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Minijobber dürfen ab Oktober 520 Euro verdienen.

Der Deutsche Bundestag hat heute zum ersten Mal seit dem 1. Januar 2013 eine Erhöhung der Minijobgrenze beschlossen. Sie wird in einem ersten Schritt von den bisher 450 Euro auf 520 Euro angehoben. Das ist eine gute Nachricht für mehr als sechs Millionen Minijobberinnen und Minijobber in Deutschland.

Hierzu erklärt der Bundestagsabgeordnete Valentin Abel:

„Es ist eine längst überfällige Gerechtigkeitsfrage, dass Minijobberinnen und Minijobber an den Lohnsteigerungen partizipieren können. Es war ein zentrales Anliegen der Freien Demokraten, mit der Erhöhung auf 520 Euro und der Dynamisierung für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Von der Erhöhung profitieren Studierende, die neben ihrem Studium etwas dazuverdienen wollen, Rentnerinnen und Rentner, die schrittweise aus dem Erwerbsleben aussteigen wollen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich neben ihrem sozialversicherungspflichtigen Hauptberuf etwas hinzuverdienen möchten, ihre Arbeitszeit aber aufgrund der tarifvertraglich festgelegten Arbeitszeit nicht einfach erhöhen können. Auch ganze Branchen wie die Gastronomie, der Einzelhandel oder Handwerksbetriebe, die vor allem zur Abdeckung temporärer Stoß- und Randzeiten dringend auf Minijobberinnen und Minijobber angewiesen sind, werden davon profitieren.“

Minijobgrenze automatisch an Mindestlohn gekoppelt

Die Minijobgrenze wird künftig an den Mindestlohn gekoppelt und so bei jeder Mindestlohnerhöhung automatisch nach oben angepasst. Errechnet wird die Grenze aus einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zum Mindestlohn bei durchschnittlich viereindrittel Wochen pro Monat. Dies ergibt ab dem 1. Oktober mit Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro eine Höhe von 520 Euro. Das bedeutet, dass Minijobberinnen und Minijobber künftig nach Lohnerhöhungen ihre Arbeitszeit nicht mehr reduzieren müssen, sondern dass sie tatsächlich mehr Geld in der Tasche haben werden.

Pressemitteilung Valentin Abel




„Menschen in Schwäbisch Hall und Hohenlohe werden spürbar mehr Geld im Portemonnaie haben“

Der Ukraine-Krieg hat enorme Auswirkungen auf das Leben der Menschen in Deutschland. Steigende Preise für Energie belasten Haushalte und Betriebe akut. „Mit unseren Entlastungsmaßnahmen werden die Menschen in der Region nun spürbar mehr Geld im Portemonnaie haben“, sagt der Bundestagsabgeordnete Valentin Abel.

Unterstützung der arbeitenden Mitte

„Die Senkung der Energiesteuer auf Benzin und Diesel sowie die Energiepauschale in Höhe von 300 Euro werden der arbeitenden Mitte besonders helfen.“ Allein das Entlastungspaket, das das Bundeskabinett in dieser Woche verabschiedet hat, entlastet Bürgerinnen und Bürger um über 18 Milliarden Euro. Für die Unterstützung von Unternehmen bei gestiegenen Energiekosten stellt der Bund weitere fünf Milliarden Euro bereit. „Und auch der Kinderbonus von 100 Euro und das 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr sind nun auf den Weg gebracht. Letzteres ist zudem ein deutliches Signal für einen starken ÖPNV“, freut sich der Mobilitätspolitiker Abel.

Nicht alle Kriegsfolgen können aufgefangen werden

Bereits im Februar hatte die Ampel-Koalition beschlossen, Arbeitnehmer und Selbständige über eine Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages, des Grundfreibetrages und der Pendlerpauschale spürbar zu entlasten. „Damit zeigen wir, dass wir Verantwortung wahrnehmen, alle Menschen im Blick haben und über mehrere Milliarden Euro umfangreich entlasten“, erklärt Abel. Dennoch sei klar, dass nicht alle finanziellen Folgen des Ukraine-Krieges aufgefangen werden können.

Pressemitteilung Valentin Abel MdB




Nächte im Hotel: Valentin Abel (FDP): Seit 100 Tagen für Hohenlohe im Bundestag | SCHWÄTZ MER

GSCHWÄTZ-Redakteur Matthias Lauterer hat sich mit dem jungen FDP-Bundestagsabgeordneten für den Wahlkreis Schwäbisch Hall-Hohenlohe, Valentin Abel, über Coronaregeln im Bundestag unterhalten, Nächte im Hotel und über die dringend notwendige Modernisierung und bessere Verzahnung des öffentlichen Nahverkehrs im ländlichen Raum.

 

 




„Es ist anders als von der AfD geschildert“

Aus dem Wahlkreis Schwäbisch-Hall-Hohenlohe wurde nicht nur Kevin Leiser für die SPD, sondern auch Valentin Abel für die FDP erstmals in den Bundestag gewählt. Auch mit ihm hat GSCHWÄTZ ein 100-Tage-Interview geführt, in dem er über Coronaregeln im Bundestag,

Coronaregeln im Bundestag

GSCHWÄTZ: Hallo, liebe GSCHWÄTZ Leser, Hörer und Zuseher, heute sitzt mir gegenüber Valentin Abel. Valentin Abel wurde am 25. September bei der Bundestagswahl für die FDP in unserem Landkreis erstmals in den Bundestag gewählt. Hallo Valentin!

Valentin Abel: Matthias, freut mich sehr, bei Euch sein zu dürfen.

GSCHWÄTZ: Wir haben das Gespräch jetzt schon zweimal verschoben, wobei störe ich denn gerade?

Valentin Abel: Gerade ist Mittwoch, Mittwoch ist Ausschußtag im Deutschen Bundestag. Ausschusstag ist immer am spannendsten. Ich habe morgens zwei Ausschusssitzungen, zuerst Petition, dann Verkehr bis ungefähr Mittag. Jetzt ist Nachmittag. Jetzt läuft die Sitzung des Bundestags. Wir hatten gerade die Befragung von Bundeskanzler Scholz in der Bundesregierung und sind jetzt in innenpolitischen Gesprächen. Für mich wird es auch gleich nach dem Gespräch wieder zurück ins Plenum gehen. Bis heute Abend so zirka gegen acht.

GSCHWÄTZ: Heute gelten zum ersten Mal im Bundestag 2G plus Regeln, sofern ich das richtig weiß.

Valentin Abel: Exakt richtig.

GSCHWÄTZ: Wie viele Abgeordnete konnten denn nicht in den Saal?

„Es ist eben anders als von der AfD geschildert“

Valentin Abel: In den Saal konnten alle, weil wir müssen uns zwar testen lassen oder geboostert sein. Ich für meinen Teil bin sowohl geboostert als auch getestet, aber in den Saal kommt jeder. Der Unterschied ist nur, dass diejenigen, die nicht geimpft, getestet, genesen sind oder ihren Zustand quasi nicht kundtun wollen, dass die oben auf die Tribüne müssen, abgeschottet von den anderen, aber sie können genauso an der Sitzung teilnehmen. Es ist eben anders, wie von der AfD geschildert. Die Leute dort können genauso Redebeiträge machen, sie können abstimmen. Sie sind halt räumlich ein Stück weit getrennt.

GSCHWÄTZ: Kommen wir mal zurück: Ganz neu in Berlin. Wie war die Eingewöhnungsphase?

„Für mich ist die Eingewöhnungsphase noch nicht ganz vorbei,

Valentin Abel: Das müssen Sie mich in einem Jahr noch mal fragen. Für mich ist die Eingewöhnungsphase noch nicht ganz vorbei, denn man muss schon sagen, als junger Abgeordneter lernt man halt extrem viel und man lernt extrem viel dazu jeden neuen Tag. Wir haben jetzt Anfang Januar, die Regierung steht, die Ausschüsse sind eingesetzt. Das ist jetzt die erste, sagen wir mal, richtige Woche, wo die Ausschüsse tagen, wo der Parlamentsbetrieb wie üblich von Mittwoch bis Freitag läuft. Also das lässt sich zum Beispiel mit einer Woche im Oktober gar nicht vergleichen. Ich für meinen Teil habe die letzten Wochen und Monate dafür genutzt, hier in Berlin ein schlagkräftiges, junges, sehr motiviertes Team aufzubauen, das dann auch für alle Fragen aus dem Wahlkreis Schwäbisch Hall-Hohenlohe bereitsteht. Wir werden auch bald hoffentlich dann unsere Dependance im Wahlkreis haben und das war so das Ziel der ersten Zeit. Also einerseits gute Leute zu finden, die mich unterstützen, andererseits auch ganz viel Organisatorisches. Ich meine, jeder kennt, der schon mal den Job gewechselt hat. Das ist das Ganze noch mal potenziert. Da stehen ganz viele organisatorische Dinge mit der Bundestagsverwaltung an. Es gibt Dinge, die man im Privaten Regeln muss, alles Mögliche. Da reden wir von der Wohnsituation, von Krankenversicherung. Es hört nicht auf und es ist sehr viel los. Aber jetzt wirklich, da die Ausschüsse eingesetzt sind, da ich im Verkehrsausschuss auch richtig Fahrt aufnehmen kann im wahrsten Sinne des Wortes, geht halt noch mal eine andere Phase der Abgeordnetentätigkeit los. Und zwar eine, auf die ich mich sehr freue.

„aktuell ist das Hotel eine ganz gute Unterkunft für mich“

GSCHWÄTZ: Wie war es denn mit der Wohnungssuche in Berlin?

Valentin Abel: Die Wohnungssuche in Berlin ist gerade bei allen, von denen ich weiß, eine sehr komplizierte Angelegenheit und auch leider keine günstige. Deswegen haben wir uns als Koalition darauf ja verständigt, gerade auch in den Ballungszentren, aber eben nicht nur dort, das Bauen zu vereinfachen und zu beschleunigen. Unabhängig davon habe ich mich entschieden, jetzt gerade in der Anfangszeit eher so der Hotelabgeordnete zu werden. Ich bin in der Nähe vom Hauptbahnhof in einem Hotel untergekommen. Es hat für mich einfach auch den Vorteil, dass ich sehr viel flexibler bin. Ich kann nach Berlin kommen, wenn ich hier vor Ort sein muss. Und ich kann im Wahlkreis sein, wenn ich dort besser aufgehoben bin. Und die Flexibilität, die bietet mir das Hotel jetzt gerade schon. Klar, es ist was anderes, wenn man auf das eigene Sofa sich setzen kann und die Füße hochlegen. Aber ganz ehrlich, für mich passt es aktuell besser. Und jetzt schaue ich mal, wie es dann so die nächsten Monate sich alles einspielt. Aber aktuell ist das Hotel eine ganz gute Unterkunft für mich.

Michael Schenk, Valentin Abel und Florian Toncar (v.l.) bei einer Wahlkampofveranstaltung in Künmzelsau. Foto: GSCHWÄTZ

GSCHWÄTZ: Das Thema Wahlkreisbüro hast du kurz angesprochen. Wo soll das sein?

Wahlkreisbüro wahrscheinlich in Schwäbisch-Hall

Valentin Abel: Da sind wir gerade noch dabei zu gucken, wo wir es am sinnvollsten machen. Mir ist es wichtig, dass es irgendwo ist, wo es zentral ist, wo man auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut hin kann, wo möglichst viele Wählerinnen und Wähler im direkten Umfeld sind. Deswegen long story short: Ich werde zu allererst mal probieren, in Schwäbisch Hall was Schönes zu finden.

GSCHWÄTZ: Die erste politische Aktion in der Legislaturperiode war ja wohl die Verabschiedung des Koalitionsvertrags. Warst du da beteiligt?

Valentin Abel: Bei den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag war ich nicht direkt beteiligt. Wenn man sich mal vorstellt, wie sich diese Verhandlungsgruppe aufgebaut haben, dann waren es in aller Regel die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker der letzten Wahlperiode, die also über vier Jahre Ausschussarbeit da schon drin waren in der Materie. Und wir haben uns dazu entschlossen, zusätzlich – anstatt quasi die neuen Abgeordneten damit rein zu tun, die ja selber erst damit beschäftigt sind, wie beschrieben ein Büro aufzubauen, um hier anzukommen – stattdessen noch Kolleginnen und Kollegen aus den Landtagen, aber auch aus kommunalen Vertretungen, wie zum Beispiel Dr. Lukas Braun, Bürgermeister von Lauda-Königshofen, mit reingenommen haben, damit wir nicht hier in Berlin was beschließen und hinterher innerhalb der vier Jahre merken, dass wir da Dinge nicht bedacht haben. Ich war mittelbar oder quasi dabei, habe also immer mal so ein bisschen rumgehört, was gerade die Themen sind. Aber, und das haben ja viele nicht geglaubt, dieser neue Verhandlungsstil, der auch sehr diskrete Verhandlungsstil hat sich nicht nur nach draußen so dargestellt: Es war auch in der Koalition so, man wusste, so viel man wissen muss. Aber es war nicht so, dass da alles im Vorfeld schon klar war.

GSCHWÄTZ: Was sind denn die aus FDP Seite wichtigsten Punkte, die aus dem FDP Programm in den Koalitionsvertrag rüberkamen?

