„In Folge einer Fehlfunktion können extrem giftige Gase austreten“
Überraschende Wende beim geplanten Netzbooster-Projekt in Kupferzell: Die Riesenbatterie steht immer mehr auf wackligen Beinen.
Brandschutzexperte warnt
Transnet, das zur EnBW gehörende Unternehmen, das das Strom-Übertragungsnetz in Baden-Württemberg betreibt, hat angekündigt, eine rund fünf Fußballfelder große Mega-Batterie in Kupferzell zu bauen (GSCHWÄTZ berichtete). Bei der Risiko-Analyse beruft sich Dr. Marion Kühnle von der Interessensgemeinschaft, die die Riesenbatterie verhindern möchte, nun unter anderem auf eine Arbeit des Brandschutzexperten der Transnet, Dr. Dietmar Schelb, in der dieser die Feuerbeständigkeit von Li-Ionen-Batterien erforschte (https://crisis-prevention.de/feuerwehr/pruefung-der-feuerbestaendigkeit-von-li-ionen-batterien.html). Dr. Kühnle befürchtet: „In Folge einer Fehlfunktion können extrem giftige Gase austreten, die Batterien können brennen oder explodieren.“
Demos gegen die Riesenbatterie
Nichtsdestotrotz hält Transnet an der Idee fest, das Mega-Projekt in Kupferzell umzusetzen. Die Interessengemeinschaft „Ein Herz für Hohenlohe“ geht in die Offensive. Auf Demonstrationen und im sogenannten Energiedialog mit Vertretern von Politik und Transnet kämpfen die Aktivisten für Aufklärung – und gegen den Netzbooster in Kupferzell.
Widerprüchliche Aussagen
Das Pilotprojekt steht im Netzentwicklungsplan 2030, einem Plan, der von den deutschen Übertragungsnetzbetreibern erstellt wird (zu denen Transnet gehört). Die Transnet habe, so Kühnle, kommuniziert, dass „nur noch über das wie, nicht aber über das ob“ des Netzboosters verhandelt werde und das „mit einem klaren gesetzlichen Auftrag“ begründet, der aus dem Netzentwicklungsplan hervorgehe, erklärt Birgit Kühnle. Der Netzentwicklungsplan sei allerdings nur eine „Argumentationshilfe für das Genehmigungsverfahren und kein gesetzlicher Auftrag“. Wurde hier absichtlich falsch kommuniziert oder war die Transnet einfach nur falsch informiert über den Plan, den sie selbst mit entworfen hat? (https://www.netzentwicklungsplan.de/sites/default/files/paragraphs-files/NEP_2030_V2019_1_Entwurf_Teil1_1.pdf)
Steckt doch kein gesetzlicher Auftrag dahinter?
Dann ist da noch die Sache mit dem Bundesbedarfsplan. Transnet schreibt auf ihrer Unternehmenswebsite: „Mit der Bestätigung des Projekts durch die BNetzA geht das Projekt nun in das Verfahren zur Aufnahme in den Bundesbedarfsplan ein.“ Der Haken ist nur, dass diese Aussage im Widerspruch zu der Aussage der Bundesnetzagentur steht. Die schreibt nämlich auf Anfrage von Dr. Elmar Posiadlik-Schilling: „Sollte Ihre Anfrage in Zusammenhang mit der Netzbooster-Anlage in Kupferzell stehen, weisen wir darauf hin, dass diese als sogenannte Punktmaßnahme nicht in den Bundesbedarfsplan aufgenommen wird.“ Im Unterschied zu einer Leitungsbaumaßnahme „befindet sich eine Punktmaßnahme an einem festen Punkt“, erläutert Birgit Kühnle. Das ist dann beispielsweise ein Transformator, eine Schaltanlage oder eben die Mega-Batterie. Warum verbreitet Transnet so offensichtlich Falschmeldungen, wo doch die Bundesnetzagentur klar und deutlich verneint, dass Punktmaßnahmen, wie der Netzbooster, in den Bundesbedarfsplan aufgenommen werden? Dass das Pilotprojekt nicht aufgenommen wird, bedeutet allerdings auch, dass die sogenannte strategische Umweltprüfung, die Voraussetzung für die Aufnahme in den Bundesbedarfsplan ist, entfällt – ebenso wie die Anlagensicherheitsanalyse, die Anlagenzuverlässigkeitsanalyse und das Arbeitsschutz-, Brandschutz- und ein Rückwirkungskonzept. Stattdessen seien Wirtschaftlichkeitsberechnungen angestrengt und einige Technikfragen untersucht worden.
