Girls off – mit dem Campervan auf ladies tour
Noch haben Frauen am Steuer eines Campers Seltenheitswert – und in der Regel gibt es diesen Anblick auch nur in Kombination mit einem Mann auf dem Beifahrersitz, der ausnahmsweise mal nicht am Steuer sitzt und instruiert, wie Frau am besten zu fahren hat.
Wir haben es dennoch gewagt und haben als Mädchen einen Campervan gemietet, um damit ein wenig Klein-Europa zu erkunden. Bei der Auswahl war es uns wichtig, wegen des Handlings kein allzu großes Modell für den Start zu wählen, sondern am liebsten einen umgebauten Bus, einen Multivan California etwa, die derzeit sehr beliebt bei jungen Pärchen auf Reisen sind. Da aber auch eine Dusche und ein WC mit an Bord sein sollten, wurde es letztendlich ein VW Grand California – mit immerhin knapp 6 Metern Länge und stattlichen 3,20 Meter in der Höhe. Wir mieteten das Modell übers Internet bei Off Campers (früher: Camper boys), die mehrere Standorte haben, unter anderem in Ostfildern (Stuttgart). Camper off hat eine eigene App mit zahlreichen Erklärvideos zu den einzelnen Fahrzeugen und deren Technik und Benutzung (Toilette, Markise, Herd, Heizung, Wasser etc.). Damit fühlte man sich schon vorab als technischer Anfänger, was Wohnmobile angeht, gut vorbereitet.
Bei der Übergabe ging ein Mitarbeiter nochmal alle technischen Dinge mit einem durch. Dabei haben wir noch ein zusätzliches Versicherungspaket für 179 Euro mit 0 Euro Selbstbeteiligung anstatt 1.500 Euro (im Falle eines Totalschadens etwa) gebucht – was wir aber letzten Endes nicht gebraucht haben, da alles problemlos lief – keine abgefahrener Spiegel, Streifspuren oder ähnliches. Falls wir unterwegs technische Probleme oder einen Unfall gehabt hätten, hatten wir eine Notfallnummer von Off Camper mit an Bord. Das Fahrzeug ließ sich leicht fahren, durch die insgesamt vier Spiegel an der Fahrer- und Beifahrertüre und die Rückfahrkameras hatte man stets einen guten Überblick. Selten gab es Situationen, bei denen man sich ein kleineres Fahrzeug herbeigewünscht hätte – aber drei davon haben auch wir erlebt.
Unser Urlaubsziel war die Schweiz – und hier ist ja bekanntlich alles etwas kleiner und schnuckeliger. Im Internet wurde von anderen Campern (!) der Klöntaler See angepriesen – ein Geheimtipp für Naturcamping. Die Landschaft dort ist wirklich beeindruckend vielfältig, da der See in einer Senke umringt von Berggipfeln liegt. Auf der einen Seite waren die Berggipfel bestückt mit grünen Tannen, auf der anderen Seite taten sich weiße Gletscherzipfel vor einem auf. Die Anfahrt zu diesem See war weniger erstrebenswert. Ohne Vorwarnung wurden die Straßen an dem immer steiler werdenden Bergmassiv immer kleiner. Knapp 6 Kilometer fuhr man teils mit Gegenverkehr auf einer Straße, die eigentlich nur Platz für ein Fahrzeug bot. Jedes Mal, wenn sich eine Kurve auftat und man um einen Bergvorsprung herumfahren musste, beteten wir, dass kein anderes Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit entgegenkam und uns erst zu spät sah, denn ausweichen war aufgrund der Größe unseres Campers eigentlich unmöglich. Zum Aneinandervorbeikommen gab es an verschiedenen Stellen lediglich Ausweichbuchten.
Der See selbst hatte bestimmt schon mal mehr Wasser gesehen. Wir waren Anfang April dort. Der Wasserstand war um mehr als die Hälfte niedriger als sonst. Wir blieben hier eine Nacht autark stehen und genossen die Stille um uns herum, da die Tourismus-Saison hier noch nicht eingeläutet war. Beeindruckende Wanderwege taten sich vor uns auf. Die Autobatterie hielt insgesamt zwei Tage problemlos durch. Um den See herum oder daran vorbei konnte man nicht fahren, da die Straße wegen Bauarbeiten zwar nicht gesperrt, aber so eng war, dass man mit einem Camper unserer Größe nicht durchkam. Also hieß es: Dasselbe enge Bergsträßchen wieder zurück. Die zwei weiteren kleinen Hindernisse, die mit unserem Campervan kein Durchkommen ermöglichten, waren einmal eine kleine Unterführung zu einem Campingplatz direkt am Schweizer Walensee. Aber hier war eine Umfahrung über eine andere Straße problemlos möglich. Dann scheiterten wir noch an einer Schranke auf einer Autobahnraststätte mit einer Durchfahrtshöhe von 2,50 Meter. Also mussten wir hier zurücksetzen und unser Fahrzeug auf den Lkw-Parkplätzen abstellen.
