dass er bei all seinem Tun auch nie mit sich haderte, nie Skrupel hatte, nie Fehler im Nachhinein einsah oder ein schlechtes Gewissen hatte. Schlichtweg weil er, wie er selbst auch nicht müde wurde zu betonten, stets korrekt handelte. Dieser Mensch machte keine Fehler. Nur alle anderen. Das war zumindest sein Selbstverständnis.

„Ich würde mich an deiner Stelle wirklich schämen, Nina“

Daher sprach sie lange mit niemandem über die Vorkommnisse in ihrer Ehe. Aus Unsicherheit, ob nicht doch alles an ihr lag und sie tatsächlich eine völlig falsche Wahrnehmung der Dinge hatte, aus Angst, dass man ihr nicht glaubte, das andere die Begebenheiten als gar nicht so schlimm erachteten und natürlich aus Furcht, dass Georg letztendlich davon erfuhr. So etwas wäre Hochverrat für hin.

Aber das Florian als enger Georgs Freund ein ähnliches Bild der Situation hatte, welches auch sie hatte, stimmte sie zum ersten Mal wieder mutiger, sie begann, ihrem Bauchgefühl mehr zu trauen. Auch Mark fand keine Worte für das Verhalten von Georg. Georg kam etwas später in der Nacht zurück, schlief auf der Couch anstatt im Bett. Am Morgen sprach er kaum etwas mit ihr, am Nachmittag ergossen sich dann die Anschuldigungen wieder über sie, wie peinlich sie sich wieder einmal aufgeführt hatte, das gehe gar nicht. Jeder im Bus habe den Kopf über ihr Verhalten geschüttelt. Betrogen habe sie ihn mit Mark.  „Ich würde mich wirklich schämen, Nina. Das geht gar nicht. Ich weiß gar nicht, wie das noch mit uns weitergehen soll“, sagte er abschließend und dass er sich nun mal wieder gut überlegen müsse, ob diese Ehe überhaupt noch Sinn mache. Er schaute sie dabei ernst an. Sie schaute ihn ebenfalls lange an und entschuldigte sich dieses Mal nicht für ihr Verhalten, denn sie wusste, dass sie nichts falsch gemacht hatte. Und auch andere wussten die Situation einzuschätzen. Sie war nicht mehr allein. Und das war so unglaublich viel wert.

Nun begann sie, nicht nur ihr Verhalten zu betrachten, sondern auch seines zu hinterfragen

Es sollte noch zwei Jahre dauern, bis sie sich endgültig von ihm trennte. Aber schon jetzt änderte sich einiges. Im Wesentlichen ihre Selbstwahrnehmung. Bislang hatte sie nahezu immer den Fehler bei sich gesucht und sich versucht, zu verbessern und nichts zu machen, was irgendjemand in dieser Familie als Kritik oder Provokation verstehen konnte. Sie lief quasi wie auf Eierschalen durchs Leben. Nun begann sie allmählich, nicht nur auf ihr Verhalten zu schauen und dieses zu hinterfragen und zu optimieren, damit alle zufrieden mit ihr waren, sondern sie schaute nun mehr auf sein Verhalten bei den weiteren Dramen, die noch folgen sollten. Bestärkt wurde sie von Sätzen wie die von Florian und weiteren Freunden, die ebenfalls Kommentare begannen zu ihr zu sagen, die sie in ihrer Wahrnehmung bestärkten. Sätze wie: „Das geht gar nicht, wie der dich behandelt, Nina.“, wenn er Nina mal wieder vor allen Leuten lächerlich machte. Und allmählich begann sie sich zu öffnen und diesen Personen zaghaft zu vertrauen und peux-a-peux zu erzählen, was noch so alles hinter den Kulissen dieses Hauses passierte.

Sie war nicht verrückt, sie war nicht irre, wie Georg sie immer hinstellte. Die Außenwelt, zumindest mit den Personen, die sie sprach, urteilte genauso über sein Verhalten. Das war nicht normal. Das machte man nicht. Auffällig jedoch war dabei, dass das zunächst vorwiegend Menschen erkannten und sie darauf ansprachen, die selbst bereits Erfahrungen mit derartigen Beziehungen gemacht hatten.

