Am Donnerstag, den 21. Januar 2021, dem zweiten Verhandlungstag des Hohebacher Scheunenbrandprozesses (wir berichtetenhttps://www.gschwaetz.de/2021/01/08/beschuldigter-schickte-laut-eigenen-aussage-dickpics-an-ehefrau-von-hochrangigem-hohenloher-politiker/ / https://www.gschwaetz.de/2021/01/08/wie-man-einen-partisanenkrieg-durchfuehrt-so-nuechtern-habe-ich-das-geplant/ versucht das Gericht, mehr über die Vorgeschichte des Scheunenbrands und den Brand an sich zu erfahren. Als erster Zeuge ist der Eigentümer der in Band gesetzten Scheune, Herr E., geladen. Er berichtet, dass er den Beschuldigten Bernd K. auf einem Treffen der örtlichen Motorradfreunde an Pfingsten 2019 kennengelernt habe. Schon damals sei ihm aufgefallen, dass K. „ein Schwätzer“ gewesen sei. So habe er ihm beim ersten Treffen bereits von hohen Geldforderungen an ein lokales Unternehmen berichtet, die er jetzt einziehen lassen wollte.
„Ich kann doch da nichts herausgeben, das ist doch für mich nicht zuzuordnen“
„Ungefähr im Juni oder Juli“ 2019 habe Bernd K. ihn über eine Bekannte fragen lassen, ob er einige Möbel für einige Monate bei ihm unterstellen könne. Man habe sich auf eine geringe Miete geeinigt und Bernd K. habe die Möbel untergestellt. Anfangs seien tatsächlich Möbel, Schränke, Regale und dergleichen sowie Papiere untergestellt gewesen, er habe sich dann aber nicht weiter darum gekümmert. Von einem Computer, der am ersten Prozesstag eine Rolle gespielt hat, weil er laut Bernd K. angeblich wichtige Daten enthalten habe, erwähnt E. nichts. Der Zeitraum habe sich verlängert, da Bernd K. einen Krankenhausaufenthalt gehabt habe – auch das sei für E. kein Problem gewesen. Später habe sich herausgestellt, dass einige der Möbel nicht Bernd K., sondern dessen ehemaligem Vermieter gehört hätten. „Ich kann doch da nichts herausgeben, das ist doch für mich nicht zuzuordnen“, daher habe E., so erklärt er es als Zeuge vor Gericht, zum damaligen Zeitpunkt dem Vermieter nicht helfen können.
Betreuerin half weiter
Anfang 2020 habe sich eine Frau R. bei ihm gemeldet, die Betreuerin von Bernd K., und sich umgehend um die Bezahlung der ausstehenden Miete gekümmert. Er habe erfahren, dass Bernd K. und sein ehemaliger Vermieter über die gegenseitige Herausgabe von Gegenständern verhandelt hätten und als im April eine Liste der Gegenstände angefertigt wurde, habe er sich gedacht „dann sind die sich wohl einig geworden“. Kurz vor dem vereinbarten Termin zum Austausch sein K dann nochmal zu ihm gekommen, um den Austausch zu verhindern, aber Frau R. habe ihm versichert, dass alles in Ordnung gehe. Im Zuge des Austauschs seien dann unter anderem zwei Motorräder eingestellt worden. Ein juristisches Dokument zu diesem Tausch habe E nicht gesehen.
„Mir ist das dann suspekt geworden“
Anfang Juni habe ihm Bernd K. „Ärger mit dem Finanzamt“ angedroht. „Mir ist das dann suspekt geworden“, sagt Herr E. Ein seltsames Zusammentreffen schildert E: Bernd K. sei offenbar zu Fuß aus Unterbalbach gekommen und habe scheinbar einen Rucksack in den an der Scheune gelagerten Hackschnitzeln versteckt gehabt – da hatte Herr E. genug und er habe Bernd K. ein Hausverbot ausgesprochen. Danach habe er ihm das Mietverhältnis per SMS gekündigt und den Schlüssel zurückgefordert. Brnd K. hat die Kündigung bestätigt. Das Gericht liest die Nachrichten aus den Akten vor: Sie sind lang, höflich und geschäftsmäßig formuliert.
Als Bernd K. den Schlüssel nicht zurückgegeben habe, habe Herr E.E das Schloss ausgetauscht und mehrere Schlüssel anfertigen lassen und er habe K. darüber informiert und ihm die Kosten in Rechnung gestellt, danach habe „Funkstille“ geherrscht.
„Großer Bahnhof, die ganze Feuerwehr war da“
Den Brandtag schildert Herr E. wie folgt: Er habe in der Frühe das Martinshorn gehört, sei dann kurz vor sechs in der Arbeit gewesen und habe kurz nach 6 Uhr den Anruf erhalten: „Die Feldscheuer brennt“. An der Feldscheuer angekommen war dort „großer Bahnhof, die ganze Feuerwehr war da“. Es seien Bretter teils durchgebrannt gewesen. Es sei ihm sofort klar gewesen, dass es sich um eine Brandstiftung gehandelt hat, da es mehrere Brandherde gegeben habe.