Bahnreform, Digitalisierung, Rentenpolitik

Valentin Abel: Es sind glaube ich, einige und ich würde sie mit der Überschrift des Koalitionsvertrags überschreiben, nämlich „Mehr Fortschritt wagen“. Wir haben sowohl bei der wichtigen Modernisierung der Infrastruktur, was für mich als Verkehrspolitiker natürlich maßgeblich relevant ist, neue Akzente setzen können. Wir haben zum Beispiel im Bereich der Deutschen Bahn jetzt im wahrsten Sinne des Wortes die Weichen gestellt für eine Reform, die die Deutsche Bahn kundenorientierter, effizienter und auch wirklich attraktiver machen soll als Verkehrsträger. Wir haben ganz große Schritte in die Wege geleitet, oder werden das jetzt in den nächsten Monaten und Jahren tun, wenn wir in Richtung Digitalisierung blicken. Ein Feld, wo Deutschland im europäischen, aber auch im weltweiten Vergleich immer noch sehr weit abgeschlagen ist. Und was sowohl für die Unternehmen in unserer Region als auch für jeden einzelnen daheim auf dem Sofa, wenn er Probleme hat, Netflix in 4K zu streamen, ein großes Problem ist. Wir haben gleichzeitig aber auch geschafft, in Themengebieten, wo wir im ersten Moment gar nicht daran denken, neue Konzepte einzuführen: Also wenn ich nur mal das Thema Rentenpolitik ansprechen darf, haben wir mit der gesetzlichen Aktienrente jetzt zum ersten Mal zwischen den Koalitionsparteien ein Agreement hergestellt, dass wir eine kapitalgedeckte Komponente da einbauen wollen, damit eben die Menschen, frei durch die Gesellschaft durch, an den Gewinn der Kapitalmärkte profitieren können. So wie es übrigens in vielen skandinavischen Ländern auch schon erfolgreich gemacht wird. Und das sind alles FDP- Kernanliegen, die wir in den letzten Jahren immer wieder vor uns her getragen haben. Deswegen freut es mich, dass wir hier mit SPD und Grünen Mitstreiter in diesen Sachen finden konnten.

GSCHWÄTZ: Was fehlt denn, was die FDP gerne gehabt hätte?

„Im steuerrechtlichen Bereich ist es klar, dass wir nicht die großen Reduktion machen können“

Valentin Abel: Es ist ganz klar, dass jeder Koalitionsvertrag immer ein Kompromiss ist dessen, was politisch zwischen den Parteien machbar ist. Ich mache keinen Hehl daraus. Es gibt Punkte, da hätte ich mir natürlich mehr gewünscht, wenn es zum Beispiel an die Entlastungen geht. Da ist es uns gelungen, zusätzliche Belastungen abzuwenden. Wir konnten teilweise im Bereich der Gebühren, wenn ich jetzt zum Beispiel an die Stromkosten denke, die aktuell auch immer weiter steigen, mit der Abschaffung der EEG-Umlage einen wichtigen Schritt gehen, der die Bürger entlastet. Aber zum Beispiel im steuerrechtlichen Bereich ist es klar, dass wir nicht die große Reduktion machen können, die ich vielleicht auch privat gerne sehen würde in der Politik. Uns ist es wichtig, dass wir bei allem, was wir machen, das immer nachhaltig machen. Und uns ist klar, dass wir die große Herausforderung haben, als Reformkoalition ein Balanceakt zu schaffen zwischen Haushalterischer Solidität, zwischen Entlastung der Bürger, wo es möglich ist und gleichzeitig zu investieren, wo es nötig ist. Und das sind sehr viele Punkte, wo wir investieren müssen, sei es bei der Energiewende, sei es bei der Infrastruktur, sei es bei Digitalisierung und Bildung. Und ich glaube, unter Abwägung all dessen muss man sagen: Das, was rausgekommen ist, stimmt mich als Liberalen, stimmt mich aber auch als Bürger sehr glücklich. Und ich freue mich darauf, Teil der Umsetzung sein zu dürfen.

GSCHWÄTZ: Auf so ein paar Punkte kommen wir sicherlich noch mal zurück, wenn wir in die Details gehen. Viele sagen, die FDP ist überrepräsentiert im Koalitionsvertrag. Kannst du das bestätigen oder siehst du das anders?

Valentin Abel: Ich weiß nicht. Zu mir sagen es die Leute nicht. Sie lesen sich den Koalitionsvertrag durch und sie sehen, da ist eine starke liberale Handschrift drin. Das erwarte ich aber von jedem Koalitionsvertrag, der hinterher von der FDP unterschrieben wird. Und deswegen haben wir auch sehr fleißig verhandelt, dass möglichst viel von dem, für das wir uns im Wahlkampf eingesetzt haben, da auch den Niederschlag findet. Ich habe jetzt noch von niemandem gehört, der gesagt hat, er sei zu viel drin, zumindest nicht zu mir. Ich habe tatsächlich eher von,teilweise sogar Unionsanhängern gehört, dass das, was da drinsteht, gar nicht so schlecht ist. Und jetzt gilt halt auch, das umzusetzen, denn das ist die große Herausforderung. Verhandeln ist das eine, Umsetzen das andere. Und wir wollen beweisen, dass beides geht.

GSCHWÄTZ: Du hast Deine deine zwei politischen Bereiche, in denen du hauptsächlich tätig bist, angesprochen, nämlich im Petitionsausschuss und im Verkehrsausschuss. Den Petitionsausschuss lassen wir vielleicht im Moment mal unter den Tisch fallen, der Verkehr ist sehr interessant, auch natürlich gerade für die Region. Wir haben ja das eine oder andere Projekt im Wahlkreis, was sehr akut ist. Fangen wir an bei der A6, gehen wir weiter über die B 19, dann haben wir die Kochertalbahn, die Hohenlohebahn und auch die Murrbahn ist  noch ein Stück im Wahlkreis. Was ist da zu erwarten?

Schienennetz im ländlichen Raum „nicht engmaschig genug“

Valentin Abel: Wir haben uns als Bundesregierung ja dazu verpflichtet, in der Verkehrspolitik Investitionen zu treffen, gerade auch in den Bereichen, die in der Vergangenheit ein bisschen zu kurz gekommen sind. Dazu gehört, und das habe ich schon mal gesagt, vor allem das Schienennetz. Deswegen freut es mich, dass ich FDP-seitig im Verkehrsausschuss hauptsächlich auch Schienenthemen beackern werde. Wenn wir  über den Schienenverkehr reden, reden wir meiner Meinung nach erstens darüber, wie dicht das Netz ist. Das ist meiner Meinung nach noch nicht engmaschig genug, gerade im ländlichen Raum. Da reden wir natürlich von der Kochertalbahn. Wir reden aber auch davon, wie wir gerade unsere Gemeinden, die nicht an den Bahnstrecken liegen und auch in Zukunft nicht an Bahnstrecken liegen werden, an selbige anschließen.

Abel: NVH und Bahn müsen aufeinander abgestimmt sein

Denn das muss immer im Fokus aller Bemühung sein, dass wir Mobilität ganzheitlich denken, dass wir nicht sagen, wenn die Deutsche Bahn alles gut macht, dann passts. Und wenn der NVH alles gut macht seinerseits, dann passts. Und zum Schluss ist beides nicht aufeinander abgestimmt. Das darf nicht sein, das ist das eine. Zum anderen geht es aber nicht nur um die Dichte des Netzes, es geht auch um dessen Qualität. Und da reden wir beim Bahnbereich zum Beispiel Engstellen zu beseitigen. Also gerade was die Zweigleisigkeit betrifft, haben wir ja bei Züttlingen in der Nähe von Möckmühl noch das Problem, dass die Brücke dort eingleisig ist, was zu Verzögerungen führt. Wir haben das Problem, dass die Tunnelquerschnitte entlang der Bahnstrecke zwischen Schwäbisch Hall und Nürnberg teilweise da noch nicht im richtigen Maß sind, dass man effektiv elektrifizieren kann. Und vor allem die Elektrifizierung ist im deutschen Schienennetz bei weitem noch nicht so fortgeschritten, wie sie sein soll. Da müssen wir investieren und es werden wir auch. Mir ist es aber auch wichtig aus aktuellem Anlass, dass wir auch ein bisschen über die Straßen Infrastruktur reden. Denn ich weiß nicht, ob es der eine oder andere mitbekommen hat: Aber wenn die A 45 einer wesentlichen Stelle bei Lüdenscheid an der Rahmeder Talbrücke aktuell unterbrochen ist, weil die Brücke am bröckeln ist, dann ist das nicht nur etwas, was die Region Lüdenscheid und das Sauerland betrifft. Das betrifft auch vor allem unsere Mittelständler, die darauf angewiesen sind, zu den Häfen, Zeebrügge, Rotterdam etc. eine gute Anbindung zu haben. Also müssen wir – und da hatte ich gestern auch einen Termin im Verkehrsministerium – dafür sorgen, dass wir möglichst schnell bei den ingenieurstechnischen Anlagen, Brücken, Tunneln etc. den Überblick kriegen, wo wir investieren müssen, wo auch in der Vergangenheit vielleicht evaluiert worden ist, aber nicht so gründlich, wie man es machen sollte. Die Brücke, die jetzt gesperrt werden musste, hatte vor wenigen Jahren noch eine 3,0 bekommen in der Bewertung, das ist offensichtlich sehr großzügig gewesen. Und deswegen heißt es für mich auch:

Wegen maroder Infrastruktur: „Wir müssen den Bestand des Straßennetzes ins Auge fassen.“

Wir müssen den Bestand des Straßennetzes ins Auge fassen. Und da, wo wir immer noch Engpässe haben im Netz – und da ist die A6 zwischen Weinsberger Kreuz und der Landesgrenze zu Bayern eindeutig so eine -, da müssen wir auch nachsteuern, da müssen wir den Ausbau vorantreiben. Wie machen wir das? Ich glaube, das Entscheidende an der ganzen Sache ist, dass wir uns im Klaren sind, dass das Hemmniss in Deutschland häufig auch Bürokratie ist. Wenn jetzt zum Beispiel, – ich nehme die Talbrücke wieder, die einsturzgefährdete – ein Ersatznneubau an gleicher Stelle bedeutet, dass ich einmal noch einmal durchs komplette Planfeststellungsverfahren muss, das gleiche Umweltverträglichkeit verfahren, als wenn ich die Brücke irgendwo bauen würde, wo vorher keine war, dann frage ich mich schon, ob es da nicht Möglichkeiten gibt zu sagen da stand vorher eine Brücke, da steht nachher eine. Ich kann da gewisse Teile überspringen. Das sind alles Fragen, die wir uns jetzt stellen müssen. Wir haben Planungsverfahren in Deutschland, die teilweise im Bereich von fünf bis sieben Jahren sind, die andernorts in einem Jahr vonstatten gehen. Und ich glaube, wenn wir hier anpacken, dann haben wir einen großen Schritt gemacht, dass das Straßennetz auch in unserer Region wieder besser wird.

GSCHWÄTZ: Gehen wir aufs Schienennetz zurück, zum Thema Kochertalbahn. Wir haben ja jetzt gerade gesehen, dass die Bottwartalbahn zwischen Marbach und Heilbronn, die ja bei den ersten Übersichten eine der erfolgversprechendsten Strecken war, die es wiederherzustellen galt, bei ihrer integrierten Bewertung einen Faktor von kleiner als eins erzielt hat. Jetzt sagt man, und das sagt man schon seit seit die Kochertalbahnbahn auch in der Diskussion ist, dass vom Bund neue Anforderungen an diese Bewertungen gestellt werden, die auch ökologische Entlastung et cetera besser mit einbeziehen. Wann wird was kommen?

„Wir haben in den bisherigen Kosten-Nutzen-Rechnungen ungenügend berücksichtigt, welche Kosten durch die Alternative zustande kommen.“

Valentin Abel: Das ist etwas, was gerade im Bundesverkehrsministerium tatsächlich eine relativ hohe Priorität genießt, gerade im Bahnverkehr. Ich möchte auch kurz mal erläutern, was da in die Überlegungen noch mit einfließen muss. Es geht ja nicht nur darum, Du hast es gerade schon angesprochen, welche Kosten im Projekt verursacht und was dann direkt, sagen wir mal durch Nutzerzahlen, wieder reinzukriegen ist. Wir wollen in Zukunft das Ganze ein bisschen breiter denken und uns auch mal die Alternativen angucken. Ich möchte das an einem Beispiel ein bisschen plastisch machen, wo es vielleicht deutlicher wird als beim Personentransport. Das ist nämlich beim Gütertransport. Wir rechnen beim Gütertransport zum Beispiel, wenn wir bei den Schienen rechnen, häufiger Kosten-Nutzen. Aber wir haben in den bisherigen Kosten-Nutzen-Rechnungen ungenügend berücksichtigt, welche Kosten durch die Alternative zustande kommen. Wenn ich also eine Bahnstrecke zum Beispiel nicht baue und deswegen die Güter über die Straße schicken muss, dann habe ich halt die Situation, dass ein einziger 40-Tonner eine Brücke genauso belastet wie mehrere 10.000 Autos, weil dieses Gewicht geballt in einem Moment drauf ist. Das Bundesverkehrsministerium ist gerade dabei, diese Anforderungen dergestalt zu überarbeiten, dass bei allen Infrastrukturprojekten gerade die Frage nach „Welche Kosten habe ich?“, „Welchen Nutzen habe ich?“, aber auch „Welche Kosten verursacht es, wenn ich ein Projekt nicht durchführe?“ evaluiert wird.  Das Ministerium ist jetzt nicht völlig ausgetauscht, da sind viele Mitarbeiter auch drin, die vorher schon drin waren. Von daher ist das Ministerium arbeitsfähig und ich hoffe, dass wir da im Laufe des Jahres erste Vorstöße sehen. Genauen Zeitplan kann ich heute leider noch nicht liefern, aber ich liefere den natürlich sehr gern nach, wenn da was entsteht.

GSCHWÄTZ: Beim Thema Bahn hatte ich mir noch etwas notiert: Bei der Güterbahns sind ja inzwischen auch viele, viele Anlagen gerade in den Städten und Industriegebieten schlicht und einfach nicht mehr verfügbar. Andere, wie die Mittelrhein-Strecke sind jetzt schon total überlastet. Also ist die einzige Folgerung: Wenn ich Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen will, muss ich Schiene ausbauen und nicht nur mehr Waggons kaufen. Wie ist da der Zeithorizont, wie man planungsmäßig rechnen kann?