Irgendwann war sie sich absolut sicher: Gar nichts würde besser werden, denn sie würde in seinen Augen nie gut genug sein, keiner würde jemals gut genug sein für Georg, außer vielleicht sein Vater.

Nina wurde in dieser Zeit getragen von einem Gefühl der Solidarität und es bestärkte sie auch im Bezug auf ihre Kinder, sich zu trennen.  Hätte sie diese Stimmen von außen nicht gehabt, wäre sie vermutlich nicht aus dieser Ehe ausgebrochen, weil sie immer noch denken würde, dass sie der einzige Fehler in seinem System ist. War sie ja auch. Irgendwie. Und dieser bescheuerte Glaube, wenn sie sich nur noch ein wenig mehr noch anstrengte, würde alles gut werden. Was für ein Schwachsinn. Gar nichts würde besser werden, denn sie würde in seinen Augen nie gut genug sein, keiner würde jemals gut genug sein für Georg, außer vielleicht sein Vater.

Nun wusste sie sicher: Auch er musste sich ändern, um diese Ehe, diese Familien zu retten. Sie würde sich nicht länger so behandeln lassen. Sie würde künftig für sich einstehen. Sie würde ihrer Tochter ein besseres Vorbild sein, denn sie wünschte sich für sie eine bessere Ehe. Und wer weiß? Vielleicht änderte sich dann etwas. Vielleicht änderte er sich. Ein Versuch war es zumindest wert.

„Er wertet dich ständig vor anderen ab, um sich selbst aufzuwerten“

Zum ersten Mal hörte sie dieses Wort von einer Bekannten, dieses Wort, das am Ende alles erklärte, sein Verhalten, das seines Vaters, seiner Mutter, Georgs Verhalten gegenüber den Kindern. „Georg ist doch ein Narzisst. Das ist so etwas von offensichtlich“, sagte einmal bei einem Schwimmbadbesuch Helene zu ihr. Helene war eine weitläufige Bekannte. Der Zufall hatte sie wieder zueinander gebracht über mehrere Freundesecken. Seitdem sah man sich regelmäßig bei Geburtstagen von Freunden. „1. Er wertet dich ständig vor anderen ab, um sich selbst aufzuwerten. 2. Georg kann anderen nichts gönnen, nur sich selbst. 3. Der prahlt doch ständig mit allen, was er hat oder auch nur so tut, als ob. Das ist ein totaler Blender.“ Helene hatte Recht. Das wusste Nina. Ihr kamen die Tränen bei diesen Sätzen, weil sie wie eine Erlösung für sie waren. Sie war keine grauenhafte Person, die ihrem Ehemann das Leben schwer machte, sondern ihr Ehemann verhielt sich teilweise unmöglich. Nina verschlang in kürzester Zeit alle möglichen Bücher zum Thema Narzisssmus und toxische Beziehungen und verstand dabei immer mehr. Sie verstand irgendwann auch, warum Helene als weitläufige Bekannte ihn durchschaute und andere, die täglich mit ihm zu tun haben, nicht. So wie sie selbst letztendlich lange Zeit nicht gesehen hat, was da vor sich ging. Es war ein langer Prozess zur Erkenntnis und lief parallel zu ihrer Scheidung ab, die ihr noch einmal alles abverlangte. Denn: Trenn dich nie von einem Narzissten. Es könnte dein Untergang sein. Genau das prophezeite ihr Georg vor ihrem Auszug.

Auf der Suche nach einer guten Scheidungsanwältin empfahl ihr eine Geschäftspartnerin, es zunächst nochmal mit einer Familientherapie zu versuchen als letztes Mittel, diese Ehe und damit ihre Familie zusammenzuhalten. Georg hielt davon nichts. Er meinte zu ihr lapidar, ich gehe hin, wenn du mir unseren Besitz überschreibst. Sie dachte, sie hatte sich verhört. Aber nein, er meinte es ernst. Also ging sie letztendlich alleine hin, heimlich, versteht sich. Sonst könnte sie sich wieder anhören, wie labil sie angeblich in seinen Augen sei.