Rückläufiger Stromverbrauch
Interessant ist auch die Entwicklung des Stromverbrauchs in Baden-Württemberg während der letzten Jahre. Franziska Zink von der Transnet prognostiziert „der deutsche Strommarkt werde zukünftig auch eher importabhängiger“. Die Bundesnetzagentur ist bei der Rechnung auf ein etwas anderes Ergebnis gekommen. Sie rechnet 2035 mit einem deutlichen Nettoexport. Wer hat sich hier verrechnet? Dr. Marion Kühnle stellt fest: „Laut dem Energiebericht 2019 ist der Stromverbrauch in Baden-Württemberg seit 2000 nicht gestiegen, die Haushalte verbrauchen heute sogar weniger als 1991.“ Sieben Prozent, um genau zu sein. (https://www.bwagrar.de/artikel.dll/Energiebericht-Kompakt-2019-UM-BW_NjIwODEyMg.PDF?UID=E6DF6A9741E767B02F9FE1D838C7019783599B6A731EB7E4)
„Die Transnet zeigt klar auf, in Ihrem Stromnetz 2050, dass Baden-Württemberg Stromtransitland wird und der Transit und nicht der Verbrauch in Baden-Württemberg zur Überlastung der Netze führt“, geht aus einer Präsentation der Interessengemeinschaft hervor. Die Leistungsflüsse durch die HGÜ (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung) in die Schweiz zeigen laut der Interessensgemeinschaft „im Jahr 2050 einen steigenden Transportbedarf in Nord-Süd-Richtung“. Die Transnet plane demnach „Stromexport im großen Stil und spricht gleichzeitig von Importabhängigkeit“, kritisiert die Interessensgemeinschaft.
In der Bürgerinitiative gibt es einige Stimmen, wie die Kühnle-Schwestern, die einer Riesenbatterie auch aus Gründen der Marktkontrolle und der Monopolisierung kritisch gegenüberstehen. Wenn man einem Unternehmen die Möglichkeit gebe, große Mengen an Energie zu speichern und zurückzuhalten, gebe man ihm damit auch gleichzeitig die Möglichkeit, den Markt und die Preise zu kontrollieren.
Alternativstandorte müssen geprüft werden
Die überraschenden Neuigkeiten sind nun, so Kühnle, dass die Teilnehmer des Energiedialogs sich am 17. September 2020, zum Teil zähneknirschend, „darauf geeinigt haben, dass sehr wohl in Frage gestellt werden müsse, ob ein Batteriekraftwerk/Netzbooster überhaupt gebaut werden soll und dass auf jeden Fall Alternativstandorte geprüft werden müssen. Eines ist klar: Die Verhandlungen werden trotz des kleinen Etappensieges der Bürgerinitiative sicherlich nicht weniger zäh werden. Doch die Hohenloher bleiben hartnäckig. Und kämpferisch.
Weitere Artikel zu diesem Thema: https://www.gschwaetz.de/2020/08/28/transnet-kann-vorwuerfe-der-interessensgemeinschaft-nicht-nachvollziehen/ und https://www.gschwaetz.de/2020/08/17/es-ist-von-anfang-an-unheimlich-viel-im-dunklen-still-heimlich-und-leise-hinter-verschlossenen-tueren-verhandelt-worden/.
Text: Priscilla Dekorsi