„Wir leiden aktuell darunter, dass wir mit Planungsverfahren in diesem Land leben, die jenseits von Gut und Böse sind.“

Valentin Abel: Auch hier gilt ähnlich wie für die Straße, wir leiden aktuell darunter, dass wir mit Planungsverfahren in diesem Land leben, die jenseits von Gut und Böse sind. Deswegen ist für mich in dem ganzen Koalitionsvertrag einer der wichtigsten Punkte, aber auch einer der herausforderndsten, diese Verfahren zu beschleunigen. Wir fangen jetzt an zu gucken, wo wir hier nachschärfen können, damit wir möglichst schnell hier auch zum Erfolg kommen. Was gerade beim Güterverkehr meines Erachtens nach wichtig ist, Was wir auch nicht vergessen dürfen: Grad im Bereich Schwäbisch Hall und Hohenlohe ist, dass wir, du hast es ja gerade schon angesprochen, nicht überall in die Städte mit den Waggons reinkommen. Natürlich würde jetzt niemand auf die Idee kommen, sagen wir mal nach Michelbach oder nach Dörzbach oder nach Kirchberg mitten ins Dorf, in irgendein Industriegebiet Gleise zu legen. Deswegen brauchen wir auch an strategischen Stellen Verlademöglichkeiten von der Schiene auf die Straße und umgekehrt, damit wir  möglichst schnell und effizient zwischen den Verkehrsträgern hin und her wechseln können. Und damit wir auch den ländlichen Raum in der Breite gut anschließen können.

GSCHWÄTZ: Wir haben jetzt vier Abgeordnete aus dem Wahlkreis Schwäbisch-Hall Hohenlohe im Bundestag. Das gab es glaube ich noch nie.

Valentin Abel: Das hatten wir noch nicht.

GSCHWÄTZ: Das ist eine ganz enorme Macht, die man hat, parteiübergreifend. Gibt es da Berührungspunkte, dass man sich für lokale Projekte vorher bespricht?

Valentin Abel: Die gibt es auf jeden Fall. Ich möchte auch mal mit einer meiner Meinung nach Fehlwahrnehmung aufräumen, und zwar, dass Politiker den ganzen Tag nichts anderes zu tun haben, als sich gegenseitig zu bekabbeln. Klar, unsere Aufgabe ist es, im Wahlkampf die Unterschiede zwischen unseren Positionen klar zu machen, damit der Wähler, damit die Wählerin weiß, wo die Unterschiede sind zwischen den demokratischen Parteien. Aber in dem Moment, in dem wir hier in Berlin sitzen, haben wir eine Verpflichtung. Einerseits natürlich gegenüber unserer Partei und den Inhalten, für die wir gewählt worden sind, aber auch unserer Region. Und wenn es darum geht, die Interessen unserer Region zu vertreten, ist da auch ein vitaler, lebendiger Austausch da zwischen Harald Ebner und Kevin Leiser und mir, die wir in der Koalition miteinander sitzen. Aber auch mit Christian von Stetten ist da eine sehr gute Arbeitsgrundlage. Und ich muss mal sagen, mit allen dreien kann ich sehr gern und sehr gut zusammenarbeiten. Und ich glaube, das gilt für uns alle vier. Und es kann für die Region gut sein.

Valentin Abel. Foto: FDP Hohenlohe.

GSCHWÄTZ: Gehen wir mal ein Stück auf die FDP selber ein. Die FDP vermittelt im Moment ein etwas diffuses Bild, was das Thema Begriff der Freiheit, den Begriff der Liberalität angeht. Es gibt da zum einen den Herrn Kubicki und den Herrn Lindner, die eine sehr, ja, wie soll ich sagen, eine sehr egoistische Liberalität predigen und auf der anderen Seite hat Gerhart Baum, der ehemalige Innenminister, der vielleicht letzte große alte Mann in der FDP, jetzt kürzlich in einem Beitrag eine Rückbesinnung auf eine Liberalität, wie sie zu Zeiten der sozialliberalen Koalition war, gefordert. Also eine Liberalität, die Freiheit  der Gesellschaft und daraus folgend die Freiheit des Menschen sieht und nicht, wie es heute gerne propagiert wird, die Freiheit des Menschen im Vordergrund und die Gesellschaft im Hintergrund. Wie stehst Du da? Wie siehst Du da die Entwicklungen innerhalb Deiner Partei?

„Wir haben in der Vergangenheit immer gepredigt, dass Freiheit mit Verantwortung einhergeht.“

Valentin Abel: Ich sehe das insofern nicht diffus und ich sehe es auch nie als egoistisch an. Also ich habe jetzt noch von keinem das Gefühl gehabt, weder im persönlichen Gespräch noch in der Äußerung, dass das in Richtung Ellbogengesellschaft geht. Es wäre auch etwas, was mit meinem Verständnis von Liberalismus nicht vereinbar ist. Ich glaube, ein ganz entscheidender Punkt an der Stelle ist, dass wir die Balance finden müssen in der Pandemie zwischen effektiver Krisenbewältigung und Bürgerrechten. Und ich glaube, da ist es durchaus wichtig, im politischen, im demokratischen Spektrum eine Partei zu haben, die sehr wohl sich bewusst ist, dass in der Pandemiebekämpfung auch schwierige Entscheidung getroffen werden müssen, die es aber nicht willfährig macht, sondern die durchaus hinterfragt: Was ist nötig und was ist vielleicht auch nicht mehr verhältnismäßig? Wir haben in der Vergangenheit immer gepredigt und da nehme ich mich nicht aus, dass Freiheit mit Verantwortung einhergeht. Das gilt in normalen Zeiten und das gilt in Zeiten der Pandemie umso mehr. Es ist eine große Verantwortung, die wir als diejenigen, die die Regeln jetzt machen müssen, haben, zu entscheiden, wie wir maßvoll Bürgerrechte in der Pandemie einschränken müssen, um gleichzeitig sicherstellen zu können, dass die Sicherheit der Bevölkerung, das auch wirklich die Gesundheit der Bevölkerung nach wie vor nicht gefährdet ist.

„… wie das Individuum in der Gesellschaft möglichst viel Freiheit haben kann, ohne die Freiheit der anderen zu tangieren.“

Wir leben in einer Zeit, in der wir in Berlin-Mitte, wo ich gerade bin, eine Inzidenz von knapp unter 1.000 haben. Das heißt natürlich auch, dass man maßvolle Mittel finden muss, um der Pandemie Herr zu werden. Da sind wir als FDP auch durchaus offen dafür. Wir fragen vielleicht einmal mehr als andere nach, ob es evidenzbasiert ist, ob die Maßnahme verantwortbar ist, ob sie verhältnismäßig ist. Und wir haben in der Vergangenheit, wenn wir – übrigens nie alleine, sondern auch mit Verfassungsexperten und auch mit Medizinern – zu dem Schluss gekommen sind, dass nicht verhältnismäßig sind, da auch mahnend unseren Zeigefinger erhoben. Ich denke da zum Beispiel an die nächtlichen Ausgangssperren, die wir letztes Jahr hatten. Aber das heißt nicht, dass Liberalismus irgendwas ist, dass die Gesellschaft außen vor lässt und nur aufs Individuum guckt, sondern schaut, wie das Individuum in der Gesellschaft möglichst viel Freiheit haben kann, ohne eben, und das ist das Wichtige, die Freiheit der anderen zu tangieren.

GSCHWÄTZ: Und gerade bei den Entscheidungen über die Ausgangssperren hat ja das Verfassungsgericht sehr differenziert und detailliert die einzelnen Punkte der Antragsteller, von denen ja auch viele FDP-Abgeordnete waren, abgelehnt. Und zum Beispiel mit der Begründung abgelehnt, dass der Staat an dieser Stelle das gesellschaftliche Wohl vorangestellt hat und das auch gut abgewogen gewesen sei, die Maßnahmen. Das ist ja eigentlich ein sehr deutlicher Hinweis des Verfassungsgerichts, den man auch berücksichtigen sollte.

Eindämmung der Pandemie: „Das gelingt uns aktuell den Umständen entsprechend, wenn wir gerade die Situation mit dem europäischen Ausland vergleichen, relativ gut.“

Valentin Abel: Natürlich, aber deswegen prüfen wir Dinge und wir prüfen die natürlich aus der Opposition heraus, wir prüfen sie aber jetzt umgekehrt in Regierungsverantwortung genauso. Deswegen war es uns wichtig, dass wir mit der Novelle des Infektions-Schutz-Gesetzes, die wir jetzt gemacht haben Ende November, dass wir hier Maßnahmen in diesen Maßnahmenkatalog mit aufgenommen haben, die dazu abzielen, die Pandemie einzudämmen. Und ich muss auch dazu sagen, das gelingt uns aktuell den Umständen entsprechend, wenn wir gerade die Situation mit dem europäischen Ausland vergleichen, relativ gut. Wir sehen natürlich, dass die Inzidenzen durch die Decke gehen. Wir sehen auch, dass die Situation keineswegs entspannt ist. Wir haben es aber in Deutschland immerhin bislang geschafft, in der Omikron-Welle mit relativ verhältnismäßigen Mitteln. Und ich bitte jeden, zurück zu erinnern, in welcher Situation wir zum Beispiel vor einem Jahr waren, welche Einschränkung wir da hatten. Dass wir hier eine Dynamik haben, die bislang deutlich niedriger ist als in Frankreich, als in Italien, als im Vereinigten Königreich, als in den Vereinigten Staaten. Wir haben nach wie vor hohe Reproduktionszahlen, da müssen wir auch runterkommen. Da haben wir auch Maßnahmen entsprechend umgesetzt, zum Beispiel mit 3G im öffentlichen Nahverkehr und auch im öffentlichen Fernverkehr. Aber insgesamt sehe ich, dass der Anstieg der Zahlen in Deutschland aktuell noch langsamer vonstatten geht als im Ausland. Und wir haben es geschafft, ohne gravierende Grundrechtseinschränkungen, wie wir es vor einem Jahr hatten. Und das ist schon mal ein Fortschritt, meiner Meinung nach.

GSCHWÄTZ: Gehen wir mal aus dem Gedankengang raus auf ein anderes Gebiet der Politik, nämlich den Klimaschutz. Da haben wir ja eigentlich ein ähnliches Problem: die Freiheit des Einzelnen, der heute lebt und die Freiheit dessen, der heute sehr jung ist. Du bist jetzt 20 Jahre jünger als ich. Und wir haben so Themen wie Tempolimit. Gerade jetzt als Verkehrspolitiker – was spricht gegen ein Tempolimit?

„Ich frag mich, warum wir jetzt zum Thema Klima das Thema Tempolimit holen?“

Valentin Abel: Das Tempolimit ist eine Frage, die man debattieren kann, aber ich frag mich, warum wir jetzt zum Thema Klima das Thema Tempolimit holen? Tempolimits sind 0,7 Prozent ungefähr der Treibhausgasemissionen. Gleichzeitig habe ich keine Podiumsdiskussion erlebt, wo es nicht die eine Frage zum Klimaschutz war. Ich selber bin jetzt kein Fan vom Tempolimit, sage ich gleich dazu. Ich glaube auch nicht, dass die individuelle Freiheit sich nach einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen definiert. Da gibt es, glaube ich, andere Punkte, die wichtiger sind. Da reden wir über Aufstieg durch Bildung und vieles andere. Ich glaube aber, dass dieses ganze Thema in der öffentlichen Debatte eine Bedeutung hat, die eigentlich seiner fachlichen, seiner wissenschaftlichen Situation nicht gerecht wird. Du hast gerade eins ganz richtig angesprochen, und zwar die Freiheit des Einzelnen und die Freiheit der Gesellschaft. Als Liberaler habe ich ein Grundprinzip, aber eigentlich können wir sogar zwei sagen Das eine ist, ich hab’s gerade schon mal erwähnt: Meine Freiheit endet da, wo sie die Freiheit anderer einschränkt. Allein deswegen ist es, glaube ich, ein Grundpfeiler des Liberalismus, dass man da Umweltschutz auf die Fahnen schreiben muss. Du hast gerade schon Gerhart Baum erwähnt, übrigens der, der es in Deutschland in der Bundespolitik als erster gemacht hat. Der zweite Aspekt, den ich hier erwähnen will, dDie zweite Maxime ist: Wir haben als Liberale noch ein anderes Credo. Und das ist, „wer bestellt, der bezahlt“, nämlich das der Verantwortung.

„In der Umweltpolitik sehe ich ein großes Spielfeld für den Liberalismus, weil die Grundgedanken des Liberalismus Verantwortung für das Handeln, Freiheit gegenüber der eigenen Person, aber auch gegenüber kommenden Generationen sind.“

Und ich glaube, es ist alles, nur nicht verantwortlich gegenüber kommenden Generationen, wenn wir jetzt heute sagen „Nach uns die Sintflut“. Deswegen … in der Umweltpolitik sehe ich ein großes Spielfeld für den Liberalismus, weil die Grundgedanken des Liberalismus Verantwortung für das Handeln, Freiheit gegenüber der eigenen Person, aber auch gegenüber kommenden Generationen sind. Das sind zwei ganz wichtige Punkte und vor dem Hintergrund finde ich es persönlich auch sehr gut und sehr wichtig, dass dieser Koalitionsvertrag im Hinblick auf den Schutz unserer natürlichen Ressourcen, aber auch im Kampf gegen den Klimawandel ganz wesentliche Punkte mit ins Spiel gebracht hat, die wir in Vorgängerregierungen nicht hatten. Wir haben gestern jetzt vom Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz den Plan vorgestellt bekommen, wie wir die Treibhausgasemissionen in Deutschland runter bekommen wollen.