Seinen Schaden beziffert E auf 6.500 Euro für die Reparaturarbeiten an der Scheune, dazu 2.500€ Eurofür den Feuerwehreinsatz. Wäre die Scheune komplett abgebrannt und die darin untergestellten Fahrzeuge und Maschinen zerstört worden, wäre ein Schaden von fast einer halben Million Euro entstanden. Seit der Tat habe es keinen Kontakt mehr mit Bernd K. gegeben, auch der Dauerauftrag für die Miete sei storniert worden.
Anwalt versucht, die Schwere der Brandstiftung gering zu halten
Anwalt Donath, der Anwalt des Beschuldigten, versucht noch, darauf hinzuarbeiten, dass die Scheune nicht „gebrannt“ habe, die Fotos aus der Akte zeigen jedoch Brandspuren, zum Beispiel an einem Eckpfosten.
Der Beschuldigte nutzt sein Fragerecht zur Konstruktion einer Verschwörung von dem ehemaligem Vermieter, Herr E und der Betreuerin R, denen er „räuberische Erpressung“ vorwirft.
Der Mann, der Schlimmeres verhindert hat
Der zufällige Zeuge, der den Brand zuerst bemerkt hat, wird als nächster befragt: Er gibt an, mit seinem LKW bei dem schönen Wetter mit offenem Fenster unterwegs gewesen zu sein und einen Brandgeruch bemerkt zu haben. Daraufhin habe er angehalten, sei zu den Scheunen gelaufen und hätte dort Rauch festgestellt. Umgehend habe er – laut den Unterlagen des Gerichts war das um 05:12 Uhr – Feuerwehr und Polizei alarmiert. „Gebrannt haben sie nicht, nur geraucht“, berichtete er über den Zustand der Brandnester bei seiner Ankunft. Er selber sei Feuerwehrmann und habe keinen Grund gesehen, unmittelbar einzugreifen. Die eintreffende Feuerwehr habe die Nester dann gelöscht.
Bericht der Polizei vor Ort
Routiniert trägt der Zeuge D seine Personalien vor – kein Wunder: Als Kriminalkommissar tut er das sicherlich des Öfteren. Er sei wegen des Notrufs zur Scheune geschickt worden und dort gegen 05:30 eingetroffen, zu diesem Zeitpunkt sei ein Teil der Feuerwehr bereits vor Ort gewesen. „Manche Bretter waren in Brand geraten“ sagt er und betonte, dass Flammen zu sehen gewesen seien, „allerdings keine Stichflammen“. Er berichtet aber auch von mindestens einem Brandnest, das nicht gezündet habe, man habe deutlich den Anzünder sehen können. Eine Verpackung dieser Anzünder sei später von seinen Kollegen auch in der Nähe gefunden worden.
K wurde sofort als Verdächtiger benannt
Der Sohn des Geschädigten habe im Gespräch K als Verdächtigen ins Gespräch gebracht, weil der Streit mit seinem Vater gehabt habe, der Geschädigte selbst habe ihm kurz darauf auch davon berichtet, dass er K im Verdacht habe, den Brand gelegt zu haben.
D berichtet, dass K. auf dem Revier durchaus bekannt gewesen sei. Zwar sei D selber nicht dienstlich mit K befaßt gewesen, aber er habe über den Flurfunk gewußt, dass K. ohne festen Wohnsitz sei und zum Beispiel an oder in einer Kapelle genächtigt habe. Auch von kleineren Straftaten, die W nicht spezifizierte, sprach er. Außerdem seien Platzverweise gegen K ausgesprochen worden. Weitere Details über K oder die Vorgeschichte des Brandes kannte er nicht, er sei auch erst seit kurz vor dem Brand in Künzelsau.
Einige Tage nach der Brandstiftung hätte D im Rahmen einer politischen Veranstaltung, die er schützen sollte, weil auch der Innenminister anwesend war, im Gespräch mit dem Veranstalter davon gehört, dass am Vortag eine Gestalt im Hof gesehen worden sei, bei der es sich um K gehandelt haben könnte. Auch seien kurz darauf emails mit beleidigenden Inhalten eingegangen. E habe dies als Anzeige formuliert und weitergeleitet. Weiter sei er mit dem Vorfall nicht befasst gewesen.
K befragt den Beamten nach der Organisation der Verteilung der e-mails innerhalb des Reviers. Er befürchtet, dass seine Mails – er spricht insbesondere von einer 804-seitigen Schriftsatz, aus dem hervorgehen sollte, dass er kein „Landstreicher“ sondern ein „wissenschaftlicher Berater“ sei – nicht gelesen würden.
Als nach der Befragung des Polizeibeamten das Gericht mit Verteidigung und Staatsanwältin bespricht, ob eventuell Zeugen abgeladen werden können und dabei kurz die Rede auf das ominöse Intimfoto kommt, geht ein schwer zu interpretierendes Lächeln über K’s Gesicht.
