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Besuch in einer Joghurtmanufaktur in Marlach

Es ist ein warmer Frühlingstag, als ich auf dem Hof von Familie Reuther in Marlach ankomme. Ich sehe mich erst einmal etwas um, werde dabei neugierig aus großen Augen beobachtet und mit einem lauten „Muuuhhh“ begrüßt. Die vierbeinigen Kolleginnen liefern die Grundlage für das Milchhandwerk Marlach. Aus der Rohmilch vom Hof ihres Bruders Bernd Reuther macht Karin Reuther-Gruschka Joghurt in zahlreichen Sorten, die ausschließlich über den Hofladen und regional vertrieben werden.

 

Über 20 Joghurtsorten

Von der Idee bis zum ersten Becher Joghurt vergingen gut fünf Jahre. Die Idee selbst keimte in Karin Reuther-Gruschka auf, als ihr Bruder 2009 den neuen Aussiedlerhof am Ginsbacher Weg in Marlach baute. Unter Freunden und Bekannten wurde sie wegen ihres Traumes oft belächelt, nicht zuletzt da sie und ihr Mann beide aus der Textilbranche stammen. Doch sie ließ sich nicht abbringen und arbeitete kontinuierlich an der Realisierung ihrer kleinen Hofmolkerei. Neben dem Bau erfolgten zahlreiche Aus- und Weiterbildungen in Molkereifachschulen in Kempten, Wangen und Triesdorf, bis sie schließlich im November 2014 den Betrieb im neuen Gebäude aufnehmen konnte. Nach inzwischen rund zweieinhalb Jahren bietet sie unter dem Namen „mhm… milch. handwerk. marlach.“ bereits über 20 Joghurtsorten an. Zudem gibt es in dem kleinen Selbstbedienungsladen Molkedrinks, Blütenhonig von Marlacher Bienen und frische Rohmilch, die sich die Kunden aus dem Milchautomaten zapfen.

Der Joghurt trägt die Namen von Kühen.
Foto: GSCHWÄTZ/Cwik

Vollzeit im Milchhandwerk und pro Woche mehrere hundert Liter Joghurt herstellen.

Nachdem Frau Reuther-Gruschka die Hofmolkerei anfangs nebenberuflich betrieb, musste sie ihren ursprünglichen Job aufgrund der schnell steigenden Nachfrage bald darauf auf 50 Prozent reduzieren. Mittlerweile arbeitet sie Vollzeit im Milchhandwerk und stellt zweimal pro Woche jeweils rund 300 Liter Joghurt aus frischer Rohmilch her. Diese Rohmilch wird direkt vom Hof ihres Bruders in den Pasteur gepumpt, in dem sie etwa 20 Minuten lang auf 85 Grad erhitzt und damit pasteurisiert wird. Im Anschluss kühlt der Pasteur die Milch auf 42 Grad ab und sie fügt die Joghurtkulturen hinzu. Bei dieser Temperatur ruht die Milch dann über Nacht für etwa neun bis zehn Stunden und es entsteht Joghurt. Da Frau Reuther-Gruschka ihren Joghurt gerne etwas säuerlicher mag, achtet sie am Morgen darauf, dass der ph-Wert dementsprechend maximal 4,5 erreicht.

Herstellung des Joghurts ohne Zusatz von Zucker.
Foto: privat

Die Reuthers stellen nach eigener Angabe Produkte mit Charakter her.

Den Joghurt gibt es in zwei verschiedenen Grundvarianten: der normalen, etwas flüssigeren und der abgetropften, die in der Konsistenz etwas an Quark erinnert. Für die abgetropfte Variante wird vom fertigen Joghurt ein Teil abgeschöpft und auf ein dünnes Vlies gegeben. So tropft die Molke aus dem Joghurt und das fertige Produkt erhält eine festere Konsistenz. Aus der Molke werden im Anschluss Molkedrinks hergestellt. Der abgetropfte Joghurt wird auf einem Fruchtspiegel in einen Becher abgefüllt und der normale Joghurt als Naturjoghurt oder vermischt mit einer Fruchtzubereitung als Fruchtjoghurt abgefüllt. Die Reuthers stellen nach eigener Angabe Produkte mit Charakter her. Daher tragen die Joghurts die Namen der Kühe und heißen beispielsweise Violetta (Vanille), Hanna (Himbeere), Edda (Erdbeere) oder Maja (Pfirsich-Maracuja).

 

„Unsere Kunden ist Regionalität wichtiger als bio.“

Bis auf die Fruchtzubereitungen kommen alle Zutaten beim Milchhandwerk aus der Region und das Futter für die Milchkühe ist frei von Gentechnik. Auf die Nachfrage, ob bio ein Thema wäre, sagt Frau Reuther-Gruschka: „Unsere Kunden ist Regionalität wichtiger als bio.“ Doch was unterscheidet den Joghurt der Hofmolkerei vom industriell hergestellten Joghurt? In der industriellen Produktion wird der Milch zuerst Fett entzogen und anschließend im gewünschten Maß wieder zugeführt. Die Milch wird neben dem Pasteurisieren homogenisiert. Das bedeutet vereinfacht dargestellt, dass die Fettmoleküle unter großem Druck in winzig kleine Partikel zerteilt werden. Dadurch setzt sich in der Milch beziehungsweise im späteren Joghurt keine Rahmschicht am oberen Rand ab. Auf den Zusatz von Milchpulver, Zucker oder Verdickungsmitteln wird darüber hinaus verzichtet. Zucker ist lediglich in den Fruchtzubereitungen enthalten. Für Ungeduldige liegen im Hofladen Löffel bereit. Die Kunden legen den entsprechenden Betrag in die Kasse. Das funktioniert super. „Joghurtesser sind ehrliche Menschen“, sagt Sven Gruschka lachend.

Text: Nadine Cwik

Erschienen in unserem Print-Magazin Ausgabe 09 / Juli 2017