„Ich habe Angst vor seiner Reaktion“

Dr. Sybille Knörzer hörte sich Ninas Geschichte vom Anfang bis zum Ende an und fragte am Ende: „Warum wehren Sie sich nicht, wenn er ihr Ihnen zum Beispiel den Mund verbietet vor den Kindern und zu Ihnen am Essenstisch sagt, Du darfst gerne eine andere Meinung haben als ich, aber behalt sie für dich“?

Nina überlegte kurz: „Na, weil ich Angst vor seiner Reaktion habe. Ich weiß, was dann kommt.“

Dr. Sybille Knörzer: „Was kommt dann?“

Georgs Augen wurden in der Regel schmal, wenn ihm jemand Widerworte leistete, dann drehte er sich weg, ignorierte einen, verließ den Raum, sprach eine Weile nicht mehr mit einem, oder sie brach damit eine Diskussion vom Zaun, in der er sie wiedermal abwertete oder beschimpfte, gerne auch vor den Kindern. Dabei streckte er ihr vorzugsweise seinen ausgetreckten Zeigefinger ins Gesicht und kam ziemlich dicht an sie heran. Er neigte dazu, erst seine Worte herauszuzischen, bevor er ins Brüllen überging. Die Kinder weinen dann im schlimmsten Fall und betteln, dass sie aufhören mögen zu streiten. Darum sagte Nina häufig nichts mehr, sondern blieb stumm. Vernünftige Diskussionen waren mit Georg ohnehin nicht möglich, denn er antwortete nicht auf Fragen, sondern begann dann wieder mit gänzlich neuen Themen, oft mit vermeintlichen Fakten, die er in an den Kopf schmiss, die aber völlig absurd waren. Nina war jahrelang nur damit beschäftigt, sich zu verteidigen bezüglich seiner teilweise abstrusen oder überzogenen Anschuldigungen. Sie versuchte, logisch zu argumentieren, aber dann begann er mit einem völlig anderen Thema und das Spiel startete von neuem.

Finde zu dir selbst zurück

Dr. Sybille Knörzer vertrat die Meinung, dass Nina wieder mehr zu sich selbst finden müsse und ihm auf Augenhöhe begegnen müsse. Als Erwachsene und nicht als Kind. Sein Beleidigtsein gelte es dann einfach auszuhalten. Ihn solle sie auch stets im Erwachsenenmodus „abholen“, wenn er wieder wegen einer Kleinigkeit in seinen Kindmodus verfalle und mit seinem Spielzeug um sich wirft, wenn ihm etwas nicht passe. Oder aber oberlehrerhaft zu ihrer herunterschaue und sie versuche, zu belehren.

Sprechen Sie im Erwachsenenmodus mit ihm

Also gut. Sie schaltete ihre Emotionen bei den kommenden Kommentaren und Streitereien so gut es ging aus und versuchte, mit ihm von einem Erwachsenen zum anderen Erwachsenen zu sprechen. Das klappte nicht immer, aber immer öfter. Und es wirkte tatsächlich deeskalierend. Aber Georg wirkte dadurch nicht irgendwie glücklicher, sondern eher wütender, wie wenn er innerlich schier zu platzen drohte. Wenn er sie beleidigte, nahm sie das fortan nicht mehr persönlich, sondern empfand Mitgefühl mit ihm, dass er anscheinend keine andere Möglichkeit gelernt hatte, zu kommunizieren und sich auszudrücken in Konfliktsituationen. Sie blieb ruhig. Er wurde aber dadurch, so schien es, nicht ebenfalls glücklicher, ohne die ständigen Streitereien, sondern im Gegenteil, immer unzufriedener und unruhiger. Er schien diese ganzen tagtäglichen Dramen förmlich zu suchen und auch zu brauchen. Wenn sie versuchte, ihm wieder nahe zu sein, ihn zu umarmen oder ihm etwas Nettes zu sagen, konnte er es nicht annehmen. Er hingegen schien kein Interesse daran zu haben, dass es ihr gut ging, indem er etwas Nettes zu ihr sagte oder sie einfach nur so, ohne sexuelle Hintergedanken, in den Arm nahm.