Die Polizeibeamtin R war um 06:13 mit einem Kollegen als zweite Streifenwagenbesatzung am Brandort. Zu diesem Zeitpunkt waren die einzelnen Feuer bereits gelöscht. Mit welchen Mitteln die Feuer gelöscht wurden weiß sie nicht, aber da eine aufgefundene Verpackung von Anzündern durchnäßt gewesen sei, vermutet sie, dass mit Wasser gelöscht war. Anschließend habe man nach dem Brandstifter gesucht, sowohl allgemein als auch gezielt nach K, dessen Personenbeschreibung vorgelegen habe. Sie und ihr Kollege hätten allerdings niemanden auffinden können.
Skurril zu nennender Auftritt eines weiteren Polizeibeamten
Letzter Zeuge am zweiten Verhandlungstag war der Polizeibeamte W., dessen Auftreten vor Gericht man durchaus als skurril bezeichnen darf: Er hatte offenbar kaum Erinnerungen an den Fall und hatte diese Erinnerung auch nicht durch vorbereitendes Lesen der Akte aufgefrischt. Auch der Vorhalt von Richterin Bezold, dass Sachverhalte nicht durch Verweis auf eine Akte, sondern durch Vortrag in den Prozess einzubringen seien, verbesserte sein Erinnerungsvermögen kaum.
Einn Polizeibeamter mit Gedächtnislücken
Er kenne den Beschuldigten nur aus der Akte, es seien mehrfache Beleidigungen und Drohungen, sogar Morddrohungen, in der Akte. Gegen wen genau und genaue Wortlaute waren ihm nicht erinnerlich. Eine eventuelle Vorgeschichte sei ihm auch nicht bekannt. Auch zum Ablauf der Ermittlungen konnte er wenig beitragen: Frau R. habe ihm in einem Telefonat von den Beleidigungen und Drohungen berichtet, daraufhin habe er festgestellt, dass es sich dabei um Straftaten handelt und ihr Unterlagen zur Stellung eines Strafantrags zugeschickt. Ein persönliches Gespräch mit R. habe es – Corona geschuldet – nicht gegeben.
Ein denkwürdiger Dialog zwischen Richterin und Zeugen
Der Anwalt wirft „keine eigene Erinnerung“ ein und auch Richterin Bezold wird ein wenig ärgerlich, als W. wieder einmal in der Akte blättert, und es kommt zu einem denkwürdigen Dialog:
„Also sprich, Sie kennen das eh nicht, was da drin steht“
„Ich habe die Akte nur zusammengeführt“
„Sie kennen von der Akte ganz wenig, weil Sie sagen, Sie haben die Akte nur zusammengeführt.“
Einige Details kamen dennoch ans Tageslicht: So seien auch die Künzelsauer Beamten bedroht werden, weshalb der Fall an W’s Dienststelle abgegeben worden sei. Der Beschuldigte ist offenbar aufgrund einer Handyortung in Bietigheim aufgefunden worden. W habe dann bei der Staatsanwaltschaft einen Antrag auf U-Haft gestellt, der sei von der StA in Schwäbisch-Hall erst abgelehnt, ein paar Tage später aber bewilligt worden. Das Gericht zitiert aus dem Antrag auf U-Haft: „Bedrohungen steigern sich, er sucht die Personen auf und schreckt auch vor Brandstiftung nicht zurück.“ Zudem war K zu diesem Zeitpunkt wohnungslos. Offenbar hätten die Künzelsauer Kollegen nochmals bei der Staatsanwaltschaft nachgehakt, mutmaßt W.. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass ihm dieses nicht recht war.
Weiterer denkwürdiger Dialog
Bernd K.’s Anwalt fragt zum Telefonat, das W. mit R. geführt hat, nochmals nach W.’s „fachkundiger Einschätzung“, warum und welche Straftaten nach der Beschreibung von Frau R. vorgelegen hätten. „Da müsste man schauen …“, was der Anwalt mit „Nö, das wars“ beendete.
Ein weiterer umfangreicher Schriftsatz des Beschuldigten
K. will danach von W. noch wissen, was mit einem weiteren seiner Schreiben, diesmal 420 Seiten lang, an diverse Polizeidienststellen geschehen sei. Davon sei ihm nichts bekannt, möglicherweise sie das Schreiben bei seiner Stellvertreterin gelandet, vermutet W..
Wenn man davon hört, dass er eimal 804 Seiten und einmal 420 Seiten geschrieben hat, wird auch die Bemerkung der Richterin Bezold verständlich, als ihr am Anfang des Prozesstags Dr. Heinrich, der psychiatrische Sachverständige, ein mehrere Zentimeter dickes Paket mit Schriftsätzen des Beschuldigten übergab: „Vielleicht sollten Sie in Erwägung ziehen, ein Ende zu finden.“
Text: Matthias Lauterer