Alles andere war kein Problem, auch in der Schweiz nicht. Bei unseren Campingplätzen suchten wir uns naturnahe Plätze entweder direkt am Waldrand oder am Wasser aus. Die Preise lagen dabei zwischen 30 und 65 Euro – jeweils mit Strom. Der Campingplatz direkt am Strand des Walensees in der Schweiz im Kanton Sankt Gallen kostete 50 Euro pro Nacht. Das Anstöpseln des Stroms an den Plätzen war kein Problem. Das mitgelieferte Kabel mi Verlängerung passte immer und in der Schweiz gab es Adapter dazu. Zum Entleeren der Abwassertanks genügt es, einen Hebel umzulegen. Entweder gab es Schächte, über die man darüber fahren musste, um das Wasser abzulassen oder Schläuche mit einem Trichter am Ende. Beide Methoden waren mühelos machbar.
Unser VW Camper war relativ neu und hatte einen kleinen Bordcomputer, bei dem man alle Füllstände (Wasser, Abwasser) abrufen konnte. Mit eine Klick konnte die Heizung mit der gewünschten Innentemperatur angeschaltet werden. Diese lief fast geräuschlos und heizte das Fahrzeug schnell auf. Man musste keine Angst haben, dass die Gasflasche irgendwann leer war, da die Standheizung über den Dieseltank lief. Da es bei uns noch relativ frisch in der Nacht war, ließen wir die Heizung die ganze Nach über laufen. Sie verbrauchte dabei so wenig Diesel, dass sich der Tankfüllstand auf dem Tacho kaum verändert hat. Die Gasflasche, die sich im Kofferraum befindet, benötigten wir lediglich für den Gasherd, der ebenfalls mit einem Knopfdruck ohne Feuerzeug angeschaltet werden konnte. Das Auf- und Zudrehen des Gashahnes wie früher war bei unserem Modell nicht mehr nötig, da die Gasflasche einen speziellen Auffahrschutz hat und bei einem Unfall dadurch nichts passieren kann.
Wir benutzten fast ausschließlich die Dusche und die Toilette im Camper. Das Frischwasser haben wir in der Urlaubswoche einmal nach zwei Tagen wieder komplett aufgefüllt, nachdem er halb leer war nach dem Duschen. Das Abwasser haben wir lediglich am Ende vor der Rückgabe komplett entleert. Die Toilette haben wir zweimal leeren müssen. Alles in allem waren die technischen Dinge absolut machbar und insgesamt wenig zeitaufwändig.
Unsere Stellplätze, die wir alle sehr empfehlen können, in einem kurzen Überblick:
# Camping mit Hund Deluxe. Im kleinen aber feinen Lynx Camp im Schwarzwald kann der Vierbeiner auch ohne Leine außerhalb vom Camper spazieren gehen, da jeder Stellplatz eingezäunt ist. Zudem gibt es einen Freilauf-Spielplatz mit Parcours für alle Hunde. Direkt am Waldrand mit Wanderwegen im Schwarzwald gelegen. Preis für uns pro Nacht an Ostern: 65 Euro. Anmeldung und Check-in geht nur online beziehungsweise autark, ist aber sehr einfach und problemlos. Ohne Vorreservierung ist eine spontane Anfahrt laut der Homepage nicht möglich. Da wir eine Toilette und eine Dusche an Bord hatten, hat es uns nichts ausgemacht. Andere Reisende bemängeln aber, dass es nur eine Dusche und eine Toilette an dem Campingplatz gibt. Es gibt hier aber einen Duschplan, in dem man sich dann einfach eintragen kann. Zu dem Zeitpunkt, an dem wir dort waren, waren auch relativ wenige Camper dort.
# Camping Murg am Walensee im Kanton Sankt Gallen. Direkt am Wasser darf man hier seinen Camper parken. Einen Strand und einen Hundestrand gibt es ebenfalls. Die Aussicht ist daher grandios. Die Plätze sind alle groß genug, um neben dem Camper noch eine Markise auszufahren und Tisch und Stühle hinzustellen. Vom Walensee hat man diverse Ausflugsmöglichkeiten. Wir waren unter anderem in der Tamina Therme mit Quellwasser und atemberaubender Aussicht. Mit einem kleinen Boot konnte man vom Campingplaz auf die andere Seite des Walensees gefahren werden. Dort wartet das autofreie Weindörfchen Quinten. Hier ist das Mikroklima mediterran, was den Weinanbau und das Wachsen von Feigen- und Kiwibäumen fördert. Auch dieser Besuch hat sich in jedem Fall gelohnt. Darüber hinaus gibt es noch diverse Wandergebiete, unter anderem durch einen der größten Kastanienwälder der Schweiz. Wir haben 50 Euro pro Nacht auf diesem Campingplatz bezahlt.
# Schwarzwald Camping Altensteig. Interessant für alle Hohenloher: Begrüßt wird man, wenn man Glück hat, von einem Öhringer, der in den Schwarzwald „ausgewandert“ ist und seitdem auf dem Campingplatz arbeitet. Hier gibt es sehr viele Langzeitcamper. Die, die wie wir nur spontan und kurz quasi als Durchfahrtsetappe vorbeischneien, haben die Auswahl zwischen diversen Abstellmöglichkeiten direkt am Fluss und angrenzend an Wald- und Wanderwegen durch den Schwarzwald. Es gibt hier keine abgesteckten Parzellen, sondern große Wiesen. Der Platz kostete uns 31 Euro pro Nacht. Auch von diesem Standort kann man zahlreiche Ausflüge machen, unter anderem zu einer Rodelbahn und zum Adventure Golf. Ein netter Biergarten am Wasser und zwei Riesentrampoline für Kinder befinden sich direkt auf dem Campingplatz.