Um diese Ehe zu retten, hätten Sie sich beide bewegen müssen. Einer allein reicht nicht.

Als er an einem Abend wieder einiges mit einem Freunde trank und sie mal wieder sagte, dass sie das nicht gut findet, wenn es ständig nur darum gehe, auf einem gewissen Pegel zu sein, liefen ihm wieder Tränen über die Wangen, als sie abends im Bett lagen. „Weißt Du, Nina, ich kann das mit Dir einfach nicht länger. Verschwinde mit deinen Bälgern aus meinem Haus, verschwinde und lass mich einfach nur in Ruhe. Du zerstörst mein Leben. Ich kann einfach nicht mehr“, schluckte sie nicht mehr, war nicht mehr wie gelähmt, schlief nicht mehr schweißgebadet ein vor lauter überwältigender Angst, ihn zu verlieren, wollte nicht mehr kämpfen für eine Ehe, die sowieso nicht mehr zu retten war, wenn einem wirklich zu keinerlei Kompromiss bereit war und nur alle Fehler bei dem anderen suchte. Um diese Ehe zu retten, hätten sie sich beide bewegen müssen, einer allein reicht einfach nicht. Sie wollte weder Lars noch Ida dieses Modell einer Steinzeitehe weiter vorleben. Sie wollte auch ihre Kinder dazu ermutigen, dass eine Verbindung zu einem Menschen etwas Schönes ist, etwas, dass beiden Menschen einen Mehrwert bringt, bei der sich beide besser und nicht schlechter fühlen und in welcher man es nicht nötig hat, den anderen abzuwerten. Und dass ein Leben in Frieden und Harmonie nicht nur möglich sein sollte, sondern selbstverständlich. Sie bettelte nicht mehr darum, bei ihm bleiben zu dürfen, sie strengte sich die folgenden Wochen nicht noch mehr an, damit er blieb.

Sie antwortete nur: „Ok. Wir ziehen aus.“

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Wie erkennt man einen Narzissten, wenn er vor einem steht?

 Der Psychologe Dr. med. Pablo Hagemeyer hat mehrere Bücher über das Phänomen des Narzissten geschrieben. Er selbst bezeichnet sich ebenfalls als Narzissten, aber als „netten“, der erkannt hat, dass er einer ist, was eher die Ausnahme als die Regel bei derartigen Persönlichkeitsstörungen ist. Einfacher Narzissmus tut in der Regel erst einmal niemanden weh. Der einfache Narzisst findet sich selbst schlicht wunderbar und sucht stets Aufmerksamkeit und Bewunderung. Seine Bedürfnisse stehen für ihn im Mittelpunkt. Er kann sich empathisch nicht wirklich in andere hineinversetzen, sondern „kopiert“ Gefühle wie Anerkennung und Mitgefühl für andere und deren Leistungen. Dies macht der Narzisst nie grundlos, sondern möchte damit ein Ziel erreichen. Grundsätzlich hat dieser Typus ständig mit Neid, Angst und Minderwertigkeitskomplexen zu kämpfen.

