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„Weniger Gelegenheit, sich Hilfe zu holen“

Nicht raus können, niemanden treffen dürfen außerhalb der eigenen Familie und immer nur in den eigenen vier Wänden sein – was für viele eine Zumutung und Einschränkung ihres Alltags ist, kann für manche Frauen zur lebensbedrohlichen Situation werden. Nämlich dann, wenn der Partner zur Gewalttätigkeit neigt und die Frau ihm nicht ausweichen kann. Andrea Bühler vom Frauen- und Schutzhaus im Hohenlohekreis konnte bisher seit den Coronabeschränkungen noch keine „gravierenden Veränderungen“ hinsichtlich Anfragen von Frauen beim Frauenhaus feststellen. „Momentan gibt es etwas häufigere Anfragen, aber ob das ein Trend ist, weiß ich noch nicht“, sagt sie. Aber sie hält den Gedanken durchaus für realistisch.

„Häusliche Gewalt ist oft mit starker Kontrolle verbunden.“

Allerdings: Das heißt nicht unbedingt, dass es weniger Gewalt geben würde. „Häusliche Gewalt ist oft mit starker Kontrolle verbunden“, berichtet Andrea Bühler aus ihren Erfahrungen. In Zeiten von Corona seien schließlich auch Männer und Kinder zuhause, die Frauen seltener allein. So hätten sie auch weniger Gelegenheit, sich Hilfe zu holen. Deshalb rechnet die Frauenhaus-Leiterin auch damit, dass die Anfragen nach der Corona-Krise ansteigen werden.

Notfallnummer

Sind Sie Opfer von häuslicher Gewalt? Das Frauenhaus des Hohenlohekreises erreichen Sie unter Telefon 07940/58 95 4. Wenn Sie sich in einer akuten Notlage befinden, rufen Sie die Polizei unter Telefon 110. Seit 2002 gibt es das „Gewaltschutzgesetz“, danach kann dem Täter ein so genannter „Platzverweis“ erteilt werden. Der Täter darf unter anderem die Wohnung des Opfers nicht mehr betreten – auch wenn ein gemeinsamer Haushalt vorliegt. Weitere Informationen zum Gewaltschutzgesetz lesen Sie auf der Seite des Bundesjustizministeriums: https://www.gesetze-im-internet.de/gewschg/BJNR351310001.html

Kontakt: Frauen- und Kinderschutzhaus im Hohenlohekreis in Trägerschaft des Albert-Schweitzer-Kinderdorf e.V., Postfach 1157, 74641 Künzelsau, Telefon: 0 79 40 / 58 95 4, Telefax: 0 79 40 / 54 68 90
E-Mail: frauenhaus@albert-schweitzer-kinderdorf.de

http://www.frauenhaus-hohenlohe.de/

Text: Sonja Bossert

 




Frauenhaus bekommt Spende und vier weitere Plätze

Das Frauen- und Kinderschutzhaus vergrößert sich von zehn auf 14 Plätze. Dies geht aber nicht ganz ohne Hilfe und somit spendete AWO Ortsverein Künzelsau 5.000 Euro die in den Gebäudeumbau fließen sollen. Genauer gesagt wird das Geld für den Garten genutzt. „Wir haben jetzt viel mehr Platz für die Kinder und möchten im Garten einige Spielgeräte aufstellen. Hierfür wird die Spende von AWO genutzt“, erklärt Andrea Bühler, Leiterin des Frauenhauses.

Die nachfrage ist hoch. Einige Frauen bleiben ein bis zwei Nächte, meist nur über das Wochenende, „dann können Sie bei Freunden oder Verwandten unterkommen. Einige Frauen gehen auch zurück zu ihren Männern, in der Hoffnung, dass sich nun alles ändere“, schildert Bühler. Dei Frauen die länger bleiben haben ein Zimmer und teilen sich die Küche und das Bad mit den anderen Frauen. Und genau für diese Frauen und Kinder werden Spenden benötigt. „Geburtstage oder auch ein Kinobesuch mit den Kindern in den Ferien möchten wir ermöglichen“, so Bühler weiter. Sie ist auch stolz auf das gute Netzwerk von Kindergärten, der Tafel und der DRK-Kleiderladen im Hohenlohekreis.

Als Christian Gaus, AWO-Kreisvorsitzende, von seinem Kollegen Peter Florian, Vorsitzender des AWO Ortsvereines Künzelsau, erfuhr, dass das Frauenhaus Spenden benötigt war für ihn klar, dass die AWO helfen würde. „Mir war gleich klar, dass wir das Frauenhaus unterschützen. Es ist wichtig, dass es dies gibt was man auch am Erfolg und dem Zulauf sieht“, erklärt Gaus.

