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Fünfstellige Summen sind keine Seltenheit. So viel kann mitunter ein familienrechtliches Gutachten in einem Verfahren kosten, das der Frage nachgeht: Bei wem sollen die Kinder leben? Zahlreiche Mamas und Papas bemängeln seit Jahren diese Praxis und beklagen unter anderem die Qualität der Gutachten. Nun hat sich auch das Stuttgarter Pressehaus diesem Thema angenommen. Ausschlaggebend war eines von mehrere Gerichtsverfahren gegen einen großen Gutachter in Baden-Württemberg und Hessen.
Die Eltern waren gegen eine Herausnahme
Am 12. April gab es am Landgericht Stuttgart einen Gerichtsprozess der etwas anderen Art. Ein Gutachter stand vor Gericht, der auch in zahlreichen hochstrittigen Familiengerichtsverfahren im Rahmen von Scheidungsverfahren bereits Gutachten dahingehend ausgestellt hat, wo das / die Kinder zukünftig leben soll:en. Nun steht er selbst in mehreren Fällen aufgrund seiner Gutachten vor Gericht.
Sohn suizidgefährdet
In diesem speziellen Gutachten, worum es nun ging, empfahl er die Herausnahme eines psychisch auffälligen Jungen aus seiner Familie, nachdem sich diese hilfesuchend unter anderem an das Jugendamt gewandt und eigentlich unterstützende familiäre Begleitung erbeten hatte. Die Eltern waren denn auch gegen die Herausnahme aus der Familie und verwiesen dabei unter anderem darauf, dass ihr Sohn suizidgefährdet sei.
Der Junge wurde dennoch umplatziert
Der Junge wurde dennoch umplatziert. Nach der Umplatzierung wurde der Sohn allerdings noch verhaltensauffälliger und nahm sich schließlich das Leben. Die Eltern sehen eine Mitverantwortung und Schuld bei dem Gutachter, der das Gutachten erstellt hat. Vorneweg: Der vorsitzende Richter machte bereits zum Prozessauftakt darauf aufmerksam, dass man keine Kausalität zwischen dem Suizid und dem Gutachten, das letztlich zur Herausnahme aus dem Elternhaus führte, herstellen und damit besagter Gutachter vermutlich nicht schuldig gesprochen werden könne (So kam es denn letzten Endes auch: Wenige Wochen nach dem Prozessauftakt wurde der Gutachter von allen Vorwürfen freigesprochen).
Eine Lawine weiterer Verfahren
Auffällig ist, wie viele Mütter und Väter an diesem Tag des Prozessauftaktes das öffentliche Verfahren auf den Zuschauerplätzen verfolgten. Auch das nimmt der Richter zur Kenntnis, vermutlich ahnend, was es bedeuten würde, wenn dieser Gutachter zu Schadenersetz verklagt werden würde. Denn das würde vermutlich eine Lawine weiterer Verfahren nach sich ziehen: Väter und Mütter, die eine Negierung ihrer Urteile – da basierend auf vermeintlich falschen Gutachten – sowie Schadenersatzansprüche fordern würden.
Einige der betroffenen Eltern verfolgen den Prozess, weil sie ebenfalls ein Gutachten von dem Angeklagten erhalten haben, das in einigen Fällen zur Herausnahme der Kinder und zur Umplatzierung geführt hat – aber nicht in Pflegefamilien, sondern zu dem Expartner oder der Expartnerin. Diverse Gutachten sind dabei nicht von dem Gutachter selbst unterschrieben worden. Der vom Gericht eingesetzte Gutachter beauftragte oft andere Sachverständige mit der Erstellung der Gutachten. Diese Sachverständigen wiederum befragten die betreffenden Kinder und schrieben am Ende die Gutachten. Der besagte Gutachter erhielt eine Provision für die Vermittlung. Ein einfaches und lukratives Geschäftsmodell. In einem großen Artikel widmet sich Akiko Lachmann, Redakteurin der Stuttgarter Zeitung, kritisch diesem Thema einer Gutachter-Industrie, von der Außenstehende oftmals nichts wissen:
Gutachter bei Gericht: Lukratives Geschäft für große Büros – Stuttgart (stuttgarter-zeitung.de)
Zahlreiche Gegengutachten zu den besagten Gutachten des Angeklagten ließen Betroffene im Rahmen familiengerichtlicher Verfahren erstellen – bislang erfolglos. Die Sachverständigen werfen dem besagten Gutachter beziehungsweise seinen beauftragten Experten reihenweise vor, unsauber gearbeitet zu haben und so nicht das Kindeswohl im Blick zu haben, sondern im Gegenteil, teilweise sogar stark kindeswohlgefährdend gearbeitet zu haben.
Völlige Unkenntnis bei Themen wie etwa Entfremdung und Machtmissbrauch
Professor Dr. Michael Wissert, ehedem Professor für Soziale Arbeit an den Hochschulen in Berlin und Ravensburg-Weingarten, bemängelt, dass Gegengutachten vor Familiengerichten leider oftmals kein Gewicht hätten und fordert eine grundsätzliche Reform des Gutachter-Wesens. Auch Sozialarbeiterin Michaela Fischer kritisiert darüber hinaus, dass wichtige Dinge bei einer Bewertung des Sachverhalts Kinder Trennungsgeschichten betreffend, oftmals nicht berücksichtigt werden beziehungsweise teilweise eine völlige Unkenntnis herrscht bei Themen wie etwa Entfremdung, Machtmissbrauch und toxisch-narzisstisches Verhalten. Nicht selten finde dadurch eine Täter-Opfer-Umkehr statt, wodurch die Kinder am Ende beim Täter bleiben oder zum Täter umplatziert werden.
Lesen Sie hierzu auch: „Die Frage sollte nicht lauten: Wer bekommt das Kind?“
Es gibt zahlreiche Fälle, in welchen die Kinder zum/zur Täter:in umplatziert werden
In einem Fall etwa hat eine Betroffene gegenüber dem Gutachter dargelegt, warum sie mit dem gemeinsamen Säugling aus der gemeinsamen Villa ausgezogen sei und beschreibt dabei konkrete Begebenheiten: Alkohol, Partys, keine Fürsorge und Rücksichtnahme gegenüber dem neugeborenen Kind. Es kommt zum Gerichtsverfahren, in welchem der Vater, unter anderem aufgrund des Gutachtens, das sich für den Vater – ein hochrangiger Manager – ausspricht, das damalige Kleinkind zugesprochen bekommt. Das Kind wurde umplatziert. Die Mutter darf das Kind seit Jahren nur noch an bestimmten Tagen sehen.
Es gibt zahlreicher solcher verwunderlicher Umplatzierungen in Deutschland, auch diverse Bücher darüber. Ein aktuelles von Sonja Howard und Jessica Reitzig ist 2023 veröffentlicht worden und trägt den Titel: „Im Zweifel gegen das Kind. Wie Gerichte, Jugendämter und Polizei Kinderrechte mit Füßen treten.“
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