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  • Szene aus dem Filmbeitrag des MDR über Kinder, die von ihren Müttern gegen ihren Willen getrennt werden. Quelle: MDR

„Hier versagt ein ganzes System“

Anette W. und ihre elfjährige Tochter sind vor wenigen Wochen untergetaucht. Seitdem leben sie irgendwo versteckt in Deutschland. Am Dienstag, den 02. Mai 2023, hat der MDR einen Filmbeitrag veröffentlicht, der unter die Haut geht und bei welchem man kaum glauben kann, dass sich dieses Kindesdrama in Deutschland derzeit abspielt. Anbei veröffentlichen wir den Filmbeitrag in verschriftlichter Form:

30 Tage Ordnungshaft für die Mutter

Der Grund: Laut einem Gerichtsbeschluss soll die Mutter 30 Tage in eine so genannte „Ordnungshaft“. Ihre Tochter soll beim Vater leben. Wenn sich die Tochter weiterhin weigert, sei eine Aufnahme in eine „qualifizierte Einrichtung“ angedacht. Dies könnte etwa ein Kinderheim oder eine psychiatrische Einrichtung sein.

Drohende Heimunterbringung

Die Mutter versteht die Welt nicht mehr: „Ich soll ins Gefängnis gehen, weil meine Tochter bei mir leben möchte. Das ist eine Absurdität, die ich nicht fassen kann.“ Die Tochter sagt: „Ich habe solche Angst, dass ich meine Mama nie wiedersehen darf. Ich würde sie so vermissen.“ Der Gerichtsbeschluss stammt vom Oberlandesgericht Celle. Das finale Ende dieses Sorgerechtsstreites ist laut dem MDR nicht mehr anfechtbar.

Nicht mehr anfechtbares Gerichtsurteil

2018 hat sich Anette W. von ihrem Mann getrennt. Wegen der Töchter, die damals drei und sechs waren, kommt es immer wieder zum Streit. Verfahren vor dem Familiengericht. Verfahren vor dem Familiengericht werden geführt. Um beiden Eltern dieselben Rechte einzuräumen, sollen die beiden wöchentlich zwischen den Elternteilen wechseln. Als die Mädchen das nicht mehr wollen, werden sie laut Gerichtsbeschluss aus dem Jahr 2020 zum Vater „umplatziert“. Angeblich würde die Mutter die Kinder gegen den Vater beeinflussen.

Polizisten nehmen der Mutter die Kinder weg

„Beide Kinder wurden mir von jeweils einem Polizisten entrissen, weggetragen. Die Mädchen haben geschriehen. Das war ein Wahnsinn“, erinnert sich die Mutter. „Es ist wie ein Überfall.“ Danach dürfen die Kinder die Mutter wochenlang nicht sehen. Dann nur unter strenger Aufsicht. Dann nur alle 14 Tage zu Besuch. Aus den Gerichtsakten geht hervor, dass die Mädchen „eine enge Bindung zur Mutter“ haben, „ihr Zuhause bei Mama sehen und dahin zurückwollen“. In den Gerichtsakten findet sich auch, dass der Vater als Alleinerziehender offenbar an seine Grenzen gelangt ist. Die Mädchen wirken bei ihm „heruntergewirtschaftet“.

Die Mädchen laufen vom Vater davon

Ein Gerichtsgutachten geht allerdings davon aus, dass der Wille der Kinder „nicht echt“ sei. Denn „die Mutter hätte „manipulative Tendenzen“, die kindeswohlgefährdend“ seien. Dabei hatte der Gutachter die Mutter nie getroffen. Die Mutter hat ihr Recht in Anspruch genommen, nicht am Gutachten teilzunehmen. Wegen dieser kindeswohlgefährdenden Einstufung sollte die Mutter nur noch begleitete Umgänge mit ihren Mädchen haben dürfen. Auch das Sorgerecht soll ihr entzogen werden.