Peter Florian erzählt, dass die AWO schon des längerem das Frauenhaus bei Einzelfällen hilft. Darüberhinaus liegt ihm viel daran, Menschen zu helfen die gerade finanziell einen Engpass haben. „AWO unterschützt auch Menschen denen gerade die Waschmaschine kaputt gegangen ist und sie einfach nicht das Geld haben sich eine neue zu kaufen. Viele Frauen und Alleinerziehende nagen am Hungertuch, schämen sich aber etwas zu sagen“, erzählt Florian. Dies würde Florian gerne ändern.




Ein viertel Jahrhundert Frauenhaus im Hohenlohekreis

Seit 25 Jahren bietet das Frauen- und Kinderschutzhaus im Hohenlohekreis Frauen und ihren Kindern Schutz und Unterkunft, Beratung und Unterstützung und gibt ihnen die Möglichkeit, eine gewaltfreie Zukunft  zu beginnen. Eröffnet wurde das Frauenhaus 1994. Engagierte Frauen hatten sich 1991 zu dem Verein „Frauen helfen Frauen“ zusammengeschlossen. Als die Aufgaben nicht länger ehrenamtlich zu bewältigen waren, übernahm das Albert-Schweitzer-Kinderdorf e.V. die Trägerschaft. Zwei Sozialpädagoginnen, eine Erzieherin sowie ein Team an ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen begleiten die Frauen und Kinder auf ihrem schwierigen Weg in ein Leben ohne Gewalt. Seit Eröffnung des Frauenhauses fanden dort 547 Frauen und 568 Kinder Zuflucht. Die Mitglieder des Frauenhauses laden daher zur Jubiläumsfeier mit dem Musikkabarett „Frauengold“ und anschließendem Stehempfang ein.

Donnerstag, 31. Januar 2019, 19 Uhr

Stadthalle Künzelsau, Schulstraße 9, 74653 Künzelsau

Der Eintritt ist frei. Um Spenden wird gebeten.

Anmeldung bis zum 15. Januar 2019 per Mail:

frauenhaus@albert-schweitzer-kinderdorf.de

 




Er schlug sie brutal

Geschlagen. Getreten. Mit Worten gedemütigt. So ergeht es vielen Frauen in Deutschland – nicht nur in Großstädten, auch im Ländle. Oft geschieht all dies, ohne dass
Außenstehende es bemerken.

Magdalena K.* gehört zu den Frauen, die häusliche Gewalt erfahren mussten. Die junge Frau wuchs bei einer Pflegefamilie auf. Mit 16 kam sie in ein Heim. Dort lernte sie Marc kennen und wurde schwanger. Sie heirateten, alles schien perfekt. Doch dem war nicht so. Marc schrie sie an, wurde immer aggressiver und schlug sie brutal. Nach zwei Jahren flüchtete sich Magdalena in ein Frauen- und Kinderschutzhaus. Die schwierige Frage: Wie fliehe ich aus dem Gefängnis zu Hause? Vielen Frauen fehlt der Mut, die Zuversicht. Und einige lieben ihren Partner trotz den Misshandlungen.

Ehrenamtlich tätige Frauen wollten den verängstigten Frauen den Schritt in ein neues, vielleicht sogar sorgenfreies Leben ermöglichen. Deshalb gründeten sie 1991 den Verein „Frauen helfen Frauen“ im Hohenlohekreis. Sie führten ein Notruftelefon ein und boten Frauen eine erste Anlaufstelle vor Ort. Nur drei Jahre später wurde das Frauen- und Kinderschutzhaus im Hohenlohekreis gegründet. 15 Jahre lang konnte dieses soziale Projekt durch ehrenamtliche Helfer gestemmt werden. Seit Juli 2009 steht nun der Albert-Schweitzer-Kinderdorf-Verein als Träger hinter dem Frauenhaus. Zwei Sozialpädagoginnen und eine Erzieherin sind angestellt. Die Leiterin des Frauenhauses, Andrea Bühler, sagt: „Wir nehmen nur Frauen auf, die Gewalt erlebt haben oder bei denen eine akute Bedrohung vorliegt.“ Die betroffenen Frauen müssen selber wollen, sie können nicht zum Gang ins Frauenhaus gezwungen werden. „Den letzten Schritt muss die Frau selber machen“, so Bühler.

Die Plätze im Frauen- und Kinderschutzaus im Hohenlohekreis sind begrenzt. So fasst das Haus, dessen Adresse streng geheim ist, gerade einmal zehn Plätze, verteilt auf fünf Schlafzimmer. Besuch ist strikt untersagt. Nicht einmal enge Freunde und Verwandte dürfen vorbeikommen. Zu groß wäre die Gefahr, dass auch die gewalttätigen Ehemänner und Lebenspartner die Frauen aufsuchen und bedrohen könnten.