„Wir reden da zum ersten Mal in diesem Land wirklich darüber, Klimaschutz breiter zu denken als zwischen einzelnen Sektoren“

Und weil wir es vorhin davon hatten, auch da sehe ich eine stark liberale Handschrift. Wir reden da zum Ersten Mal in diesem Land wirklich darüber, Klimaschutz breiter zu denken als zwischen einzelnen Sektoren, also zum Beispiel in der Wärme, in der Stromerzeugung, im Verkehr, sondern wir machen es integrativ. Hier schauen wir, wie wir sektorenübergreifend dafür sorgen können, mit möglichst wenig Mitteleinsatz möglichst viel Effekt fürs Klima rauszuholen. Und das ist, glaube ich auch was: Man fragt ja immer so, was so eine Koalition zusammenhält. Das ist auch was, was diese Koalition zusammenhält, weil der Glaube daran, dass effektive Umweltpolitik, Klimapolitik eine der Verantwortung ist, die wir heute haben gegenüber den Menschen, die jetzt hier leben, aber auch die in Zukunft hier leben. Das ist, glaube ich, etwas, was von allen Koalitionspartnern geteilt wird. Und das werden wir in den nächsten Jahren auch umsetzen.

GSCHWÄTZ: Wird das denn auch von der klassischen Klientel der FDP, cih sags mal etwas überspitzt, der Wirtschaft so getragen? Denn wenn Klimaschutzmaßnahmen kommen, heißt es da sofort, der Standort Deutschland ist gefährdet, Arbeitsplätze sind gefährdet. Wie will man die Menschen, die Menschen der Zukunft, die heutige Wirtschaft und die zukünftige Wirtschaft unter einen Hut bringen? Wenn man auf der anderen Seite sagt, wir wollen die Belastungen verringern und dem Staat dadurch wichtiges Geld, das er für solche Maßnahmen braucht, wegnehmen.

„Wir wollen der Wirtschaft helfen bei der Transformation in neue Technologien rein.“

Valentin Abel: Also ich würde vielleicht mal zuerst sagen, die klassische Klientel der FDP, die ich kenne, sind Handwerker, Studierende, Landwirte, Angestellte, Arbeiterinnen. Da ist alles dabei. Ich kenne relativ wenige Leute aus der Wirtschaft, da sind wir ein Querschnitt der Gesellschaft. Wir haben natürlich gewisse Forderungen, einfach auch aus Überzeugung, die sich auf die soziale Marktwirtschaft stützen. Die werden wir auch weiter prominent voran tragen. Aber es ist jetzt nicht so, dass die FDP nur ein Haufen von Wirtschaftsvertretern wäre. Wir sind ganz bunter Haufen aus allen Ecken. Warum glaube ich, dass das gerade aber auch kein Entweder-Oder ist, sondern dass es in aller Interesse ist, dass wir jetzt diese Dinge in die Wege leiten? Wir haben in Deutschland europaweit die höchsten Strompreise. Wir haben sie unter anderem auch deshalb, weil wir eine Klima und Energiepolitik in den letzten Jahren gemacht haben, die eben nicht über den Tellerrand geguckt hat, die an den nationalen Grenzen geendet hat, die sehr viel von Aktionismus getrieben war und die sehr viel, ich nenne es mal Planwirtschaft in den Vordergrund gestellt hat. Ich sage nur die Art und Weise, wie der Kohleausstieg 2038 zustande gekommen ist. Wir wollen dem was entgegensetzen. Wir wollen dem entgegensetzen, dass wir, ich habe es gerade schon erwähnt, das ganze sektorübergreifend machen. Und wir wollen vor allem, wenn wir jetzt über das Thema Energie reden, im Bereich der Speicherung, im Bereich der Netze, im Bereich der Wasserstoffwirtschaft … wenns gerade auch für die Industrie darum geht, diesen Strom quasi in diese Energiewende nutzbar zu machen, da wollen wir Fortschritte liefern. Wir wollen der Wirtschaft helfen bei der Transformation in neue Technologien rein. Ich denke an die Automobilwirtschaft, wo Deutschland in der Vergangenheit übrigens auch großartige Entwicklung, großartige Entdeckungen in Sachen Elektromobilität gemacht hat, die aber im großen Maßstab dann andernorts quasi vermarktet worden sind. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Schlechteste, was wir unserer Wirtschaft antun können, jetzt ist, zu sagen: Wir machen weiter wie bisher. Denn wer sind denn unsere Kunden? Die sitzen ja nicht nur in Deutschland, die sitzen nicht nur in Europa, die sitzen weltweit. Und der Klimawandel ist etwas, auf das wir weltweit reagieren müssen, wo weltweit die Entwicklung hingeht, wo weltweit die Nachfrage hingeht. Und deswegen geht es, glaube ich, für uns darum, unsere Wirtschaft, unsere Unternehmen auf diesem Wandel zu begleiten, dafür zu sorgen, dass wir mit den Technologien des 21. Jahrhunderts genauso erfolgreich sind wie mit denen des 20. Jahrhunderts.

„Das Schlechteste, was wir unserer Wirtschaft antun können, jetzt ist, zu sagen: Wir machen weiter wie bisher.“

Und das ist für mich auch moderne Industriepolitik: einerseits da zu entlasten, wo es geht, Stichwort Stromkosten, dass wir da gegensteuern, aber andererseits dann auch gucken, wie wir mit Wirtschaft, mit Forschung, mit Technologie dabei helfen, diese Transformation zu schaffen, die unabhängig davon, wer in Berlin regiert, stattfinden wird.

GSCHWÄTZ: Werden dazu auch altbekannte Subventionen angegriffen, um alte Industrien dazu zu bewegen, sich nicht mehr im alten Bereich zu bewegen, sondern nach vorne zu schauen in neue Technologiebereiche?

Valentin Abel: Subventionen haben immer dann Sinn, wenn es darum geht, in der Industrie zum Anschub zu verhelfen, damit sie dann möglichst schnell auf eigenen Beinen stehen kann, um florieren kann.

GSCHWÄTZ: Aber Subventionen haben natürlich auch die Tendenz, nie mehr abgeschafft zu werden, weil sie so schön sind.

„Diese Ansicht, dass Subventionen so schön sind, teilen wir als Liberale nicht.“

Valentin Abel: Genau. Und diese Ansicht, dass sie so schön sind, teilen wir als Liberale nicht. Und deswegen sind wir auch ein Freund, möglichst schnell abzuschaffen. Wenn es dann in Industrien geht, wo man weiß, dass das eigentlich keine Zukunftstechnologie mehr ist, dass es einen strukturellen Wandel geben muss, dann sind wir auch die letzten, die danach Verlängerung von Subventionen schreien.

GSCHWÄTZ: Das ist natürlich eine Politik, die vielleicht mit der SPD schwer zu machen ist?

Valentin Abel: Wir haben einen Koalitionsvertrag, der sehr gute Leitplanken festgelegt hat, wie wir gerade auch im Bereich der Industriepolitik in den nächsten Jahren vorgehen wollen. Und wir haben ein ganz klares Bekenntnis dazu gemacht, dass wir, wenn es um Technologien geht, wenn es auch um die Wirtschaftspolitik geht, den Wandel hinkriegen wollen, in moderne Technologien hinein. Da reden wir ja nicht nur von der Automobilindustrie. Da reden wir zum Beispiel vom Aufbau neuer Industrien, wie zum Beispiel der Wasserstoff Industrie. Da reden wir davon, wie wir die digitale Industrie in Deutschland, die teilweise noch unterentwickelt ist, voranbringen. Da reden wir drüber wie wir im Bereich Venture Capital für Start-ups, für jung gegründete Unternehmen, die Arbeit erleichtern. Und für all diese Bereiche haben wir ganz gute Kompromisse gefunden im Koalitionsvertrag mit der SPD. Und deswegen glaube ich, dass man mit dem Team, das wir auch als FDP in die Regierung schicken, da weiter drauf pochen werden und das auch gut umsetzen können.

GSCHWÄTZ: Du hast jetzt einige Industriebereich genannt und da hab ich bei allen gedacht, oh, die hatten wir doch schon mal! Wasserstoff Industrie: Ich glaube, vor 30 Jahren hat BMW Wasserstoff Autos gebaut, im Versuchsmaßstab, aber funktionsfähig. Die kamen aber nicht in die Welt. Digital Industrie: Deutschland war mit führend im in dem Computermaus. Glasfaser als Stichwort: Deutschland hat die ersten Glasfaser verlegt und dann wieder Kupferleitungen. Warum? Ich glaube, das ist irgendwo ein spezifisch deutsches Problem: Man ist ganz vorne dabei, bringt das aber nicht in den Markt. Warum?

Valentin Abel: Das ist tatsächlich ein guter Punkt. Ich glaube, man muss ein bisschen differenzieren. Ich hatte, ich glaube gestern auf Twitter entdeckt, ein Screenshot von der Tagesschau von vor 20 Jahren. Wo vermeldet wurde, dass deutsche Handys in der Welt immer besseren Absatz finden, also zum Beispiel Siemens Handys …

GSCHWÄTZ: Hatte ich damals auch.

„Das Erschreckende war (…), dass man nicht erkannt hat, in welche Richtung der Trend geht“

Valentin Abel: Ja, ich war eigentlich damals Team Nokia, aber da war Siemens schon auf dem absteigenden Ast. Aber die gibt es ja jetzt beide nicht mehr. Da haben wir einfach auch einen Trend gehabt, dass die Produktion in Europa sich einfach von den Kosten nicht gelohnt hat, dass sich das verlagert hat. Das Erschreckende war aber – und da ist Nokia ein gutes Beispiel, zwar nicht in Deutschland, aber auch in Europa und Siemens wäre es genauso gegangen – dass man nicht gesehen hat, in welche Richtung der Trend geht, dass man diesen Quantensprung, zum Beispiel jetzt beim Handy waren es die Apps, dass man das den anderen überlassen hat. Übrigens auch nicht wirklich aufgeschlossen hat, wenn es darum geht, solche digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln.

„Da geht es nämlich darum, dass kleine Unternehmen, dass Startups, dass gerade Ein-Mann-Uunternehmen, sich auch über diese Anfangszeit hinaus, wenn sie eine geniale Idee haben finanzieren können.“

Da reden wir zum Beispiel davon, kommt mam im ersten Moment gar nicht drauf, wie solche solche jungen Start-Ups Zugang zu Finanzierung haben? Deswegen habe ich das Thema Venture Capital gerade angesprochen. Da geht es nämlich darum, dass kleine Unternehmen, dass Startups, dass gerade Ein-Mann-Uunternehmen, sich auch über diese Anfangszeit hinaus, wenn sie eine geniale Idee haben finanzieren können. Da sind wir in Deutschland lange abgeschüttelt worden. Wir müssen ja nicht nur in die USA und nach China gucken. Das machen zum Beispiel auch unsere Nachbarn in Holland besser. Von Israel rede ich gar nicht. Also das ist der eine Punkt, dass wir hier gucken müssen, wie wir die jungen Player im Markt so aufstellen können, dass Ideen, kreative Ideen, in diesem Land tatsächlich auch realisiert werden können und dass die nicht woanders gemacht werden. Das andere ist, Du hast es gerade angesprochen, Thema Wasserstoff: Wir müssen glaube ich auch gucken, welche Technologie, wir wo sinnvoll einsetzen. Ich erinnere mich noch dran, das ist noch gar nicht so lange her, ich glaube, der letzte Wasserstoff-Verbrenner den BMW mal auf einer Autoshow vorgestellt hat, das werden dann vielleicht 10 15 Jahre gewesen sein. Da müssen wir halt gucken, was funktioniert wo. Ich glaube, die Wasserstoff Technologie hat in Deutschland ein großes Potenzial. Ich weiß nicht, ob BMW der klassische Anwendungsfall ist, denn man muss halt schon sagen, in der Gesamt-Energiebilanz gibt es bessere Konzepte. Allerdings es natürlich Punkte, da könnten wir Wasserstoff einsetzen, da können wir mit Batterien gar nicht anfangen. Denken wir an den Luftverkehr, denken wir an den Schiffsverkehr, denken wir auch an den Schwerlastverkehr – oder an Heizung, das sind alles Bereiche, wo dieser Einsatz relevant werden kann.

„Es geht aber auch darum, es Menschen möglichst einfach zu machen, Dinge umzusetzen.“

Und ich glaube, wichtig bei einer intelligenten Forschungspolitik ist auch zu gucken, welche Technologie für welchen Anwendungsfall ideal. Und da kommt man dann vielleicht zum Schluss – und so geht es ja: Es muss ja nicht mal unbedingt die Politik entscheiden. Das machen ja gerade die Kunden, das machen gerade die Hersteller – dass es vielleicht für den normalen Privat-PKW andere Konzepte gibt, die vielversprechender sind. Ich glaube, wenn wir über solche neue Technologien reden, dann geht es einerseits darum, die es gerade schon erwähnt, private Leistungsfähigkeit zu entfesseln. Es geht aber zum anderen auch darum, es  Menschen möglichst einfach zu machen, Dinge umzusetzen. Das heißt einerseits, dass Gründerinnen und Gründer nicht schon in Bürokratie ersaufen. Es geht ja auch darum, dass man möglichst einfach macht, dass solche Ideen sich durchsetzen. Ich habe gerade die finanzielle Seite angesprochen, da geht es aber auch sehr darum, Gründerinnen und Gründer soweit es geht, gerade in den Anfangsjahren von Bürokratie zu entlasten. Und deswegen freut es mich auch, dass wir mit Bettina Stark-Ratzinger eine ganz tolle Bildungs- und Forschungsministerin haben. Es geht darum, Forschung, Lehre, Entwicklung an den verschiedenen Instituten mit der Wirtschaft zu vernetzen. Wir haben zum Beispiel im Bereich der Batterietechnik in Deutschland in den letzten 10 bis 15 Jahren großartige Entdeckung gemacht, die dann aber im Ausland vermarktet werden, weil bei uns quasi diese Lücke bestand zwischen Entwicklung und zwischen gangbar machen am Markt. Und da müssen wir ansetzen.