Es gibt jedoch unterschiedliche Ausprägungen von Narzissmus – ähnlich anderer Krankheiten wie Autismus. Die harmlose Variante, wie soeben beschrieben, bis hin zu einer bösartigen, so genannten malignen und damit destruktiven Form, nicht selten auch gepaart mit Aggression. Diese Form des Narzissmus zerstört grundlos ohne Rücksichtnahme, wenn er seine Ziele bedroht sieht, etwa wenn Menschen die Maske durchschauen, die er trägt. Der Narzisst wird enttarnt, kann das aber in seiner Welt nicht verwinden und versucht, die Person, die ihn durchschaut hat, etwa durch gezielten Rufmord zu diskreditieren, aus seinem Leben zu verbannen, finanziell und/oder persönlich zu „zerstören“, damit seine heile Welt, in welcher er der König ist, wieder hergestellt ist. Dabei ist der malignen Form des Narzissten nahezu jedes Mittel recht, wie etwa lügen, Manipulation, aggressives Auftreten, emotionale Erpressung und gezielte Beleidigungen und Abwertungen. Aussagen wie: „Das kann er doch nicht machen“ oder „Das wäre aber nicht rechtens“ interessieren derartige Persönlichkeitsstrukturen grundsätzlich nicht. Sie machen ihre eigenen Regeln und erwarten, dass diese Regeln jeder akzeptiert – auch vor Gericht bekommen sie mit dieser dreisten Vorgehensweise nicht selten auch noch Recht, wie diverse Gerichtsverfahren und -urteile im Familiengericht in Deutschland belegen.

Besonders perfide Narzissten bedienen sich hier einem Wechselspiel. Gegenüber anderen Personen verhalten sie sich dabei extrem höflich, großzügig und hilfsbereit, während sie gleichzeitig die Person, die ihr falsches Spiel erkannt hat, massiv bei anderen Menschen abwerten.

Eine Liebesbeziehung zu einem Narzissten läuft fast immer nach demselben Muster ab:

  1. Phase: Das Opfer glaubt, den Traummann / die Traumfrau gefunden zu haben, da der Narzisst sich genau so präsentiert, wie sich das Opfer seinen/ihren Traummann vorstellt. Durch gezieltes „Abfragen“ von Wünschen werden diese schnell erfüllt. Der Traumpartner präsentiert sich etwa als leidenschaftlicher Koch, als Diskussionspartner in politischen Themen, als kunst- oder sportbegeistert, als spendabel, als erfolgreich, obwohl er es gar nicht ist. Diese Menschen sind vergleichbar mit einem Chamäleon. Sie passen sich in jeder Umgebung bestmöglich an. Obwohl sie ein verkümmertes empathisches System haben, haben sie sehr feine Antennen dafür, was andere Menschen mögen und passen sich dementsprechend an, um ihre Ziele zu erreichen. Darum sind Narzissten in der Geschäftswelt häufig ebenfalls äußerst erfolgreich. Sie bekommen so fast immer von dem gegenüber, was sie wollen.

 

  1. Phase: Wenn der Köder geschluckt und der Fisch gefangen wurde, hält die Traumbeziehung nicht lange an, da der Narzisst über einen längeren Zeitraum seine Maske nur schwer aufrechterhalten kann. Daher sind Narzissten sehr daran interessiert, in Windeseile Nägel mit Köpfen zu machen, das heißt, es wird auffallend oft sehr schnell geheiratet und/oder ein oder mehrere Babys gezeugt und/oder eine Immobilie gekauft und so die finanzielle Abhängigkeit des Opfers eingeläutet.

 

  1. Phase. Isolation und Manipulation. Schritt für Schritt wird das Opfer von seinen Vertrauenspersonen wie Freunden und / oder der eigenen Familie isoliert, sprich, man pflegt im Alltag lediglich Umgang mit Menschen, die dem Narzissten wohlgesonnen sind, wie etwa die Eltern des Narzissten, die Verwandtschaft des Narzissten, Freunde des Narzissten. Potenzielle „kritische“ Geister werden verbannt, in dem der Narzisst sie bei seinem Opfer schlecht redet, sich etwa permanent über sie lustig macht, sie abwertet oder dem Opfer erzählt, dass sie schlecht über das Opfer geredet haben – was aber nur weitere Lügen des Narzissten sind. Das Opfer glaubt dem Narzissten diese Lügen, weil Menschen generell normalerweise erst einmal vom Guten im Menschen ausgehen und nicht jeden Satz hinterfragen und anzweifeln. Die meisten gehen von sich selbst aus und sind eben keine chronischen Lügner. Narzissten zeigen überdies niemals Skrupel bezüglich ihrer Lügen oder Methoden. Entschuldigungen hört man nur dann, wenn sie damit ein bestimmtes Ziel verfolgen und nicht, weil sie ehrlich gemeint sind.