Sorgerechtsentzug

Ostern 2021: Die Mädchen hauen das erste Mal vom Vater ab und laufen zur Mutter. Sie wollen nicht mehr zurück. Auf Antrag des Vaters erlässt das Gerichts einen „Herausgabebeschluss“ des Amtsgerichts Hannovers. Danach dürfen die Kinder auch durch „unmittelbaren Zwang“ und mit „polizeilichen Vollzugsorganen“ herausgeholt und vom Vater zurückgebracht werden. „Dann kamen sie mit sechs Polizisten, zwei Menschen vom Jugendamt und einem Gerichtsvollzieher, waren hoch aggressiv, beide Kinder haben sich bei mir ins Bett gekrochen, haben sich gewehrt und gesagt, dass sie nicht zum Vater, sondern bei der Mama bleiben möchten.“

Filmaufnehmen zeigen Polizisten bei der „Herausgabe“ eines 13-Jährigen an seinen Vater

Wie eine derartige „Herausgabe aussieht, zeigen frühere MDR-Aufnahmen. Hier wird ein 13-Jähriger von Polizisten aus der Wohnung der Mutter herausgenommen. Der Junge wehrt sich und sagt immer wieder: Ich will das nicht.“ Trotzdem wird er von seiner Mutter getrennt. Dabei hat sie ihn weder vernachlässigt noch misshandelt. Der Grund für die Herausnahme: Der Junge lehnte den Kontakt zum Vater ab. Der Junge wurde in ein Heim gebracht, um dann später beim Vater zu leben.

Leben in ständiger Angst

Sommer, 2021. Die ältere, damals neunjährige Tochter, läuft wieder vom Vater weg. Diesmal ohne ihre kleine Schwester. Seitdem leben die beiden in ständiger Angst, wieder gewaltsam voneinander getrennt zu werden, denn die Mutter hat kein Sorgerecht mehr für ihre Tochter.

„Wenn es klingelt oder ich ein Geräusch an der Tür höre, habe ich immer Angst und denke: Jetzt holen sie mich wieder von meiner Mama weg“, so die Tochter.

Mittlerweile sieben Polizeieinsätze

Die Mutter berichtet, dass die Tochter mittlerweile schon sieben Polizeieinsätze erlebt hat, wovon sie dreimal auch tatsächlich von der Mutter getrennt wurde. Noch ein weiteres Mal muss einfach nicht sein. Das kann jeder normale Mensch nachvollziehen, dass das ein Kind schädigt. Ich verstehe auch nicht, was diesen Kindern und insbesondere Mädchen, vermittelt werden soll, dass ihr Wille mit aller Macht zu brechen ist und so vollkommen bedeutungslos ist.“

Das Vorgehen von Gericht und Behörden hat bei Fachleuten und Kinderschutzexperten für Empörung gesorgt. Die gewaltsame Trennung von Kindern von ihren Hauptbindungspersonen sollte immer das letzte Mittel sein, um eine akute Kindeswohlgefährdung abzuwenden.

Ist das noch Liebe?

„Das niemand der Verfahrensbeteiligten jemals gesagt hat: Moment mal, ein Vater, der bereit ist, den Willen seines Kindes so massiv brechen zu lassen und sogar Polizeigewalt gegen das Kind verordnen zu lassen, das hat doch nichts mit Liebe oder einer gesunden Bindung zu tun. Es geht nur darum, den Staat zum Erfüllungshilfen von den Machtansprüchen des Vaters zu machen, sagt Sonja Howard vom Betroffenenrat Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung.

Ein weitere Punkt: Warum möchten die Mädchen nicht beim Vater leben? Gab es Vorkommnisse, wodurch die Mädchen vielleicht sogar vor dem Vater zu schützen sind?