GSCHWÄTZ: Wie kann man da ansetzen?

„Wir merken, dass wir lange Zeit essenzielle Schlüsseltechnologien schon ein bisschen verschlafen haben,“

Valentin Abel: Das hat zum einen zum Beispiel damit zu tun, wie wir – nennen wirs die Fraunhofer-Institute – mit der Wirtschaft vernetzen, das geht eng damit zusammen, wie wir die Universitäten mit einbinden, welche Kontakte die Universitäten in die lokale Wirtschaft hinein haben. Da geht es um Forschungspolitik, welche Themenbereiche oder welche Forschungsfelder wir in den Fokus stellen und mit entsprechenden Programmen fördern. Und ich glaube, wir sind da gut aufgestellt. Denn Deutschland war nie eine Nation von Investmentbankern oder von was weiß ich, was wir waren. Wir waren eine Nation von Ingenieuren und Ingenieurinnen. Das merken wir jetzt. Wir merken, dass wir lange Zeit essenzielle Schlüsseltechnologien schon ein bisschen verschlafen haben, Du hast gerade komplett zu Recht des Kupferkabel angesprochen. Anfang der 80er hat die sozialliberale Koalition noch ein Glasfaserausbau angestrebt. Das war dann mit der CDU nicht mehr machbar. Die Zeche zahlen wir heute. Das hat unsere Digital Industrie nicht gut getan, aber wir merken auch, dass wir sehr schnell aufholen. Wir haben das Thema Elektromobilität in diesem Land, ich will jetzt nicht sagen verschlafen, aber wir haben es sehr spät angegangen, weil wir in unterschiedliche Richtung unsere Unternehmen hatten, die sich da orientiert haben. Da hat zum Beispiel VW gesagt, sie gehen jetzt in Richtung Elektromobilität. Daimler hat dann irgendwann jetzt nachgezogen. Und wenn wir sehen, wo weltweit am meisten investiert wird, wo am meisten entwickelt wird, wo am meisten patentiert wird: da ist Deutschland schon relativ gut dabei. Jetzt geht es darum, dass wir die Leistung, die wir quasi haben, auch auf die Straße bringen. Und die Aufgabe der Bundesregierung der Neuen, ist es, durch die intelligente Forschungs und Wirtschaftspolitik dabei zu helfen. Dabei geht es wie gesagt nicht darum, Klimaschutz gegen die Wirtschaft auszuspielen. Das würde auch gar keinen Sinn ergeben. Weil, wenn ich mich umhöre in der Wirtschaft habe ich noch niemanden gehört, der gesagt hat, so wie wir bislang gearbeitet haben, können wir weitermachen. Also diese Erkenntnis, dass ein gesellschaftlicher Wandel vonnöten ist, dies allenthalben da.

GSCHWÄTZ: Wir haben ja in Deutschland schon viele Industrien verloren.

„Da geht es darum, nicht in Abhängigkeit von Ländern wie China zu geraten, die es geopolitisch nicht wirklich gut mit uns meinen.“

Valentin Abel: Es ist normal, es ist ein Stück weit normal, dass Industrien kommen und gehen. Diese Verlagerung, die  ist in jedem Land da. Wir haben auch jetzt ganz andere Industrien, wie wir sie vor 50 Jahren hatten. 50 Jahre davor hatten wieder andere. Das Entscheidende ist, glaube ich, aus deutscher Sicht, dass wir bei den Industrien, die in 10, 20, 30 Jahren relevant sind, auch weiterhin vorne dabei sind. Da geht es ja nicht nur um materiellen Wohlstand. Da geht es ja zum Beispiel auch darum, Standards zu setzen. Da geht es darum, nicht in Abhängigkeit von Ländern wie China zu geraten, die es geopolitisch nicht wirklich gut mit uns meinen. Und deswegen ist es, glaube ich, schon wichtig, dass wir mit diesem Koalitionsvertrag ein klares Bekenntnis zu umweltfreundlichen Technologien haben, zu Automatisierungstechnologie, zur Elektromobilität, zu klimafreundlichen digitalen Technologien im Allgemeinen. Und ich glaube, dass man damit auf einem ganz guten Weg sind, diesen Spitzenplatz der deutschen Wirtschaft zu verteidigen.

GSCHWÄTZ: Sollen wir das als Schlusswort nehmen oder gibt es noch etwas, was Dir besonders auf dem Herzen liegt?

Valentin Abel: Das ist ein sehr gutes Schlusswort, aber wenn es etwas gibt, das mir auch am Herzen liegt, dann noch mal wirklich Grüße in die Heimat aus Berlin und vor allem gerade in diesen schwierigen Covid-Zeiten mit Omikron um uns rum: Bleibt bitte alle gesund, lasst euch boostern, ich habe es neulich auch machen lassen. Und ich hoffe einfach, dass wir diese Welle gut überstehen, dass wir möglichst bald in eine endemische Situation kommen und dann endlich auch unser normales Leben, wie wir es 2019 mal hatten, wieder zurücklegen.

GSCHWÄTZ: Ok, dann sage ich Dankeschön!

Valentin Abel: Vielen Dank für die Einladung, Matthias.

Die Fragen stellte Matthias Lauterer




Achim Beck: „Zeit der Freiwilligkeitsleistungen ist vorbei“

Der Kreishaushalt für das Jahr 2022 ist verabschiedet! Das beschloß der Kreistag in seiner Sitzung vom 13. Dezember 2021 in der Nobelgusch in Pfedelbach.

Knappe Haushaltsmittel

Ein Kompromiß ist es geworden, die knappen Haushaltsmittel wurden wie immer so verteilt, dass alle Fraktionen und Gruppen beim ein oder anderen Punkt ein Bauchgrimmen  haben – aber wie der Friedensnobelpreisträger Aristide Briand sagte: „Ein Kompromiß ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind“.

Hohe Ausgaben, etwa durch das neue Kreishaus

Zusätzlich zum knappen Geld prägen den Haushalt hohe Ausgaben, zum Beispiel für das neue Kreishaus, offene Baustellen der Vergangenheit, etwa das medizinische Versorgungszentrum in Künzelsau und in diesem Jahr die ganz besonders ungewissen Aussichten für die nähere Zukunft, bedingt durch Corona oder ein zu erwartendes höheres Flüchtlingsaufkommen.

Beim Lesen der AfD-Anträge an Sauerkraut denken müssen

Einzig die AfD hatte größeres Bauchgrimmen und schob kurzfristig noch drei Änderungsanträge zu den Themen „befristete Stellen im öffentlichen Gesundheitsdienst“ (ÖGD), „Aufforstung von Wald statt Klimazentrum“ und „Migration“ nach. Landrat Dr. Matthias Neth hierzu: „Ich könnte es mir einfach machen“ und erklärte, warum diese Anträge schon aus formalen Gründen eigentlich gar nicht zu behandeln seien und wie sich die AfD über einen Konsens im Rat hinwegsetzte – wären die Anträge angenommen worden, hätte der Haushalt gar nicht angenommen werden können. Er warf Anton Baron Unkenntnis über die Sachverhalte vor: Die neuen Stellen im ÖGD können gar nicht befristet geschaffen werden, weil sie vom Bund als unbefristet gefordert werden, das Migrationsthema sei vom Kreis gar nicht beeinflußbar und die Aufforstung … ob Baron wisse, was der Sinn und Zweck des Klimazentrums sei und wieviele Bäume im Jahr 2021 gepflanzt worden seien? An Sauerkraut habe er denken müssen, so Neth, „das schmeckt aufgewärmt besser als frisch“. Aber die AfD-Anträge seien eher schlecht abgestanden.

Anton Baron (AfD) wehrt sich

Dass die Anträge der AfD ans „Anträge zweiter Klasse“ behandelt würden, beklagt sich Baron, er wehrt sich gegen die Unterstellung, er wolle die Sitzung nur behindern. „Da ist kein Antrag aus Spaß! Und da ist auch wenig Polemik drin“, stellt er fest, aber er findet sich damit ab: „Ich sehe, der politische Wille ist nicht da“.  Teils erntet er Gelächter.

Unmut und Schärfe im Rat über AfD

Der Unmut im Gremium über die späten Anträge war groß: „Wir bekommen hier kein Sitzungsgeld, sondern Schmerzensgeld“, ruft Ute Oettinger-Griese von der FDP. Jemand rät Baron, sich doch einmal von Achim Beck in die Tiefen der Formalien einführen zu lassen – Beck ist bekannt dafür, dass er sich dort besonders gut auskennt. Beck selbst findet dieses Geplänkel eine „Zeitverschwendung. Mir stinkt es. Wir haben eine Riesensitzung vor uns.“

Um es vorwegzunehmen: Die Änderungsanträge der AfD werden später alle abgelehnt – mit jeweils 2 Ja-Stimmen der beiden anwesenden AfD-Kreisräte Anton Baron und Jens Moll.

Haushaltsreden

Überaus kurz waren die Haushaltsreden der Fraktionen und Gruppen, außer der AfD waren alle mit dem Kompromiß durchaus zufrieden, trotzdem war erkennbar, dass die einzelnen Fraktionen und Gruppen ihr Bauchgrimmen an ganz verschiedenen Stellen äußerten.

CDU: „Wir müssen lernen, nicht zu jeder Forderung und jeder Förderung Ja zu sagen.“

Haushaltsrede von Norbert Kunkel. Foto: GSCHWÄTZ

Für die CDU sprach, mit Heimvorteil, Torsten Kunkel: Er beginnt mit dem Komplex Gesundheit und schaut in die Zukunft: „(…) können wir heute feststellen, dass wir in der Gesundheitsversorgung auf dem richtigen Weg sind.“ Der Neubau des Krankenhauses in Öhringen und „die weitere Etablierung des ambulanten medizinischen Versorgungszentrums in Künzelsau“ stünden nun an, genauso wie die Einrichtung eines Hospizes als Abrundung der medizinischen Versorgung.

Aufgrund der Dynamik in Schule und Bildung sieht er „die Notwendigkeit für eine Schulentwicklungsplanung, die sich an den real gegebenen Anforderungen ausrichten muss“.

Im Nahverkehr sieht er im ländlichen Raum die Notwendigkeit von Individualverkehr und fordert weiterhin Investitionen in den Bau und den Erhalt von Straßen – neben der Investition in den ÖPNV. Man darf aber nicht Gegebenheiten in Ballungsräumen auf ländliche Bereiche übertragen wollen – eine Kritik an den Plänen der Landesregierung.

Das Kreishaus ist das größte Investitionsprojekt, das der Kreis je gestemmt hat, daher unterstützt er den Ansatz zur modularen, etappenweisen Umsetzung entsprechend dem aktuellen und sich künftig ergebenden Bedarf.

Sozialausgaben schießen nach oben, Personalausgaben ebenso

Ein wichtiger Punkt seien die Personalkosten im Haushalt: Für Kunkel gibt es wenig Spielraum für Kostensenkungen, denn „eine gute und effiziente Kreisverwaltung braucht unabdingbar engagierte und gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und diese kosten Geld.“ Und dieses Engagement finde man auf dem Arbeitsmarkt – eine Spitze gegen die AfD – mit befristeten Stellenangeboten nicht.

„Zeit der Wohltaten neigt sich dem Ende zu“

Die Sozialausgaben, für die der Kreis netto über 50 Millionen Euro aufwenden muss, diese Ausgaben kennen nur eine Richtung: nach oben. Für Kunkel ist die logische Schlußfolgerung: „Daher sind aus unserer Sicht zusätzliche Freiwilligkeitsleistungen in diesem Teilhaushalt eigentlich nicht mehr möglich, um nicht in die Verlegenheit zu kommen, die Pflichtaufgaben nicht mehr erfüllen zu können. Wir müssen daher lernen, nicht zu jeder Forderung und jeder Förderung Ja zu sagen. Die Zeit der Wohltaten neigt sich unwillkürlich dem Ende zu“.

Die Absenkung der Kreisumlage sei wichtig für die Gemeinden, hätten sie doch dadurch mehr Handlungsspielraum. Er gibt aber zu bedenken, dass es damit schnell vorbei sein kann: „Dieser positive Trend ist nicht nur aus der wirtschaftlichen Tätigkeit entstanden, sondern er ist vielmehr den Kompensationszahlungen von Bund und Land im Rahmen der Corona Krise zu verdanken.“

Er hat in seiner Rede die wesentlichen Themen genannt und gesetzt.

„Kein Platz für Freiwilligkeitsleistungen“

Eher mahnende Worte findet Achim Beck für die FWV, der gleich zu Beginn seiner Rede davon spricht, dass kein Platz für Freiwilligkeitsleistungen mehr sei. Überhaupt ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis das eigentliche Hauptthema seiner Rede: Insbesondere die Baukosten für das Kreishaus hat er prominent im Blick. „Man muß abwägen, was ist nice-to-have und was ist ein must-have“, sagt er und fordert eine festgelegte Kostenobergrenze.

FWV: Sich trennen vom Krankenhausgebäude in Künzelsau

Haushaltsrede von Achim Beck. Foto: GSCHWÄTZ

Die Transferleistungen im Krankenhausbereich seien auf 1,1 Millionen Euro zurückgegangen – das sieht Beck als großen Erfolg. Jetzt sei es an der Zeit für ein Nachnutzungskonzept für das Künzelsauer Krankenhausgebäude: „Das kostet uns Tag für Tag Geld“ – nachdem es eine einhellige Meinung von vier Architekten gäbe, müsse man sich damit anfreunden, sich von dem Gebäude zu trennen.
Vom Rufbussystem im ÖPNV verspricht er sich einen besseren Service zu geringeren Kosten – aber auch hier sei eine Evaluierung und Diskussion nach ersten Erfahrungen nötig. Die Folgekosten müssen im Auge behalten werden, auch bei der Kochertalbahn: „THE LÄND läßt uns in the end normalerweise alleine“, hat er gemerkt.

