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Müllabfuhr ist der Top-Performer unter den staatlichen Dienstleistern

Jedes Jahr läßt der Deutsche Beamtenbund, eine Art Gewerkschaft für Beamte, vom Institut Forsa eine Umfrage unter dem Titel „Der öffentliche Dienst aus Sicht der Bevölkerung“ durchführen, um festzustellen, wo den Bürger der Schuh drückt und ob die Beamten die Probleme, die die Bürger empfinden, auch zielführend bearbeiten. Im Juli 2022 wurden etwas mehr als 2.000 Bürger repräsentativ zu ihren Ansichten über den Staat, die Beamten und verschiedene aktuelle gesellschaftliche Themen befragt.

Die Erhebung fand im Juli 2022 statt. Befragt wurden 2.013 repräsentativ ausgewählte Bürgerinnen und Bürger. Wie bereits 2020 und 2021 wurde die Erhebung online mithilfe des forsa.omninet-Panels durchgeführt, einem für die deutsche Online-Bevölkerung ab 14 Jahren repräsentativen Panel mit derzeit rund 100.000 Teilnehmern. Die Auswahl der Befragten erfolgte offline nach einem systematischen Zufallsverfahren, das sicherstellt, dass die befragten Bürgerinnen und Bürger ein Spiegelbild der Gesamtbevölkerung in Deutschland darstellen.

Die ermittelten Ergebnisse können lediglich mit den bei allen Stichprobenerhebungen möglichen Fehlertoleranzen (im vorliegenden Fall +/- 2,5 Prozentpunkte) auf die Gesamtheit der Bevölkerung übertragen werden

Handlungs- und Leistungsfähigkeit des Staates

Im Jahr 2020 waren noch 56 Prozent der Befragten davon überzeugt, „dass der Staat in der Lage sei, seine vielfältigen Aufgaben zu erfüllen.“ Mit dem weiteren Verlauf der Coronakrise und der folgenden weiteren Krisensituationen bis hin zur heutigen Gaskrise fiel dieser Anteil deutlich ab: Waren es 2021 noch 45 Prozent, sind es aktuell nur noch 29 Prozent der Befragten, die den Staat als handlungsfähig empfinden. Interessant ist, dass ausgerechnet zu Beginn der Coronakrise der Staat als sehr handlungsfähig empfunden wurde, später dann immer weniger.

Zwischen Ost und West sind kaum Unterschiede festzustellen, erstaunlich ist, dass ausgerechnet die junge Generation der 18-29-jährigen den Staat noch am besten beurteilt: 35 Prozent der jungen Menschen finden, dass der Staat in der Lage ist, seine Aufgaben zu erfüllen. Je höher der Schulabschluß, desto mehr wird dem Staat Handlungsfähigkeit zugesprochen.

Am wenigsten überzeugt vom Staat sind die Anhänger der Oppositionspartei AfD (9 Prozent) und der Regierungspartei FDP (16 Prozent). Anhänger von SPD und Grünen erachten den Staat mit 45 bzw 46 Prozent als handlungsfähig – bezeichnend aber auch bei diesen Regierungsparteien ist, dass jeweils mehr als die Hälfte ihrer Anhänger den Staat als überfordert ansehen.

Auszug aus der Forsa Studie

Wo liegen die Probleme?

Die Befragten, die den Staat als überfordert ansehen, wurden gebeten, die Aufgaben zu nennen, bei denen sie eine Überforderung sehen. Es wurden dabei keine Antwortvorgaben gemacht – offene Antworten und Mehrfachantworten waren möglich.

Da die Befragung im Juli 2022 durchgeführt wurde, ist es nicht verwunderlich, dass das Thema Energieversorgung mit 17 Prozent sehr häufig genannt wurde – in den Vorjahren war dieses Thema kaum relevant. Es folgen die Themen Klima- und Umweltschutz (15 Prozent), Schul- und Bildungspolitik (13 Prozent), soziale Sicherungssysteme, Rente (12 Prozent) und soziale Gerechtigkeit sowie Gesundheitsversorgung mit jeweils 11 Prozent.