Ohne Schuhe stand sie vor uns

Zunächst einmal meldet sich die Frau unter der Hotline des Frauenhauses: 07940 / 58 954. Muss es schnell gehen, wird eine sofortige Unterbringung eingeleitet. In Einzelfällen muss die Polizei hinzugerufen werden, um die Frau in Sicherheit zu bringen. In der Vergangenheit kamen Frauen in diesen Fällen ohne jegliches Hab und Gut an. Eine Frau hatte nicht einmal Schuhe an. Da
brauchen die Mitarbeiter des Frauen- und Kinderschutzhauses viel Einfühlungsvermögen und psychologisches Geschick. Bühler erklärt: „Wir sind erst einmal auf der Seite der Frau, das ist unsere Botschaft.“

Das Selbstbewusstsein in Scherben

Anders als bei der Polizei werden keine Fragen nach Schuld und Unschuld gestellt, sondern die Frauen sollen sich geborgen fühlen und Vertrauen fassen. Viele Neuankömmlinge trauen sich nichts zu. Sie wurden jahrelang unterdrückt, das Selbstbewusstsein ist hinüber. Manche Frauen suchen ein Frauenhaus in ihrer unmittelbaren Heimat auf. Andere wiederum lassen Familie und Freunde zurück und wechseln in eine ihnen fremde Stadt. „Die meisten wechseln den Ort vor allem aus Sicherheitsgründen“, beschreibt Bühler den Weggang mancher Frauen. Es gäbe aber auch diejenigen Frauen, die nach zwei oder drei Tagen wieder nach Hause aufbrechen. Ihr Mann hätte sich entschuldigt, er würde sich ändern, die Kindern wollen zurück: Ausreden gibt es viele. Wer sich jedoch entscheidet, zu bleiben, möchte sich ein eigenständiges Leben aufbauen. Das ist derzeit im Hohenlohekreis schwer, denn der Wohnungsmarkt ist erschöpft.

Im Alkohol suchte sie Trost

Viele Frauen beziehen Hartz vier, haben Kinder, sind von vielen Vermietern nicht gern gesehen. Es gibt eine Absage nach der anderen. Magdalena ging nach ihrem ersten Aufenthalt im Frauenhaus in ihre Heimatstadt zurück. Im Alkohol suchte sie Trost, wurde abhängig. Dann traf sie Stefan und bekam mit dem neuen Mann an ihrer Seite zwei Kinder. Wieder schien alles perfekt. Er überhäufte sie mit Geschenken, machte sie glücklich. Doch auch er wurde gewalttätig. Noch schlimmer war der Psychoterror, dem Magdalena ausgesetzt war. Eines Tages fand sie Drogen im Garten. Schmerzlich wurde ihr klar, dass Stefan mit Rauschgift handelte und auch selbst abhängig war. Der Höhepunkt der Leidensgeschichte war erreicht, als Stefan vor den Augen der zitternden Söhne ein Küchenmesser in den Tisch rammte. Um sich selbst, insbesondere aber die Kinder zu schützen, suchte Magdalena erneut Hilfe in einem Frauen- und Kinderschutzhaus.

Vor den Augen der zitternden Kinder

Sechs Monate lang wird den Frauen das Leben in dieser Art Heim bezahlt. Danach endet der Geldfl uss vom Landratsamt, die Verantwortlichen müssen eine Begründung für eine weitere Beherbergung abgeben. Flavia da Silva-Matzick kümmert sich überwiegend um die mitgebrachten Kinder und Jugendlichen. „Die brauchen jemanden zum Zuhören“, resümiert sie ihre Hauptaufgabe. Sie nimmt sich die Zeit, bietet den hilflosen Kindern eine Schulter zum Anlehnen. Außerdem bringt sie den Nachwuchs auf andere Gedanken, macht Ausflüge, spielt und bastelt. Darüber hinaus ist Flavia Vermittler zwischen der Mutter und den Schulen und Kindergärten. Sie geht mit den Familien Schulsachen einkaufen, bringt die Kinder zur Schule und holt sie
wieder ab – wenn dies denn gewünscht wird. „Die Kinder bringen Hoffnung mit“,sagt sie. Und Bühler fügt hinzu: „Hoffnung, dass sich etwas verändert.“ Auch Magdalena steht heute mit beiden Beinen im Leben. Sie bewältigt Krisen ohne Alkohol, wohnt in einer kleinen Wohnung. Sie ist stolz auf ihre wunderbaren Kinder und würde mit ihnen gerne wie eine ganz normale Mutter in die Stadt zum Eis essen gehen oder ins Schwimmbad – wäre da nicht die Angst, Stefan könnte ihr auflauern und ihr und den Kindern etwas antun.