Bei einem prognostizierten Schuldenstand von 34 Millionen Euro zum Ende 2025, fordert er, die freiwillegen Leistungen des Kreises zu reduzieren: Nicht dass wegen der Freiwilligkeit im Kreis die Gemeinden ihre Pflichtaufgaben nicht mehr erfüllen können.

GRÜNE: „Klimaschutz kann nicht verschoben werden“

Haushaltsrede von Martin Braun. Foto: GSCHWÄTZ

Unter „Wirtschaftlichkeit“ versteht Martin Braun, der für die GRÜNEN ans Rednerpult tritt, etwas ganz anderes: „Klimaschutz ist nicht kurzfristig wirtschaftlich“, entgegnet er Beck, „und Klimaschutz kann nicht verschoben werden“.

Er fordert Vorbeugemaßnahmen gegen Auswirkungen des Klimawandels – diese seien wirtschaftlich, weil sie unmittelbar wirkende Folgekosten von Klimaereignissen verringern würden. „Jeder Euro spart langfristig acht bis fünfzehn Euro an klimabedingten Kosten“, rechnet er vor. Deswegen begrüße seine Fraktion das Klimazentrum und fordere eine schnelle Nachrüstung von Solartechnik auf öffentlichen Dächern.

Aufgrund der Corona-Pandemie sei viel Geld im Sozialhaushalt notwendig, beispielsweise für Familien. Auch der Klimaschutz treffe unmittelbar Menschen mit geringem Einkommen – auch deshalb erwartet er eine weitere Steigerung der Sozialkosten.

Generell fordert er eine nachhaltiges, nicht kurzfristig wirtschaftliches, Herangehen, beispielsweise beim Bauen.

SPD: „Wir haben die Mittel, unsere laufenden Aufgaben gesichert anzugehen“

Haushaltsrede von Irmgard Kircher-Wieland. Foto: GSCHWÄTZ

Für die SPD spricht Irmgard Kircher-Wieland von „verantwortungsvoller Kämmereiarbeit“, Rücklagen seien in den vergangenen Jahren gebildet worden, „der Vorschlag ist akzeptabel“.
Ihr Schwerpunkt ist der ÖPNV: „Weg vom Schülerverkehr, hin zu einem für alle erreichbaren Rufbussystem“ ist ihr Credo. Die Verknüpfung aller Verkehre sei wichtig. Und die Kochertalbahn, „wenn sie kommt: Dann geht alles von vorne los“.
Auch sie kann sich eine Spitze gegen die Landesregierung nicht verkneifen: „Es fragt sich, warum ein grüner Minister die Mittel für Radwege kürzt!“

„Wir haben keine überzähligen Mitarbeiter, nur das Notwendigste, um die laufenden Aufgaben zu bewältigen“, ist ihr Statement zu den Personalkosten – und spricht Anton Baron direkt an: „Belästigen Sie uns bitte nicht mehr mit Ausführungen zu Ihren Anträgen“.

Sie schließt Ihre Rede mit „Wir haben die Mittel, unsere laufenden Aufgaben gesichert anzugehen und ausreichend Liquidität für unvorhergesehene Ereignisse.“

FDP: „Die Bürger müssen sehen, dass Wahlgeschenke und vermeintliche Wohltaten selbst bezahlt werden müssen.“

Die Meinung der FDP wird von Michael Schenk vorgetragen: er beginnt mit der weltweiten Lage auf den Versorgungsmärkten und den Pandemiekosten: Die Pro-Kopf-Verschuldung sei pro Kopf seit Pandemiebeginn um rund 8.000 Euro gestiegen – und diese Verschuldungssituation präge die Politik der nächsten Jahre, bis hinunter in den Hohenlohekreis.

„Einer der attraktivsten Landkreise in Baden-Württemberg – diese Position festigen und ausbauen“

Haushaltsrede von Michael Schenk . Foto: GSCHWÄTZ

Das neue Kreishaus ist für Schenk eine wichtige Voraussetzung für eine „moderne, schlagkräftige und bürgernahe Kreisverwaltung“.

Der Bevölkerungsschutz ist für Schenk wichtig: „Ausdrücklich unterstützen wir die für 2022 geplante Stärken-/Schwächen-Analyse für den Katastrophen- und Bevölkerungsschutz. Wir müssen danach umgehend an der Umsetzung arbeiten. Den eines ist sicher: Die nächste Herausforderung kommt bestimmt.“

Für die FDP ist das Medizinische Versorgungszentrum in Künzelsau (MVZ) ein dringendes Projekt: „Wie können wir das MVZ in Künzelsau stärken? Hier besteht akuter Handlungsbedarf.“ Die medizinische Versorgung liege der FDP am Herzen: „Dieses erfordert ein Zusammenwirken der Haus- und Fachärzte, dem Rettungswesen, dem Krankenhaus, den Kurzzeitpflegeeinrichtungen, und den Alten- und Pflegeheimen bis hin zum geplanten Hospiz.“

Für Schenk ist ein Rufbus-System, wie es demnächst im Bereich Öhringen, Bretzfeld, Pfedelbach und Neuenstein starten wird, erfolgt ein bedarfsgerechter Ausbau des ÖPNV. er kritisiert aber das Konzept der Landesregierung, dass alle Orte von 5 Uhr morgens bis Mitternacht mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sein müssen: „Dieses kann für den ländlichen Raum zum finanzpolitischen Fiasko werden. Wenn die Landesregierung diesen Standard im ÖPNV einführen will, dann soll sie auch die Kosten tragen, aber auch dann trifft es den Steuerzahler.“

„… denken wir dabei nur an die Ortskräfte aus Afghanistan, sind wir zum Handeln aufgefordert“

Die Notwendigkeit für neue Flüchtlingsunterkünfte wird auch von der FDP gesehen: „Durch die gestiegenen Zahlen von Asylbewerbern und Flüchtlingen, denken wir dabei nur an die Ortskräfte in Afghanistan und an die Situation an der Grenze zu Belarus, sind wir zum Handeln aufgefordert.“

Digitalisierung der Schulen

Ein kreisübergreifender Schulentwicklungsplan für ganz Nordwürttemberg fehlt der FDP. Schulen sollten nicht konkurrieren, sondern sich ergänzen und zusammenspielen. Die FDP schlägt weiterhin die Gründung eines Zweckverbands zur Erfüllung des Digitalpaktes Schule im Landkreis schlagen wir erneut einen Zweckverband vor. Dieser Zweckverband könnte vor allem kleinere Schulen können durch einen „Digitalen Hausmeister“ unterstützend und eine einheitliche IT-Infrastruktur gewährleisten.

Soziales und Jugend

Wenig Spielraum sieht Schenk im Bereich Soziales und Jugend, da die meisten Ausgaben gesetzlich vorgeschrieben seien. Dennoch habe der Hohenlohekreis im Kampf gegen die Auswirkungen der Corona-Pandemie im Bereich der Kinder und Jugendlichen hat der Hohenlohekreis „sinnvolle Maßnahmen gestartet. Wir hoffen, dass dieses greifen wird. Die steigenden Kosten und die weiter wachsende Bürokratie, sowohl für die Verwaltungen, die Betriebe und den Bürger, bereiten uns Freien Demokraten große Sorge.

Ach Schenk warnt vor zuvielen freiwilligen Leistungen: „Wir dürfen nicht vergessen, dass wir mit dem Geld der Bürger wirtschaften. Die Bürger müssen sehen, dass Wahlgeschenke und vermeintliche Wohltaten selbst bezahlt werden müssen.“

AfD: „ideologische Projekte ohne Nutzen für die Hohenloher“

Haushaltsrede von Anton Baron. Foto: GSCHWÄTZ

Anton Baron geht für die AfD zuerst auf die „aus unserer Sicht positiven Punkte ein“. Das sind die Senkung der Kreisumlage und dass es „im Bereich des Katastrophen-/Bevölkerungsschutzes endlich voran geht.“

Dies nimmt sieben Zeilen seiner dreiseitigen Rede ein.

Er kritisiert, dass die Einnahmeseite des Haushalts viel zu optimistisch dargestellt sei: Wegen Pandemie und der Situation auf den Weltmärkten hätte er sich „einen vorsichtigeren Ansatz gewünscht, um auf böse Überraschungen vorbereitet zu sein.“

Auf der Ausgabenseite begrüßt er die Erhöhung der Ausgaben für den Straßenbau, hätte aber gern noch deutlichere Ausgabensteigerungen für diesen Zweck, denn „im ländlichen Raum sind viele Arbeitnehmer auf das Auto angewiesen, auch die Industrie benötige dringend gut ausgebaute Straßen.

 

„Hier baut die Landesregierung mal wieder große undurchdachte Luftschlösser“

Dem geplanten Rufbussystem steht die AfD-Gruppe offen gegenüber, fordert allerdings eine zeitnahe Evaluierung. Das größte Potential liege aber, so Baron bei „Mitfahrmöglichkeiten“ und regt an, dieses Thema zukünftig mit einzubeziehen. Die „Mobilitätsgarantie“ der Landesregierung sei unökologoisch und unwirtschaftlich, er spricht von „undurchdachten Luftschlössern“.

„ideologische Projekte ohne Nutzen für die Hohenloher“

Der Sozialhaushalt birgt für Baron hohe Risiken: Ausgabensteigerungen durch übergeordnete gesetzliche Regelungen stehen keine höheren Einnahmen gegenüber. Dass unter diesen Voraussetzungen die Verwaltung „ideologische Projekte ohne Nutzen für die Hohenloher“ finanziere, ist für die AfD-Gruppe nicht nachvollziehbar. Welche Projekte er meint, sagt er nicht. Ein Projekt außerhalb des Sozialhaushaltes meint er damit ganz gewiß: Das Klimazentrum, das „wohl eher der Befriedigung einer bestimmten Fraktion“ diene und nicht „zur Rettung des Weltklimas“.

Dieses Klimazentrum soll innerhalb der Abfallwirtschaft angesiedelt werden. Dort findet Baron weiteren Anlaß zur Kritik: Er spricht davon, dass „die Bürger durch überhöhte Abfallgebühren das angehäufte Defizit der Abfallwirtschaft abtragen.“ Er fordert, das Verursacherprinzip beim Abfall zu verstärken.

Bekannte rhetorische Modelle in Bezug auf Flüchtlinge

Zuletzt geht Baron auf die zu erwartenden Kosten für Flüchtlinge ein und benutzt bekannte Rhetorik der AfD: Er unterstellt, dass die Bundesregierung „wohl wieder einmal die Grenzen öffnen wird“ und „Zehntausende von illegalen Einwanderern (…) ins Bundesgebiet eindringen lassen“ wird. Dabei geht es in der aktuellen Diskussion vor allem um bis zu 25.000 Afghanen, die wegen ihrer Tätigkeit im Umfeld der Bundeswehr in ihrer Heimat bedroht sind und die völlig legal in die Bundesrepublik ausgeflogen werden sollen.

Um Pull-Effekte zu verhindern, habe er einen Antrag eingebracht, statt Geldleistungen nur noch Sachleistungen an Flüchtlinge auszugeben.

LINKE: „Es muß doch möglich sein, Kinder- und Altersarmut zu vermeiden“.

Haushaltsrede von Ernst Kern. Foto: GSCHWÄTZ

Als letzter Redner tritt Ernst Kern für die Linke ans Mikrofon: Er beschränkt sich auf ein einziges Thema, den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Er hat beobachtet, dass die Spaltung der Gesellschaft in Corona-Zeiten größer geworden ist. Für die Aussage „Klare Kante gegen Hass und Hetze“ bekommt er spontanen Beifall. Aber er will auf eine wirtschaftliche Spaltung der Gesellschaft hinaus: „Leider wird die Kluft Arm-Reich immer größer“. Er fordert dazu auf, Alternativen zu finden, die wieder zusammenführen. Daseinsvorsorge, eine der politischen Hauptaufgaben, müsse für eine faire und menschliche Welt sorgen, „der Starke schützt den Schwachen.“ Mit „Es muß doch möglich sein, Kinder- und Altersarmut zu vermeiden“ beendet er die Reihe der Haushaltsreden.

 

 

 

Dank aller Fraktionen

Allen Reden der Fraktionen und Gruppen gemeinsam war der Dank an alle, die in der Coronazeit die Gesellschaft durch ihre Leistung unterstützt haben.

Abstimmungsergebnisse

Zuerst muß über die Änderungsanträge abgestimmt werden. Der CDU-Antrag, die Kreisstraße 2319 nördlich von Marlach zu renovieren und auszubauen und diese Mittel in den Haushalt 2022 einzustellen, wurde mit 31 Ja / 3 Nein / 5 Enthaltungen angenommen.

Die drei Anträge der AfD wurden mit jeweils 2/37/0 abgelehnt.

Da der Antrag der CDU bereits in der letzten Sitzung eingebracht worden war, hatte die Verwaltung einen Haushaltsentwurf inklusive dieser Änderungen vorbereiten können. Dieser Entwurf wurde mit 34/3/2 mit deutlicher Mehrheit angenommen, ebenso wie die Wirtschaftspläne der Abfallwirtschaft Hohenlohe (37/2/0), des Nahverkehr Hohenlohe (39/0/0) und der Arbeitsloseninitiative Hohenlohe (38/1/0).