Es fällt auf, dass offenbar nicht einmal die AfD-Wählerschaft, die zu 90 Prozent den Staat als überfordert empfindet, den Staat bei zweien ihrer lautesten Kritikpunkte als überfordert ansieht: Sowohl die Asyl- und Flüchtlingspolitik sowie das Thema „Krieg in der Ukraine, Umgang mit Rußland“ landen bei 10 bzw. 9 Prozent – und das, wo die AfD-Wähler unter den Befragten, die den Staat für überfordert halten, einen höheren Anteil haben als in der Grundgesamtheit.

Vergleich mit den sozialen Medien

Im Vergleich mit den Themenschwerpunkten der sozialen Medien, ist dieses Ergebnis überraschend: In der Umfrage zeigt sich erhebliche Präsenz der sozialen Themen. Diese Themen finden in den sozialen Medien zwar statt, scheinen den Nutzern der sozialen Medien aber nicht so wichtig wie in der Umfrage. Dort dreht sich ein großer Teil der Diskussionen und „Diskussionen“ um das Thema Russland. Die Russland-Diskussion wird intensiv befeuert durch automatisierte Bots, wie eine Recherche von t-online zeigt. Wie intensiv diese Einflußnahme ist, dafür könnte das Umfrageergebnis des Beamtenbundes ein Indiz sein.

Einzelne Bereiche

Am Besten von den Bürgern bewertet wird wie übrigens auch in den Vorjahren die Müllabfuhr. Dahinter kommen Bibliotheken und Museen. Die Arbeit der Ministerien in Bund und Land sowie der Arbeitsagentur wird – in Schulnoten – am schlechtesten bewertet: diese bekommen aber auch noch im Durchschnitt eine 3-, also noch ein „Befriedigend“.

Bewertung der Einzelbereiche passt nicht zur Gesamtaussage

Diese Bewertungen wollen so gar nicht zum Ergebnis passen, dass nur noch 29 Prozent der Befragten den Staat für handlungsfähig halten und 66 Prozent ihn für überfordert halten. Man sollte eine deutlich schlechtere Bewertung annehmen:  Wenn 66 Prozent die Leistung der staatlichen Institutionen nicht als „ausreichend“ erachten, kann die Gesamtwertung eigentlich keine 3minus mehr sein.

Wünsche der Bürger

Auszug aus der Forsa Studie

Welche staatlichen Aufgaben die Bürger für wichtig oder weniger wichtig halten, ist die letzte Aussage der Umfrage: Und wieder stehen die sozialen Themen und der Klimaschutz an erster Stelle: 94 Prozent der Bevölkerung halten die Aufrechterhaltung der sozialen Gerechtigkeit für wichtig oder sehr wichtig, beim Klimaschutz sind es 84 Prozent. Auch die Entlastung der Bürger aufgrund der Inflation (87 Prozent) ist im Endeffekt nichts anderes als das Thema der sozialen Gerechtigkeit.

Diese Themen sind den Menschen wichtiger als beispielsweise die Versorgung der Ukraine mit schweren Waffen. Die humanitäre Unterstützung der ukrainischen Bevölkerung liegt allerdings 81 Prozent der Befragten am Herzen.

Die reale Welt ist nicht das Netz und auch nicht die politische Welt

Auch dieses Ergebnis entspricht nicht den Prioritäten, die die sozialen Medien suggerieren. Es entspricht auch nicht der Politik, die der eine oder andere Spitzenpolitiker vertritt. In der Bevölkerung gibt es offenbar einen großen Bedarf nach sozialer Gerechtigkeit, den die Politik momentan nicht zu erfüllen scheint.

Auch die gefühlte Wichtigkeit des Klimaschutzes sollte für manchen politisch Verantwortlichen ein Zeichen sein, sich von althergebrachten Prinzipien zu lösen. Die Umfrage zeigt deutlich, dass der Klimaschutz bereits von der absoluten Mehrheit der Menschen als „sehr wichtig“ eingeschätzt wird.

Text: Matthias Lauterer