  1. Phase. Manipulation. Schritt für Schritt, nach der Salamitaktik, verwandelt sich der vermeintliche Koch in jemanden, der sein Opfer anleitet, so zu kochen, wie er es mag. Der Kunstliebhaber hängt auf einmal immer mehr in Kneipen ab und versucht, sein Opfer für seine vermeintlich neuen Interessen ebenfalls zu begeistern oder dass das Opfer diese zumindest schweigend akzeptiert. Das ab und zu wird zur Regelmäßigkeit. Der Narzisst ist immer häufiger unterwegs, erwartet aber von seinem Opfer nicht selten, zuhause auf ihn zu warten. Bei dem Opfer, dem nahezu jeder soziale Kontakt von seinem früheren Leben weggebrochen ist, dreht sich das Leben nur noch um den Narzissten. Es freut sich, wenn man es schafft, den Narzissten gut gelaunt zu stimmen. Das bereitet enorme Glücksgefühle. Wenn man es nicht schafft, indem man sich nach Meinung des Narzissten nicht korrekt verhält, in dem man sich zum Beispiel beschwert oder Kritik äußert, wird man abgewertet: Man gönne dem Narzissten nicht, dass er weggeht. Man sei schlimm zu ihm. Er halte das nicht mehr aus. Es ist dabei in der Regel nur selten möglich, auf einer Erwachsenenebene mit dem Narzissten zu kommunizieren, entweder redet man mit einem Oberlehrer (Elternebene) oder mit einem dreijährigen Kleinkind (Kindebene), das seine Schaufel wiederhaben möchte. Das Opfer bekommt in der Regel dann ein sehr schlechtes Gewissen gegenüber dem Narzissten, weil es sich vermeintlich egoistisch verhalten hat. Also strengt sich das Opfer künftig noch mehr an, dem Narzissten zu mehr Glück zu verhelfen in Form von Freiheit, Geld, Ruhm etc.

 

  1. Phase. Das Opfer wird gebrochen. Grenzüberschreitende Handlungen in Form von physischer und psychischer Gewalt treten punktuell zu Tage. Das Opfer ist in den Augen des Täters in der Regel immer Schuld, da es den Täter „provoziert“ hat. Diese grenzüberschreitenden Handlungen nehmen im Laufe der Beziehung zu, bis sie irgendwann im Alltag fest verankert sind und das Opfer nur noch um Schadensbegrenzung bemüht ist, das heißt, sich möglichst so konform zu verhalten, dass es keine dieser Handlungen auslöst – was aber letztendlich nicht gelingt, da der Narzisst Dramen braucht. So wird er selbst bei einem völligen Rückzug des Opfers Gründe finden, um missmutig und abwertend zu agieren. Merke: Einen Narzissten kann man NIE zufriedenstellen. Das Opfer ist am Ende in der Regel handlungsunfähig, ohne Selbstwert und möglicherweise finanziell abhängig von dem Narzissten.

 