Text: Matthias Lauterer

 




FDP hält die damals verhängten Kontakt- und Ausgangssperren für nicht verfassungsgemäß

Unter anderem die FDP hat – damals als Oppositionspartei – vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gegen das am 23. April 2021 in Kraft getretene „Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ – die sogenannte Bundesnotbremse, die übrigens bei einer Inzidenz jenseits von 100 in Kraft trat – Verfassungsbeschwerde eingelegt.  Vor allem hielt die FDP die damals verhängten Kontakt- und Ausgangssperren für nicht verfassungsgemäß, da diese Massnahmen die Freiheit der Einzelpersonen in unzumutbarer Weise beeinträchtigen würde.

FDP hielt die damals verhängten Kontakt- und Ausgangssperren für nicht verfassungsgemäß

Inzwischen hat sich – und das macht dieses Urteil so pikant – die künftige Regierung unter Beteiligung der FDP auf einen Koalitionsvertrag geeinigt, der gerade bei der Corona-Bekämpfung deutlich eine FDP-Handschrift trägt. Am 25. November 2021 lief beispielsweise die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ aus – nicht zuletzt auf Druck der FDP.

BVerfG weist die Beschwerde geradezu vernichtend ab

Am Dienstag, den 30. November 2021 hat das BVerfG entschieden – und die Beschwerde abgewiesen.

Damit hat das BVerfG der noch gar nicht im Amt befindlichen Bundesregierung eine schallende Ohrfeige verpaßt. Ja, mehr noch, mit dem Satz aus der veröffentlichten Urteilsbegründung

Umgekehrt wird gesetzgeberisches Handeln umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können.

wird die vereinbarte Coronapolitik der Ampelregierung, die sich vor allem auszeichnet durch Abgabe der Verantwortlichkeit an die Länder und einen „Krisenstab“, dessen Befugnisse völlig ungeklärt sind,  vernichtend beurteilt – und das, noch bevor diese Regierung überhaupt im Amt ist.

Nicht handeln schließt das BVerfG aus

Aus diesem Satz folgt für jede Regierung, in einem Notstand handeln zu müssen. Nichthandeln ist keine Alternative. Insbesondere folgt aus diesem Satz auch, dass Grundrechtseinschränkungen notwendig sein können – sofern sie abgewogen und verhältnismäßig sind und einige weitere juristische Voraussetzungen erfüllen. Und dieser kurze Satz sagt auch, dass es nicht ein Grundrecht gibt, das über allen anderen Grundrechten steht und das daher auch in jeglicher gesellschaftlicher Notsituation frei ausgeübt werden kann – eine Feststellung des Gerichts, die nicht überrascht und an die bisherige Rechtsprechung anknüpft.

Interpretationsspielraum

Man könnte diesen Satz auch als Hinweis darauf interpretieren, dass er sich auch auf vermeintliche Freiheiten gesellschaftlicher Gruppen bezieht, die durch ihr Verhalten die Freiheit anderer, größerer Gruppen einschränken. Das wäre ein Hinweis, wie das Gericht anderen (juristisch gut formulierten) Massnahmen, etwa einer Impfpflicht, gegenübersteht. Viel Gewicht sollte man dieser Interpretation nicht beimessen – denn das Gericht bezieht sich nur auf den aktuellen Fall und antwortet nicht auf Fragen, die im aktuellen Fall nicht gestellt werden.

Gericht nimmt Verfassungsbeschwerde auseinander

Man kann es kaum anders ausdrücken: Jeder einzelne Punkt der Verfassungsbeschwerde wird vom Gericht auseinandergenommen. Dem schwarz-roten Gesetzgeber wird bescheinigt, dass er alles richtig gemacht hat.

Gemeinwohl über den Freiheitsrechten Einzelner

Interessant, dass das Gericht im Falle der Corona-Pandemie ganz klar das Gemeinwohl über Freiheitsrechte Einzelner stellt:

Mit den Kontaktbeschränkungen verfolgte er [der Gesetzgeber, Red.] Gemeinwohlziele von überragender Bedeutung. Der Gesetzgeber wollte so Leben und Gesundheit schützen, wozu er nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet ist.

– diese Auffassung widerspricht deutlich den Äußerungen einiger Politiker in Fernsehtalkshows.

Dem Koalitionsvertrag den Boden unter den Füssen weggezogen

Der neoliberale Freiheitsbegriff, der -grob gesagt- die Freiheit des Einzelnen über die Freiheit der Gesellschaft stellt, zieht sich durch den gesamten Koalitionsvertrag von SPD, GRÜNEN und FDP. Wenn das BVerfG als höchstes Gericht der Republik jetzt implizit feststellt, dass dieser Freiheitsbegriff nicht der Freiheitsbegriff unseres Grundgesetzes ist, dann hat das Verfassungsgericht dem Koalitionsvertrag – und vielleicht sogar der FDP – den Boden unter den Füßen weggezogen.

Konsequenzen für die neue Regierung

Im Geschäftsleben hätte man zwei Möglichkeiten: Entweder man verhandelt unter neuen Voraussetzungen neu – oder man bricht die Geschäftsbeziehung gleich ganz ab. In der Politik sollte dieses Urteil der Anlass zu einer Regierungskrise, bevor man überhaupt regiert, sein. Aber man wird das Urteil sicherlich schönreden, auf die damalige Oppositionsrolle verweisen und hoffen, dass sich bald niemand mehr daran erinnert.

Ein Kommentar von Matthias Lauterer




Künftig dürfen Ärzte Schwangerschaftsabbrüche bewerben

In den letzten Wochen hat GSCHWÄTZ in Zusammenarbeit mit CORRECTIV.Lokal mehrere Beiträge über das Thema Schwangerschaftsabbruch veröffentlicht, weitere Beiträge sind geplant. Anlaß für diese Artikelserie ist eine Recherche von CORRECTIV.Lokal über die Hürden, die abbruchwilligen Frauen im Wege stehen.

Auch der Koalitionsvertrag zwischen SPD, GRÜNEN und FDP befasst sich mit dem Thema und greift einige der Punkte, die auch GSCHWÄTZ schon thematisiert hatte, auf.

§219a wird komplett gestrichen

Dem Thema „Reproduktive Selbstbestimmung“ hat die Ampel ungefähr eine von rund 170 Seiten gewidmet. Die klarste Aussage ist: „Ärztinnen und Ärzte sollen öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Daher streichen wir § 219a StGB.“  Der §129a StGB stellt bis jetzt die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe, wenn damit ein Vermögensvorteil erzielt werden soll oder die Werbung in „grob anstößiger Weise“ erfolgt. Wenn die Webseite einer Arztpraxis die unterschiedlichen Methoden für einen Abbruch sachlich beschreibt, kann das schon strafbar sein. Dies mußte die Gießener Ärztin Kristina Hänel erfahren – eine Geldstrafe von 2.500 Euro wurde unlängst höchstrichterlich bestätigt – denn als Ärztin, die Abbrüche durchführt, erzielt sie einen Vermögensvorteil.

Dieser Paragraph ist eine der Hürden, deren Folgen CORRECTIV.Lokal mit der großangelegten Recherche untersuchen will. Sollte die Ampel diesen Paragraphen streichen, wäre eine Rechtsunsicherheit behoben, betroffenen Frauen stünden mehr Informationsmöglichkeiten, anonym und ohne Hemmschwelle, zur Verfügung.

Ampel will Versorgungssicherheit für Schwangerschaftsabbrüche herstellen

Auch wenn sich eine Frau zum Abbruch entschlossen hat, will die zukünftige Regierungskoalition Hürden abbauen, indem sie von vornherein klarstellt: „Wir stellen Versorgungssicherheit her. Schwangerschaftsabbrüche sollen Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung sein. Die Möglichkeit zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen gehören zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung.“

Ein wichtiger Punkt: Die wohnortnahe Verfügbarkeit von Krankenhäusern und Praxen ist nicht überall gewährleistet: GSCHWÄTZ berichtete, dass in den Krankenhäusern der BBT-Gruppe (Öhringen und Bad Mergentheim) keine Abbrüche vorgenommen werden, bei der Diakoneo-Gruppe (Schwäbisch-Hall) nur bei Gefahr von Leib und Leben. Einzig die SLK-KLiniken führen pro Jahr 10 bis 20 Abbrüche durch. Auch die Anzahl der Arztpraxen, die Abbrüche durchführen, nimmt immer mehr ab.

Suche nach Praxis oder Klinik eine echte Hürde

Allein schon die Suche nach einer Praxis oder Klinik kann sich als eine echte Hürde für Frauen, die sich für einen Abbruch entschieden haben, erweisen. Vor allem, da die Praxen und Kliniken nicht einfach zu finden sind – der §129a läßt grüßen!

Flächendeckende Versorgung mit Beratungseinrichtungen soll sichergestellt werden

Gespräche mit Beratungsstellen im Hohenlohekreis haben nicht ergeben, dass in Hohenlohe ein Beratungsengpaß besteht. Bundesweit scheint das aber der Fall zu sein, denn der Koalitionsvertrag sagt: „Wir stellen die flächendeckende Versorgung mit Beratungseinrichtungen sicher. Schwangerschaftskonfliktberatung wird auch künftig online möglich sein.“

„Gehsteigbelästigungen“ unterbinden

Eine letzte Hürde müssen mancherorts Frauen noch kurz vor dem Betreten der Praxis oder des Krankenhauses überwinden: Sogenannte Abtreibungsgegner bedrängen sie auf der Straße und versuchen, die Frauen doch noch vom Abbruch abzuhalten. Dagegen will die Ampel künftig vorgehen: „Sogenannten Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern setzen wir wirksame gesetzliche Maßnahmen entgegen.“

Kostenlose Verhütung für Geringverdienende und die „Pille für den Mann“

Reproduktive Selbstbestimmung beschränkt sich aber nicht nur darauf, dass schwangere Frauen Möglichkeiten haben sollen, die Schwangerschaft zu beenden. Abbrüche sind das letzte Mittel – und wer sich zuverlässige Verhütungsmittel leisten kann, muß nicht über einen Abbruch nachdenken. Die Koalition will, dass sich jedes Paar auch Verhütung leisten kann: „Wir wollen Krankenkassen ermöglichen, Verhütungsmittel als Satzungsleistung zu erstatten. Bei Geringverdienenden werden die Kosten übernommen.“ Besonders soll auch die „Pille für den Mann“ im Mittelpunkt der Forschung stehen:  „Wir wollen die Forschungsförderung für Verhütungsmittel für alle Geschlechter anheben.“

Auch für ungewollt Kinderlose soll es einfacher werden

„Reproduktive Selbstbestimmung“ soll es auch für die Menschen geben, die Kinder wollen: „Wir wollen ungewollt Kinderlose besser unterstützen.“ Die – insbesondere finanzielle – Hemmschwelle für die Künstliche Befruchtung soll gesenkt werden: „Künstliche Befruchtung wird diskriminierungsfrei auch bei heterologer Insemination [Samenspende eines Dritten, Red.] , unabhängig von medizinischer Indikation, Familienstand und sexueller Identität förderfähig sein. Die Beschränkungen für Alter und Behandlungszyklen werden wir überprüfen. Der Bund übernimmt 25 Prozent der Kosten unabhängig von einer Landesbeteiligung. Sodann planen wir, zu einer vollständigen Übernahme der Kosten
zurückzukehren. Die Kosten der Präimplantationsdiagnostik werden übernommen. Wir stellen klar, dass Embryonenspenden im Vorkernstadium [in diesem Stadium unterliegt der Embryo noch nicht dem Embryonenschutzgesetz, Red.] legal sind und lassen den „elektiven Single Embryo Transfer“ [von mehreren erzeugten Embryonen wird nur der eingesetzt, der die vermeintlich beste Chancen zur Entwicklung hat, Red.] zu.“

Außerdem will die Ampel „eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ einsetzen, die Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches sowie Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft prüfen wird.“

Anpassung des Rechts an die heutige Zeit

Zusammenfassend dürften die geplanten Änderungen der Gesetze und Verordnungen für Betroffene, ganz gleich, ob es um einen Abbruch oder eine künstliche Befruchtung geht, eine Erleichterung darstellen, der Wegfall des §219a bringt Rechtssicherheit.

Text: Matthias Lauterer

 

 

 




„Wenn ich allesamt bekochen und bewirten kann, ist das Glück schon ziemlich perfekt“

Am kommenden Sonntag, den 26. September 2021, wählen die Bürger:innen einen neuen Bundestag. Das hat die GSCHWÄTZ-Redaktion zum Anlass genommen und den Kandidaten der voraussichtlich fünf größten Parteien aus dem Wahlkreis Schwäbisch Hall-Hohenlohe fünf identische Fragen gestellt. Hier sind die Antworten von Valentin Abel, Direktkandidat der FDP.

„Demokratie lebt vom Mitmachen“

GSCHWÄTZ: Was war die schlechteste politische Entscheidung, die Sie in ihrem politischen Leben je getroffen haben?

Abel: Zu zögern. Ich war bereits jahrelang politisch interessiert – und auch festgelegt – bevor ich dann endlich Mitglied der FDP wurde. Und auch dann war ich zuerst lange passives Mitglied. Demokratie lebt aber vom Mitmachen und nicht nur vom Beitragszahlen. Politische Parteien kennen mannigfaltige Formen der Mitarbeit; ich empfehle allen Leserinnen und Lesern, gerne einmal bei verschiedenen Parteien vorbeizuschnuppern und sich nach den Möglichkeiten der Partizipation zu informieren.

„Immer wieder überrascht mich er Zusammenhalt, den ich hier allenthalben verspüre“

GSCHWÄTZ: Was macht Sie ganz persönlich glücklich?

Abel: Zeit mit meiner Verlobten und meiner Familie. Wenn es dann noch Wochenende ist und ich allesamt bekochen und bewirten kann, ist das Glück schon ziemlich perfekt.

GSCHWÄTZ: Was ist das Besondere am Wahlkreis Schwäbisch-Hall Hohenlohe? Gibt es etwas, was den Wahlkreis einzigartig macht?

