Kaum einer hat davon Notiz genommen, dass der Hohenloher Landrat Dr.Matthias Neth eine wichtige Rolle bei den grün-schwarzen Koalitionsverhandlungen übernommen hatte: Er war Mitglied der Verhandlungskommission zum Thema „Soziales“. Auch der Hohenloher Abgeordnete Arnulf von Eyb war Mitglied einer der Verhandlungsrunden: Sein Thema war Justiz und Verfassung. GSCHWÄTZ hat dies zum Anlaß genommen, Dr. Matthias Neth über seine Arbeit in dieser Kommission zu befragen. Das Interview fand in schriftlicher Form statt, die Fragen stellte Matthias Lauterer:
GSCHWÄTZ: Sie waren unseres Wissens vor Ihrem Amtsantritt als Landrat im Hohenlohekreis als „Parlamentsrat“ in Stuttgart. Können Sie diese Tätigkeit kurz beschreiben? Wie lange haben Sie diese Tätigkeit ausgeübt?
Untersuchungsausschuß Polizeieinsatz Schloßgarten
Neth: Vor meiner Zeit als Landrat habe ich in Stuttgart in der Landespolitik in verschiedenen Funktionen gearbeitet, zuletzt als Parlamentsrat im Landtag von Baden-Württemberg. Parlamentsräte arbeiten im parlamentarischen Beratungsdienst des Landtags von Baden-Württemberg. Sie unterstützen die Fraktionen und damit die Abgeordneten in ihrer Arbeit. Die Größe des Parlamentarischen Beratungsdiensts und damit die Anzahl der Parlamentsräte richtet sich nach der Größe der Fraktion. Die Parlamentsräte werden in den verschiedenen Arbeitsbereichen, also in den verschiedenen Politikfeldern, eingesetzt und „spiegeln“ sozusagen die Ministerialräte in den Zentralstellen der Landesministerien.
Meine Aufgaben waren im Lauf der Zeit der „Untersuchungsausschuss Polizeieinsatz Schlossgarten“, die Betreuung des „Arbeitskreis Verkehr und Infrastruktur“ sowie temporär die Betreuung des „Arbeitskreises Recht und Verfassung“.
GSCHWÄTZ: Wie kommt es, dass ein – ich sage es einmal überspitzt – „Landrat aus der Provinz“ von der CDU in eine Gruppe berufen wird, die den Koalitionsvertrag zum wichtigen Thema „Soziales“ mit den GRÜNEN verhandelt? Hat man sich da an Ihre damalige Tätigkeit erinnert? Oder führen Sie das auf Ihre Tätigkeit als Landrat zurück?
Neth: Ein Landrat ist für vielfältige Aufgaben zuständig. Insbesondere die örtlichen Gesundheitsämter leisten in der Corona-Pandemie enorm viel. Die Expertise eines Landrats kann den Facharbeitsgruppen hier eine differenzierte Sichtweise aus den Kommunen geben.
GSCHWÄTZ: Kam die Berufung in dieses Gremium für Sie überraschend oder war es schon vor der Landtagswahl parteiintern klar, dass Sie einem solchen Gremium angehören würden?
Neth: Ich habe die Anfrage nach der Landtagswahl bekommen. Davor war dies für mich nicht auf meiner Agenda.
GSCHWÄTZ: Was haben Sie bei der Berufung in dieses Gremium empfunden?
Neth: Ich habe mich sehr gefreut, denn durch die Mitwirkung am Koalitionsvertrag kann Landespolitik und ihre Auswirkung auf die kommunale Ebene aktiv mitgestaltet werden.
GSCHWÄTZ: Umfaßte das Thema den Bereich des von Manne Lucha geführten Ministeriums für Soziales und Integration oder wurde über weitere Themen oder weniger Themen diskutiert?
Neth: Wir haben in unserer Facharbeitsgruppe weite Teile des Geschäftsbereichs des Sozialministeriums bearbeitet – also ein sehr breites Spektrum. Der Bereich Integration war wiederum Teil einer anderen Arbeitsgruppe. Der Zuschnitt lässt sich auch aus dem Koalitionsvertrag selbst sehr gut ablesen. Vor allem die Bereiche Gesundheit und Soziales standen im Mittelpunkt, insbesondere natürlich auch die Folgen der Corona-Pandemie.
GSCHWÄTZ: In welchen der diskutierten Bereiche war Ihre Expertise besonders gefragt?
Neth: Der Koalitionsvertrag wird kollegial verhandelt, weshalb es zwar für jeden Verhandler Aufgabenschwerpunkte gab, jedes Mitglied der Verhandlungen konnte sich aber zu jedem Bereich einbringen. Besonders wichtig war mir, den Blick der kommunalen Ebene ein zu bringen. Vor allem auf der kommunalen Ebene wird Landespolitik real umgesetzt. Dies wird insbesondere in der Corona-Pandemie deutlich. Jede Arbeitsgruppe bestand aus zehn Verhandlern, also fünf pro Partei. Dazu kommen pro Partei drei Mitarbeiter. Für die CDU haben in dieser Arbeitsgruppe mit Stefan Teufel, Christine Neumann-Martin und Dr. Michael Preusch drei Abgeordnete aus dem Landtag, die Tübinger Ärztin Dr. Lisa Federle und ich verhandelt. Die Gruppe der Grünen wurde von Minister Lucha angeführt, zudem war z.B. auch der Grünen Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand dabei. Es herrschte eine ausgesprochen konstruktive Verhandlungsatmosphäre.