  1. Phase. Das Erkennen. Wenn das Opfer erkennt, was hier geschieht und nicht mehr länger die ganze Schuld bei sich sucht, hat es zwei Möglichkeiten: auszuharren in der Situation, zu versuchen, die Situation zu ändern oder zu gehen. In der Regel ändern sich Narzissten nicht, da sie kein Einsehen in ihr Verhalten haben. Entweder das Opfer akzeptiert das und fügt sich und lebt in dieser Beziehung weiter oder es trennt sich von dem Narzissten. Eine Trennung ist für den Narzissten fürchterlich, nicht wegen der Gefühle, die er nicht hat gegenüber seinem Opfer, sondern wegen der Außenwirkung. Wie kann sich das Opfer erdreisten, diesen fantastischen Menschen zu verlassen? Narzissten werden das nicht auf sich sitzen lassen und alles dafür tun, das Opfer nach der Trennung entweder für sich zurückzugewinnen mit all ihrem Charme, um dann doch wieder in ihr altes Verhaltensmuster überzugehen, sobald das Opfer wieder zurück in der Beziehung ist, oder, sollte das Opfer nicht wieder zurückkommen, es auf allen möglichen Ebenen im wahrsten Sinne „zu vernichten“. Experten, Psychologen und Sachverständige empfehlen in der Regel, nach einer Trennung eine größtmögliche Distanz zu dem Täter zu schaffen. Dies ist mit Kindern in der Regel nicht möglich und erschwert extrem die Trennung, wird den Opfern, sobald sie versuchen, ihre Kinder zu schützen, dies nicht selten vor Gericht als Entfremdung gegenüber dem Narzissten ausgelegt und zu ihren Ungunsten in Sorgerechtsfällen geurteilt. Narzissmus ist in Deutschland nach wie vor kein anerkannter Krankheitsbegriff. Anwälte raten den Opfern nicht selten, vor deutschen Gerichten das Wort „Narzisst“ nicht zu benutzen, da Richter, Sachverständige und Jugendamtmitarbeiter nicht selten ebenso geblendet werden von der Art des Narzissten und letzten Endes zu seinen Gunsten urteilen. Es gilt: Narzissten benutzen Kinder, um weiterhin Macht und Kontrolle auszuüben über den Expartner sowie die Kinder. Alle Menschen sind für den Narzissten Mittel zum Zweck. Ein Narzisst kann keine Liebe empfinden, nicht mal für sich selbst und auch nicht für seine Kinder, lediglich, wenn sie versuchen, eine Kopie von ihm zu sein, ist er zufrieden mit ihnen. Narzissten wünschen ihren Kindern kein eigenständiges, unabhängiges und manchmal auch völlig anderes Leben als sie selbst, sondern sie sollen abhängig von ihnen sein, in Form finanzieller Kontrolle und/oder durch Gewalt, diese kann auch allein auf emotionaler Ebene stattfinden, wie etwa durch Einschüchterung. Kinder sind sich dieser Mechanismen häufig nicht bewusst, glauben sie doch stets an die guten Absichten insbesondere ihrer Eltern. Die schlimmste und wohl auch am schwersten zu tragende Erkenntnis stellt als Erwachsener die Erkenntnis dar, dass ein Elternteil oder manchmal auch beide eben nicht zum Wohl des Kindes gehandelt haben und immernoch handeln. Dies ist bei (emotionalem) Missbrauch der Fall. Aber diese Erkenntnis ertragen auch viele Erwachsene nicht und verharren daher auch als Erwachsene in der Rolle des abhängigen Kindes zu diesem Elternteil, das sie in dieser Form missbraucht hat. Diesen Opfern wird eines immer fehlen und danach werden sie sich immer sehnen und bereit sein, einiges dafür zu tun und zu ertragen: das ist die Liebe des narzisstischen Elternteils. Daher muss das Opfer, um zu gesunden und ein eigenständiges, unabhängiges Leben zu führen, irgendwann den Gedanken akzeptieren, dass Narzissten nicht lieben können. Aber das das nicht an ihnen liegt, sondern dass Narzissmus eine Krankheit ist.

 

  1. Phase. Die Trennung. Man sollte sich niemals unvorbereitet von einem Narzissten trennen, denn diese Menschen werden alles daran setzen, das Opfer danach im wahrsten Sinne zu „vernichten“, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Hierfür stellen Narzissten nicht selten eine ganze „Armada“ an Menschen als ihre Handlanger zusammen. Diese werden von Experten auch als „flying monkeys“ bezeichnet. Ohne es zu wissen, werden diese Menschen – wie beispielsweise neue Partner – benutzt, um im Rahmen von Sorgerechtsverfahren die Kinder zu bekommen, obwohl die eigenen Kinder für Narzissten letztendlich nur Statussymbole sind und Macht und Kontrolle bedeuten. Wen der Narzisst die Kinder hat, wird er sich nicht adäquat um die Kinder kümmern, sondern anderen diese Rolle zuweisen, wie etwa dem neuen Partner oder der Mutter oder er wird sie schlimmstenfalls einfach sich selbst überlassen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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