Mutter habe das Kind rechtswidrig entführt

Die Mutter soll nun ihre Haftstrafe antreten, da sie ihre Tochter nicht „herausgibt“ an den Vater. Die Richter schreiben, die Mutter hätte das Kind „rechtswidrig entführt“. Das stimmt so nicht. Das Kind ist selbst zur Mutter geflohen. Stattdessen hat die Mutter den Vater immer wieder per Mail angeschrieben, er möge doch bitte Kontakt zu seiner Tochter herstellen, da sich ansonsten die Bindung weiter verschlechtern könnte.

Selbst das Jugendamt appelliert mittlerweile an den Vater

Selbst das Jugendamt forderte den Vater schon vor einem Jahr auf, „darüber nachzudenken“, ob das Mädchen künftig iim mütterlichen Haushalt leben dürfe. Ohne Erfolg. Auch die vom Gericht eingesetzte Verfahrensbeiständin setzte sich dafür ein, dass das Mädchen so bald als möglich wieder eine Schule besuchen kann, was derzeit angesichts des unsicheren Aufenthaltsortes nicht möglich sei, da das Kind Angst habe, von der Schule abgeholt und zum Vater gebracht zu werden. Auch sie attestiert dem Vater keinerlei Gesprächsbereitschaft. Sonja Howards Fazit: Das Kind hat Angst, zur Schule zu gehen, solange sie keine Garantie bekommt, mit Polizeigewalt herausgerissen zu werden. Das ist eine völlig legitime Furcht. Und dass sowohl der Vater als auch der Staat nicht hingehen und dem Kind die Angst nehmen und ihr versichern: Du bist sicher, wenn du in die Schule gehst, dann ist es der Staat und der Vater, die hier dem Kind eine gesunde Entwicklung verwehren und eben nicht die Mutter.“

2 Jahre Kontaktverbot zu ihre Töchtern droht nun der Mutter

Das Problem für Mutter und Kind: Wenn sie von der Polizei aufgegriffen werden, muss die Mutter nicht nur ins Gefängnis, sondern es wird ihr auch laut Gerichtsbeschluss für die nächsten zwei Jahre jedweder Kontakt zu den Töchtern verboten. „Es ist zwar blöd, dass wir jetzt kein Zuhause mehr haben, aber ich bin trotzdem froh, dass ich mit meiner Mama zusammen sein kann. Ich lebe lieber so, als zu meinem Vater zurückzugehen.“

Fatal: Es werden Urteile gemacht, die nicht von einer höheren Stelle korrigiert werden können

Der Fall sorgt bundesweit für Schlagzeilen. Die Soziologin Christina Mundlos hat ein Buch mit dem Titel geschrieben: „Mütter klagen an. Institutionelle Gewalt gegen Mütter und Kinder im Familiengericht“. Zudem hat sie Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Richter gestellt und eine Petition ins Leben gerufen, die den Titel trägt: „Stoppen Sie Kindeswohlgefährdungen durch das Oberlandesgericht Celle.“ Ich fordere mit meiner Petition eine Untersuchungskommission zur Untersuchung von Kindeswohlgefährdung am OLG Celle und eine Aufarbeitung vieler anderer Fälle.“ Die Soziologin hat ihre Recherchen an das  Justizministerium Niedersachsen weitergeleitet. Auf MDR-Nachfrage heißt es dort, dass man wegen der Unabhängigkeit der Richter keine Maßnahmen oder Evaluierungen einleiten werde.“ Das Problem: Im Familienrecht gibt es keine übergeordnete Instanz wie etwa den Bundesgerichtshof, die Urteile korrigieren könnte.

Tanja Meyer, frauenpolitische Sprecherin der Grünen in Niedersachsen, will nun unabhängige Anlaufstellen für Betroffene schaffen. „Das, was ich von der Familie weiß, erschüttert mich zutiefst, weil am Ende ein ganzes System hier versagt hat.“

Quelle: MDR

Link zum Filmbeitrag: Familienrecht: Wenn der Streit um das Sorgerecht eskaliert | MDR.DE

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