Abel: Wenn es etwas gibt, was mich gerade ob der Größe des Wahlkreises immer wieder überrascht, dann ist es der Zusammenhalt, den ich hier allenthalben verspüre. Sind die Enden des Wahlkreises auch teilweise über 65 Kilometer voneinander entfernt, so habe ich immer das Gefühl, dass Haller und Hohenloher an einem Strang ziehen, wenn’s um die Sache geht. So muss es auch sein, wenn wir als ländlicher Raum eine Chance haben wollen.

„Europa braucht Verbündete“

GSCHWÄTZ: Welcher Partei – ausgenommen Ihrer eigenen Partei – würden Sie am Sonntag einen Erfolg wünschen?

Abel: Natürlich kämpfe ich für ein starkes FDP-Ergebnis am 26. September. Als überzeugter Europäer wünsche ich den Kolleginnen und Kollegen von Volt aber einen Achtungserfolg. Europa braucht Verbündete.

„Auf Deutschland kommen große Investitionen zu“

GSCHWÄTZ: Gibt es EINE Sache, für die in diesem Wahlkampf nur Ihre Partei kämpft?

Abel: Seriöse Haushaltspolitik. Auf Deutschland kommen große Investitionen zu: Digitalisierung, Klimaschutz, Infrastruktur. Nichtsdestotrotz gebietet der Respekt vor kommenden Generationen, dass jede Ausgabe einer strikten Prüfung unterzogen wird. Wenn wir unseren Kindern eine intakte Welt und solide Finanzen hinterlassen wollen, dürfen wir keine Wahlkampfgeschenke mit der Gießkanne verteilen, sondern müssen gezielt und nachhaltig investieren.

Hintergrund

Der 30-jährige Valentin Abel studierte Betriebswirtschaftslehre an der Uni Mannheim. Seit seinem Abschluss arbeitet er als kaufmännischer Angestellter in der Halbleiterindustrie. Seit 2017 ist der gebürtige Künzelsauer Landesvorsitzender der Jungen Liberalen in Baden-Württemberg. Privat reist Valentin Abel mit seiner Partnerin durch Europa und die ganze Welt, er kocht gerne und ist viel in der Natur unterwegs.




Ein hochrangiger Fachbeamter war zufällig beim Zahnarzt…und die Geschichte nahm ihren Lauf

Zur Freitagabend-Krimizeit hatte die FDP Hohenlohe am Freitag, 4. September 2021, ins Künzelsauer Anne-Sophie-Haus geladen. Dieses ehemalige Polizeirevier war eine angemessene Kulisse für das Thema, über das Dr. Florian Toncar, Abgeordneter des Bundestages und Obmann im Wirecard-Untersuchungsausschuß, vortrug: Toncar informierte über den Wirecard-Skandal, den „größten Bankraub der Geschichte“, wie er die Vorgänge bezeichnete, mit insgesamt etwa 27 Mrd. Euro Schaden. Das entspricht dem Jahreshaushalt mancher Bundesländer oder, ganz aktuell, ungefähr der prognostizierten Schadenssumme der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Er redet frei, nicht ohne die vom etwa 20-köpfigen Publikum erwarteten feinen Spitzen gegen den politischen Gegner und an einigen Stellen mit einem sarkastisch-humorvollen Unterton.

Aufstieg und Fall von Wirecard

Michael Schenk (Mitte) stellt Florian Toncar (rrechts) vor. Links: Valentin Abel. Foto GSCHWÄTZ.

Toncar berichtet über Aufstieg und Fall der Firma Wirecard und beleuchtet insbesondere das Tun und vor allem das Nichtstun der Behörden. Vor allem BaFin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, und die zuständige Staatsanwaltschaft München kritisiert er heftig. Die Informationen, die er aus dem Untersuchungsausschuss mitbringt, wirken teils geradezu grotesk. Zum Beispiel als er über die Entscheidungsfindung der BaFin über ein Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien berichtet: Die zuständige hochrangige Mitarbeiterin war krank, ihre Vertreterin war zwar im Hause, wurde aber in die Entscheidung nicht einbezogen, ein hochrangiger Fachbeamter war zufällig beim Zahnarzt und so wurde die weitestreichende Entscheidung, die die BaFin je getroffen hat, quasi auf Sachbearbeiterebene getroffen. Dass es sich dabei auch noch um eine Fehlentscheidung gehandelt hat, die den Schaden letztendlich vergrößerte, steht auf einem anderen Blatt.

Einfluß der Politik

Nicht nur die Behörden, Aufsichtsgremien und die Wirtschaftsprüfer haben versagt, so Toncars Ansicht, sondern auch die Politik. Insbesondere das Finanzministerium in Person von SPD-Kanzlerkandidat Scholz sieht er in der Verantwortung. Die oberste Ebene des Ministeriums sei durchweg informiert gewesen und hätte einschreiten können, habe der Untersuchungsausschuss herausgearbeitet. Die europäische Finanzaufsicht ESMA spricht sogar von „beispiellosem“ Einfluß des Ministeriums. Toncar wirft Scholz vor, er habe „vorher und hinterher nicht gehandelt“.

Freier Markt hat gewirkt

Auf der anderen Seite sieht Toncar durch den Wirecard-Skandal den freien Markt gestärkt: „Die privaten Institutionen haben funktioniert, Presse, Aufsichtsrat und Investoren. [Red.: der Journalist Dan McCrum von der Financial Times wurde wegen seiner (korrekten!) Berichterstattung sogar der Verschwörung gegen Wirecard bezichtigt und daraufhin strafrechtlich verfolgt]. Presse und Marktreaktion haben erst die Reaktion hervorgerufen.“

Politische Folgerungen

Ein erstes Gesetz, Toncar nennt es „Schlechtes-Gewissen-Gesetz“ habe die Regierung als Konsequenz bereits verabschiedet. Dieses richte sich aber nur an die Wirtschaftsprüfer. In diesem Gesetz sieht Toncar die Gefahr, dass sich aufgrund der erhöhten Haftungsgrenzen ein Oligopol bilden könnte. Ihm fehlt eine Stärkung der Aufsichtsräte: „Starker Aufsichtsrat, starke Eigentümer“, meint Toncar. Auch die eingeleitete BaFin-Reform geht Toncar nicht weit genug: Mehr Personal, dafür auch mehr Aufgaben, sei nicht ausreichend. Er fordert eine „GSG9 für den Finanzmarkt“, die ähnlich wie die GSG9 „ihre Rucksäcke packt und hinfliegt“, wenn irgendwo ein Problem auftaucht. Außerdem will er, dass sich die BaFin verstärkt darum kümmert, „komplexe risikobehaftete Geschäfte zu kontrollieren und schlecht verstandene Geschäftsmodelle zu prüfen.“

Vertiefendes Interview

Nach dem Vortrag standen Florian Toncar und Valentin Abel GSCHWÄTZ Rede und Antwort:

GSCHWÄTZ: Verschärfte Regeln zur Marktüberwachung – das klingt nicht nach dem freien Markt, den die FDP immer fordert?

Toncar: Im Gegenteil! Der Kapitalmarkt braucht Regeln, zum Beispiel über wahrheitsgemäße Berichterstattung. Diese Regeln sind Funktionsvoraussetzung für einen freien Markt, denn die Anleger sollen entscheiden können, wo ihr Geld hingeht, nicht irgendeine staatliche Institution. Nur die Marktakteure können die regulierende Funktion ausüben.

GSCHWÄTZ: Umfragen ergeben, dass die FDP eine hohe Anziehungskraft auf junge Leute ausübt, warum?

Toncar: Das beantworte ich Ihnen mal ganz stichpunkthaft:

  • Modernisierung und Digitalisierung
  • keine weiteren Schulden
  • Klimaschutz durch Technologie. Deutschland ist Exportnation. Wir können uns entscheiden für  „Buße und Verzicht“ oder den Klimaschutz als Chance für Deutschland begreifen.

Auch eine Forderung der Freien Demokraten. Foto:GSCHWÄTZ

Marcel Wander, der gerade erst seinen Beitrittsantrag zur FDP abgegeben hat, ist noch Schüler. Er ergänzt zur Frage nach der Jugend: „Die Bildungspolitik und die Digitalisierung in der Schule. Wir haben in den Klassenräumen teilweise noch Tageslichtprojektoren im Einsatz. Und Bildung ist ein Aufstiegsversprechen.“ Und Urs Markert, Kreisvorsitzender der JuLis ergänzt: „Die FDP fordert mehr Mitspracherecht für die Jugend, zum Beispiel die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre und die Einrichtung von Jugendparlamenten. Das ist ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit, genauso wie die Forderung nach der schwarzen Null“.

GSCHWÄTZ: Herr Abel, Sie sind der Direktkandidat der FDP im Wahlkreis. Wollen Sie jetzt doch lieber  regieren als gar nicht regieren?

Abel:  Wir wollen immer regieren, wollen dabei aber eine liberale Handschrift sehen, das ist uns 2017 schwergefallen.

GSCHWÄTZ: Nach den aktuellen Zahlen könnte aber auch eine Rot-Schwarze Zweiparteienkoalition möglich werden?

Abel: Schwarz-Rot und Schwarz-Grün wäre beides nicht gut. Wir wollen einen Neuanfang mit frischem Wind. Es ist so viel liegengeblieben, dass die nächste Regierung ein 10-Jahres-Programm in 4 Jahren absolvieren muss. Rot-Schwarz wäre da kein Impuls. An der FDP vorbei soll es keine Regierung geben, unser Fokus liegt daher auf einem starken FDP-Ergebnis.

GSCHWÄTZ: Auf welchem Rang der Landesliste stehen Sie und wo müßte die FDP landen, damit Sie in den Bundestag einziehen?

Abel: Ich stehe auf Platz 12 und bei bundesweit 9-10 Prozent wäre ich wahrscheinlich gewählt.

GSCHWÄTZ: Und was würden Sie speziell für den Wahlkreis erreichen wollen?

Der ländliche Raum soll den Anschluß nicht verlieren

Abel: Ich werde mich dafür einsetzen, dass der ländliche Raum bezüglich Infrastruktur nicht den Anschluß verliert. Das betrifft den Verkehr auf Straße und Schiene, aber auch die Digital-Infrastruktur. Die Vernetzung von Ämtern und handfeste Verbesserung des digitalen Angebots für den Bürger ist hier zu nennen.

Den Mittelstand im Wahlkreis weiter stärken

Außerdem stärkt die FDP traditionell den Mittelstand. Der Mittelstand ist gerade in unserem Wahlkreis sehr wichtig. Wenn kleine und mittlere Unternehmen am Markt teilnehmen, dann bringt das Wohlstand für die Menschen.

Alternativer Vorschlag zum Klimaschutz

Und zu guter Letzt haben wir einen Alternativvorschlag zur Klimapolitik vorgelegt, nämlich die CO2-Bekämpfung mit marktwirtschaftlichen Mitteln. Wir fordern einen CO2-Mengendeckel und einen Handel mit CO2-Mengenzertifikaten.

GSCHWÄTZ: Herr Toncar, Herr Abel, wir danken Ihnen für das Gespräch.




Wahlkampf der FDP: Intensives Vor-Ort-Programm für Valentin Abel

Gleich mehrere Informations- und Wahlkampfveranstaltungen kündigt die FDP Hohenlohe an:

Am Freitag, 3. September 2021, spricht Florian Toncar im Hotel Anne-Sophie in Künzelsau. Toncar ist  Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Mitglied im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages und finanzpolitischer Sprecher der Fraktion der Freien Demokraten sowie  Obmann im 3. Untersuchungsausschuss (Wirecard).

Thema: Wirecard-Skandal und Finanzpolitik

„Der Wirecard-Skandal ist die moderne Interpretation eines Bankraubs und hat das Vertrauen in den Finanzstandort Deutschland nachhaltig erschüttert. Wie können ähnlich spektakuläre Unternehmenszusammenbrüche künftig vermieden werden? Welche Rolle spielten die Kontrollbehörden und Finanzminister Olaf Scholz? Was müssen wir tun, um den Finanzplatz Deutschland zu stärken und welche finanzpolitischen Herausforderungen stehen uns in der kommenden Legislaturperiode sonst noch bevor?
Das und vieles mehr werden wir dem Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, Florian Toncar, klären“, kündigt die FDP die Veranstaltung an.

Thema: Wege aus Corona

Am Montag 6. September 2021 ist die FDP ab 18:00 zu Gast im Meiser Vital Hotel, Grenzstrasse 42-43, 74579 Fichtenau-Neustädtlein. Dort sprechen Martin Hagen, Fraktionschef der FDP im bayrischen Landtag und Valentin Abel, Direktkandidat für den hiesigen Wahlkreis zum Thema „Deutschland nach Corona: Bereit zum Durchstarten“.  Hagen und Abel suchen „nach Auswegen aus
der Krise und verantwortungsvollen Wegen zurück in die Normalität. Für uns Liberale ist klar: Grundrechte sind keine Privilegien – also ist es erste Aufgabe des Staates, sie
den Bürgern so bald wie möglich zurückzugeben!
Eine Anmeldung ist unter www.valentin-abel.com bis zum 5. September 2021 erforderlich.

Thema: Programm der FDP

Am 08. September besucht Florian Kuhle, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag,  den Wahlkreis. Ab 19:30 spricht er zusammen mit Valentin Abel im Gasthof Goldener Adler, Am Markt 11 in Schwäbisch Hall über das Thema “ Nie gab es mehr zu tun: Die Reformagenda der FDP 2021″.
„Die Welt ist im Wandel, aber Deutschland hat sich die letzten Jahre gemütlich zurückgelehnt.
Egal ob Digitalisierung, Altersvorsorge, Klimaschutz oder Infrastruktur: Es gibt mehr als genügend Baustellen für die kommende Bundesregierung“, schickt Kuhle voraus.

Quellen: Pressemitteilungen der FDP Hohenlohe