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„Das hält uns irgendwie am Leben“

Es herrscht eine ruhige Frühlingsabendstimmung, letzte Sonnenstrahlen scheinen aufs Dorf. Im Hintergrund ist „Into the great wide open“ zu hören, am Bach sitzen zwei junge Männer und genießen gemeinsam den Sonntag, die Musik, eine Zigarette und ein Bier.

Die Musik ist live, ganz verstreut spielen die Musiker. Bassist Sebastian Hettinger steht auf einem Balkon, Timo Pfeiffer sitzt mit seinem Sohn vorm Haus im Gras, weiter hinten ist das Schlagzeug von Christian Feser aufgebaut und Gitarrist Oliver Dörr steht auf der anderen Straßenseite. Die Band Keep alive gibt ein Coronakonzert.

Coronakonzert „Für uns und für die Menschheit“ 

Timo Pfeiffer, der Sänger der Gruppe, erläutert: „Die Idee ist weltweit aktuell momentan. Immer sonntags um 18 Uhr sollen Musiker ihre Fenster und Türen öffnen und ein Lied spielen. „Freude schöner Götterfunken“ soll’s eigentlich sein, leider können wir das nicht.“ Er lächelt hintergründig. „Drum haben wir uns gesagt, setzen wir uns in den Garten und spielen ein paar Lieder aus unserem Repertoire. Für uns und für die Menschheit.“ Sie spielen aber nicht aus dem Fenster, denn „Wir haben leider nicht 4 oder 5 Häuser nebeneinander. Aber wir waren ja Corona-konform, haben gut Abstand gehalten. Mein Sohnemann, mit dem ich den ganzen Tag unterwegs bin, der durfte etwas näher zu mir.“

„Den Menschen tut das gut“

Rund um die Band, mit Abstand, das Publikum. Isabell aus Marlach findet es „wunderbar. Die Jungs machen das spitze. Es macht Spaß und das Allerwichtigste: Es tut den Menschen gut.“

Oliver Dörr, Gitarrist der Band, nennt ein paar Lieder, die zu Corona passen: „Was wir seit kurzem im Programm haben ist „Dancing with myself“ von Billy Idol. Was wir heute nicht gespielt haben, ist „Hinterm Horizont geht’s weiter“ von Udo Lindenberg.“

Rund 15 Auftritte abgesagt: „Das ist extrem schwierig“

Das Veranstaltungsverbot trifft die Band hart: „Das ist extrem hart, extrem schwierig. Wir haben uns seit fünf Wochen nicht mehr gesehen, es macht jeder für sich ein wenig Musik zuhause. Aber wir jammern da auf hohem Niveau, wir machen das hobbymäßig.“ Etwa 15 Auftritte wurden für die Band bis zum Sommer abgesagt, keine angenehme Situation, aber Oliver Dörr relativiert: „Es gibt natürlich Musiker und Künstler, die leben davon und die trifft das viel härter als uns.“

Für Daniel aus Westernhausen ist es eine „gelungene Abwechslung, dass man sich ein wenig hinsetzen kann, natürlich mit dem Abstand, der eingefordert ist. Eine coole Idee auf jeden Fall.“ Sein Freund Simon ergänzt: „Hammer Musik. Ich muss sagen, mir gefällt eigentlich jedes Lied von Keep alive, weil’s Stimmung macht.“ So spricht ein echter Fan.

Am Ende wird Oliver Dörr, passend zum Namen der Band, besinnlich: „Was wir jetzt heute gemacht haben, ist natürlich etwas ganz Besonderes, das man nicht vergisst. Das hält uns irgendwie zusammen und am Leben.“

Video: Dr. Felix Kribus

Text: Matthias Lauterer

 

Foto: GSCHWÄTZ

Die Band keep alive bei ihrem Auftritt am Sonntag, den 26. April 2020, in Marlach. Fotos: GSCHWÄTZ

Die Zuschauer sind begeistert. Foto: GSCHWÄTZ

 




Marlach: Band keep alive gibt kleines Corona-Straßenkonzert am Ostersonntag

„Musik verbindet“ – dessen ist sich die Band keep alive mit Bandmitgliedern aus Sindeldorf, Westernhausen, Criesbach und Marlach sicher – auch in Coronazeiten. Daher traf sich ein Teil der Band an Ostern 2020 spontan zu einem kleinen Straßenkonzert in Marlach.

„Aktuell ist ja leider nichts mit proben und auch einige Auftritte wurden schon abgesagt. Da haben wir überlegt, wie wir trotzdem irgendwie zusammen musizieren können“, erklärt Bassist Sebastian Hettinger (32) gegenüber GSCHWÄTZ.

So habe sich ein Teil der Band spontan am Ostersonntag, den 12. April 2020, gegen 18.15 Uhr in Marlach getroffen, um dort zwei bis drei Lieder zusammen zu spielen. Sänger Timo Pfeiffer (42) und Gitarrist Noa Pfeiffer (16) platzierten sich dabei zwischen zwei Häusern. In einem der beiden Häuser hat wiederum Bassist Sebastian Hettinger seine Wohnung und hat vom Balkon aus gespielt. Nachbar Armin Walter vertrat den eigentlichen Schlagzeuger der Band, Christian Feser (31).

Das Fazit der Band, auch in Coronazeiten: „Musik verbindet einfach.“ Das kleine Experiment sei gut angekommen. Und „vielleicht schaffen wir es auch, so etwas nochmal hinzubekommen.“

 

Teile der Band keep alive gaben am Ostersonntag, den 12. April 2020, ein kleines Corona-Straßenkonzert. Foto: Screenshot aus dem Video




Besuch in einer Joghurtmanufaktur in Marlach

Es ist ein warmer Frühlingstag, als ich auf dem Hof von Familie Reuther in Marlach ankomme. Ich sehe mich erst einmal etwas um, werde dabei neugierig aus großen Augen beobachtet und mit einem lauten „Muuuhhh“ begrüßt. Die vierbeinigen Kolleginnen liefern die Grundlage für das Milchhandwerk Marlach. Aus der Rohmilch vom Hof ihres Bruders Bernd Reuther macht Karin Reuther-Gruschka Joghurt in zahlreichen Sorten, die ausschließlich über den Hofladen und regional vertrieben werden.