“ausgesprochen konstruktive Verhandlungsatmosphäre“ – und Stillschweigen
GSCHWÄTZ: Wie kann man sich den Ablauf einer Verhandlungsrunde vorstellen? Wie kann sich der Bürger eine Konsensfindung vorstellen? War es überhaupt das Ziel, in allen Punkten einen Konsens herzustellen oder wurde ggf eine Mehrheitsentscheidung getroffen?
Neth: Ich kann natürlich nur aus meiner Sicht und über meine Wahrnehmung aus meiner Gruppe sprechen. Natürlich war es bei uns das Ziel, Konsens herzustellen, damit ein guter Koalitionsvertrag und damit die Grundlage für erfolgreiche Regierungsarbeit entstehen. Über den Ablauf selbst kann ich Ihnen keine weiteren Auskünfte erteilen, da Stillschweigen vereinbart wurde. Insgesamt war dies aber eine sehr interessante und herausfordernde Aufgabe.
GSCHWÄTZ: Welches waren in der Diskussion die Schwerpunkte der GRÜNEN und welche Schwerpunkte hat die CDU eingebracht? Gab es von den beiden Parteien „unverrückbare“ Punkte, von denen man nicht abgehen will? Wenn ja, konnten diese Punkte gehalten werden?
Neth: Dieses ergibt sich schon aus den unterschiedlichen Wahlprogrammen. Wie gesagt – über den Verhandlungsverlauf ist Stillschweigen vereinbart.
GSCHWÄTZ: Bei welchen Punkten gab es die größten Meinungsunterschiede? Können Sie beispielhaft ein paar differente Punkte mit den Standpunkten der beiden Parteien benennen und darlegen, wie man sich in diesen Punkten geeinigt hat?
Neth: Über den Verhandlungsverlauf ist Stillschweigen vereinbart.
GSCHWÄTZ: An welchen Punkten des Koalitionsvertrags sieht man Ihre Handschrift?
Neth: Wie gesagt: Der Vertrag wird kollegial verhandelt, über den Beitrag der einzelnen Teilnehmer ist Stillschweige0n vereinbart.
CDU-Kernthemen sind elementar vertreten
Unsere Kernthemen wie Sicherheit, Innovation, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Zusammenhalt sind elementar vertreten. Das war uns als CDU wichtig. Insgesamt bin ich fest davon überzeugt, dass das Kapitel Soziales – ebenso wie der ganze Koalitionsvertrag – eine gute Grundlage für die nächsten 5 Jahre für unser Land bildet.
GSCHWÄTZ: Welches sind für Sie die 3 wichtigsten Punkte aus dieser Runde, die die Baden-Württembergische Politik der nächsten Legislaturperiode am meisten beeinflussen werden?
Neth: Im Kapitel 6 sind als wichtigste Punkte für mich der Umgang mit der Pandemie, das klare Bekenntnis zu einer funktionierenden dualen Krankenhausfinanzierung und die Betonung der sozialen Aufgaben zu nennen. Unabhängig vom Kapitel Soziales hat der ganze Koalitionsvertrag klare Schwerpunkte: Klimaschutz, Digitalisierung, Sicherheit, Demokratiestärkung und natürlich die Situation nach der Corona Pandemie. Auch wenn das jetzt mehr als drei Punkte sind.
GSCHWÄTZ: Sie haben ja Ihrer Bewerbungsrede vorangeschickt, dass Ihr Sprung ins Jahr 2037 nicht bedeuten muss, dass Sie bis dahin noch Landrat des Hohenlohekreises sind. Wie sehen Sie Ihre fernere berufliche Zukunft über die 8-jährige Amtsperiode, für die Sie gerade neu gewählt wurden, hinaus? Sie sind jetzt 41 Jahre alt, es ist also noch Zeit für den ein oder anderen Karrieresprung. Offenbar sind sie „dicht dran“ an der Landespolitik – können Sie sich in der Zukunft eine Position in einer Landesregierung, als Staatssekretär oder Minister, oder auch in der Bundespolitik vorstellen? Oder denken Sie eher daran, die Politik zu verlassen?
Neth: Hier geben Sie meine Rede nicht ganz richtig wieder. Ich habe gesagt, dass der Kreistag am Wahltag 2021 nicht bis ins Jahr 2037, sondern für 8 Jahre wählt – meine Agenda aber darüber hinaus reicht. Ich kann mir keine schönere Tätigkeit vorstellen, als Landrat im Hohenlohekreis zu sein. Momentan bin ich 41 Jahre alt, auf 8 Jahre gewählt und fühle mich mit meiner Familie hier sehr wohl!
Für die erfolgreiche Gestaltung des Hohenlohekreises ist ein enger Austausch mit der Landespolitik zwingend und gehört seit Beginn meiner Amtszeit ganz wesentlich zu meinem beruflichen Alltag – sei es über die Arbeit im Landkreistag Baden-Württemberg oder über den Kontakt zum Land in vielen Fragestellungen, beispielsweise Straßen, Krankenhausstrukturen, Abfallbeseitigung und vieles mehr. Nochmal: Landespolitik wird vor Ort Wirklichkeit – in allen Politikbereichen.