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„Wir bitten um Verständnis“

Marvin Löwen aus dem hohenlohischen Tiefensall hat einer der aggressivsten Hirntumorarten, ein Glioblastom, das auch  nach der Entfernung sehr schnell wieder nachwächst. In einem Videointerview hat er uns Einblicke in das Krankheitsbild gegeben und in die Behandlung in Deutschland. Die Lebensdauer ab dem Zeitpunkt der Diagnose beträgt im Durchschnitt nur noch wenige Monate.

Auch Marvin geht es täglich schlechter. Sein größter Wunsch ist es, seine Lebensgefährtin Melissa aus Bolivien in dieser schweren Zeit an seiner Seite zu wissen. Doch Melissas Visum wurde überraschenderweise abgelehnt, so dass sie nicht nach Deutschland einreisen darf (wir berichteten).

Die Familie Löwen erhoffte sich daraufhin Hilfe von lokalen Politikern und Behörden. Der CDU-Bundestagsabgeordnete für den Hohenlohekreis, Christian von Stetten, ließ sich denn auch die Dokumente zu dem Fall zusenden. Auf Nachfrage wenige Tage später  verwies das Büro von Stetten dann aber auf einen Umzug in ein neues Büro, welches der neue Ausschussvorsitzender von Stetten nun bekomme. Dies habe aktuell Priorität. Daher habe Herr von Stetten derzeit leider keine Zeit, sich dem Fall der Familie Löwen anzunehmen. Er bitte um Verständnis.

Christian von Stetten (CDU) hat wegen Umzug in neues Büro keine Zeit für krebskranken Mann

Voraus ging eine E-Mail von Christian von Stetten, nachdem wir ihn auf den Fall aus Tiefensall aufmerksam gemacht haben. Er erbat sich die Einsicht in die Dokumente, um möglicherweise unterstützend tätig zu werden. Daraufhin sendete ihm die Redaktion GSCHWÄTZ in Abstimmung mit der Familie Löwen alle Unterlagen zu. Als wir uns nach mehreren Tagen nach dem Stand der Dinge erkundigten, wurde uns mitgeteilt, dass Herr von Stetten aktuell leider doch keine Zeit habe, sich mit dem Fall zu beschäftigen, da er aufgrund seiner Wahl zum Ausschussvorsitzenden nun in ein neues Büro umziehe. Dieser Umzug dauere die kommenden zwei Wochen. Bedauerlicherweise habe er daher keine Zeit, um sich mit dem Fall näher zu beschäftigen. Das Büro bitte um Verständnis.

Knapp 12.000 Euro bekommt ein Bundestagsabgeordneter derzeit in Deutschland monatlich. Das ist weit mehr, als viele andere in Deutschland verdienen. Bezahlt wird diese so genannte Aufwandsentschädigung von Steuerzahlern, die diesem Bundestagsabgeordneten ihre Stimme gegeben und ihn damit zu ihrem Volksvertreter bestimmt haben.

Die Zeit für die Familie Löwen läuft. Eine solche Prioritätensetzung, wie wir es hier von Christian von Stetten erleben, ist einfach nur beschämend.

Foto: GSCHWÄTZ Montage I Karikatur

Ein Kommentar von Dr. Sandra Hartmann 




Ausländerbehörde Öhringen: „Wir sind geschockt“

Marvin Löwen (34) aus Tiefensall im Hohenlohekreis (Baden-Württemberg) hat ein Glioblastom. Das ist ein Hirntumor der aggressivsten Sorte, der auch nach einer OP sehr schnell wieder nachwächst und sich im Gehirn verbreitet. Die durchschnittliche Überlebenszeit beträgt nach der Diagnose 15 Monate.

Schwere Begleitsymptome

Die Begleitsymptome, unter anderem Schwindel, Gedächtnisverlust, Wahrnehmungsstörungen und Sichtfeldeinschränkungen sind gravierend. Marvin und Marvins Familie haben ihren Lebensmittelpunkt seit einigen Jahren in Bolivien. Sie bauen dort eine Klinik auf. Es wurde ihm aber angesichts der Schwere seiner Erkrankung geraten, sich in Deutschland weiterbehandeln zu lassen. Er ist derzeit Patient an der Uniklinik Würzburg.

Einreiseverbot

Melissa, Marvins Lebenspartnerin in Bolivien, wurde nun die vorübergehende Einreise nach Deutschland, um Marvin bei seiner Strahlen und Chemotherapie zu unterstützen, verweigert. Grundlage des Ablehnungsbescheides ist ein dreiseitiges Schreiben der Ausländerbehörde in Öhringen.

Der zuständige Sachbearbeiter spekuliert darin über eine mögliche Eheschließung von Marvin und Melissa in Deutschland und sieht auch die Gefahr, dass Melissa danach nicht mehr nach Bolivien zurückkehren könnte. Dass sowohl Marvin, als auch seine Eltern und ein Teil seiner Geschwister seit Jahren in Bolivien wie auch Melissa dort leben, wird in dem Schreiben nicht erwähnt – auch nicht Marvins schwere Erkrankung und die Behandlung derselben, der eigentliche Grund ihrer Reise nach Deutschland.

Warum das so ist, darüber wollte uns der zuständige Sachbearbeiter auf GSCHWÄTZ-Nachfrage keine Auskunft geben und verweist nun an das Regierungspräsidium Stuttgart, welches den Fall der Familie Löwen derzeit prüft und darüber entscheidet, wie viel gemeinsame Zeit Marvin mit Melissa noch bleibt.

Auch den CDU-Bundestagsabgeordneten für den Hohenlohekreis, Christian von Stetten, hat GSCHWÄTZ kontaktiert mit der Bitte um eine Stellungnahme zu dem Fall. Er verweist darauf, dass „mich Bürgerinnen und Bürger des Wahlkreises um Hilfe bei der Einreise von Verwandten oder Bekannten bitten“, verspricht aber: „Nach ausführlicher Sichtung der mir übermittelten Unterlagen werde ich dann tätig oder erkläre, warum eine Unterstützung nicht möglich ist. Bitte haben Sie Verständnis, wenn ich ohne Kenntnis der Aktenlage Ihnen zu einzelnen Fällen keine Auskunft geben kann.“ GSCHWÄTZ hat von Stetten daraufhin die Akten zu dem Fall zukommen lassen – in Absprache der Familie. Die Zeit für die Familie läuft.