 

Über 20 Joghurtsorten

Von der Idee bis zum ersten Becher Joghurt vergingen gut fünf Jahre. Die Idee selbst keimte in Karin Reuther-Gruschka auf, als ihr Bruder 2009 den neuen Aussiedlerhof am Ginsbacher Weg in Marlach baute. Unter Freunden und Bekannten wurde sie wegen ihres Traumes oft belächelt, nicht zuletzt da sie und ihr Mann beide aus der Textilbranche stammen. Doch sie ließ sich nicht abbringen und arbeitete kontinuierlich an der Realisierung ihrer kleinen Hofmolkerei. Neben dem Bau erfolgten zahlreiche Aus- und Weiterbildungen in Molkereifachschulen in Kempten, Wangen und Triesdorf, bis sie schließlich im November 2014 den Betrieb im neuen Gebäude aufnehmen konnte. Nach inzwischen rund zweieinhalb Jahren bietet sie unter dem Namen „mhm… milch. handwerk. marlach.“ bereits über 20 Joghurtsorten an. Zudem gibt es in dem kleinen Selbstbedienungsladen Molkedrinks, Blütenhonig von Marlacher Bienen und frische Rohmilch, die sich die Kunden aus dem Milchautomaten zapfen.

Der Joghurt trägt die Namen von Kühen.
Foto: GSCHWÄTZ/Cwik

Vollzeit im Milchhandwerk und pro Woche mehrere hundert Liter Joghurt herstellen.

Nachdem Frau Reuther-Gruschka die Hofmolkerei anfangs nebenberuflich betrieb, musste sie ihren ursprünglichen Job aufgrund der schnell steigenden Nachfrage bald darauf auf 50 Prozent reduzieren. Mittlerweile arbeitet sie Vollzeit im Milchhandwerk und stellt zweimal pro Woche jeweils rund 300 Liter Joghurt aus frischer Rohmilch her. Diese Rohmilch wird direkt vom Hof ihres Bruders in den Pasteur gepumpt, in dem sie etwa 20 Minuten lang auf 85 Grad erhitzt und damit pasteurisiert wird. Im Anschluss kühlt der Pasteur die Milch auf 42 Grad ab und sie fügt die Joghurtkulturen hinzu. Bei dieser Temperatur ruht die Milch dann über Nacht für etwa neun bis zehn Stunden und es entsteht Joghurt. Da Frau Reuther-Gruschka ihren Joghurt gerne etwas säuerlicher mag, achtet sie am Morgen darauf, dass der ph-Wert dementsprechend maximal 4,5 erreicht.

Herstellung des Joghurts ohne Zusatz von Zucker.
Foto: privat

Die Reuthers stellen nach eigener Angabe Produkte mit Charakter her.

Den Joghurt gibt es in zwei verschiedenen Grundvarianten: der normalen, etwas flüssigeren und der abgetropften, die in der Konsistenz etwas an Quark erinnert. Für die abgetropfte Variante wird vom fertigen Joghurt ein Teil abgeschöpft und auf ein dünnes Vlies gegeben. So tropft die Molke aus dem Joghurt und das fertige Produkt erhält eine festere Konsistenz. Aus der Molke werden im Anschluss Molkedrinks hergestellt. Der abgetropfte Joghurt wird auf einem Fruchtspiegel in einen Becher abgefüllt und der normale Joghurt als Naturjoghurt oder vermischt mit einer Fruchtzubereitung als Fruchtjoghurt abgefüllt. Die Reuthers stellen nach eigener Angabe Produkte mit Charakter her. Daher tragen die Joghurts die Namen der Kühe und heißen beispielsweise Violetta (Vanille), Hanna (Himbeere), Edda (Erdbeere) oder Maja (Pfirsich-Maracuja).

 

„Unsere Kunden ist Regionalität wichtiger als bio.“

Bis auf die Fruchtzubereitungen kommen alle Zutaten beim Milchhandwerk aus der Region und das Futter für die Milchkühe ist frei von Gentechnik. Auf die Nachfrage, ob bio ein Thema wäre, sagt Frau Reuther-Gruschka: „Unsere Kunden ist Regionalität wichtiger als bio.“ Doch was unterscheidet den Joghurt der Hofmolkerei vom industriell hergestellten Joghurt? In der industriellen Produktion wird der Milch zuerst Fett entzogen und anschließend im gewünschten Maß wieder zugeführt. Die Milch wird neben dem Pasteurisieren homogenisiert. Das bedeutet vereinfacht dargestellt, dass die Fettmoleküle unter großem Druck in winzig kleine Partikel zerteilt werden. Dadurch setzt sich in der Milch beziehungsweise im späteren Joghurt keine Rahmschicht am oberen Rand ab. Auf den Zusatz von Milchpulver, Zucker oder Verdickungsmitteln wird darüber hinaus verzichtet. Zucker ist lediglich in den Fruchtzubereitungen enthalten. Für Ungeduldige liegen im Hofladen Löffel bereit. Die Kunden legen den entsprechenden Betrag in die Kasse. Das funktioniert super. „Joghurtesser sind ehrliche Menschen“, sagt Sven Gruschka lachend.

Text: Nadine Cwik

Erschienen in unserem Print-Magazin Ausgabe 09 / Juli 2017