Gleich zu Beginn der von Querdenkern 799 Schwäbisch Hall angekündigten Großdemo gegen die Coronamaßnahmen, steigende Lebensmittel- und Energiepreise sowie den Ukraine-Krieg am Samstag, den 26. November 2022, auf dem zentralen Dietrich-Bonhoeffer-Platz in Schwäbisch Hall, betont Versammlungsleiter Christian Ziegler: „Wir sind eine friedliche Bewegung, in der Extremismus, Gewalt, Antisemitismus und menschenverachtendes Gedankengut keinen Platz haben. Wir reden mit allen, die friedlich und gewaltfrei agieren. Wir eröffnen einen freien und demokratischen Debattenraum. Wir stehen hier für Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Wir sind frei von jedweden Ideologien und grenzen uns ab von Aufrufen zu verfassungswidrigen Taten. Jeder ist bei uns als Mensch willkommen, egal, welche Hautfarbe, Religion, sexuelle Orientierung, Nationalität, Impfstatus oder welche politische Überzeugung er auch immer hat.“ Zudem bittet er, keine Symbole von Reichskriegsflaggen oder andere Symbole eines Deutschlands vor 1945 mitzuführen, „weil diese nicht mit unseren Zielen vereinbar sind. Wir sind die gesellschaftliche Mitte. Es ist nicht hoffnungslos. Wir selbst sind die Lösung. Wir warten nicht auf einen Retter von außen. Wir warten nicht auf eine Ursula von der Leyen, auf einen Joe Biden oder auf einen Selensky. Wir werden das angehen. Wir werden das für unsere Eltern und Kinder machen.“

Foto: Christian Ziegler von den Querdenkern Schwäbisch Hall. Foto: GSCHWÄTZ
Applaus von den laut Polizei rund 1.000, laut den Organisatoren rund 1.500 Demoteilnehmer:innen.
Dann zieht der Protestzug los, mit Mikrofonen, Musik und Verstärkern vom Bonhoefer-Platz in der zentralen Innenstadt Richtung B27 außen um die Kernstadt herum, um zirka 1,5 Stunden später wieder am Ausgangspunkt anzukommen.

Protestzug durch Schwäbisch Hall, unter anderem wegen explodierender Lebensmittelpreise, der Coronapolitik und des Ukraine-Krieges. Foto: GSCHWÄTZ
„Wir fordern die Beendigung jeglicher Kriegsbemühungen durch diese falsche Verbrecherregierung“
Mit deutlichen Plakaten und markigen Worten geht es beim Protestzug weiter: „Wir fordern die Beendigung jeglicher Kriegsbemühungen durch diese falsche Verbrecherregierung, bestehend aus Kinderbuchautoren, Trampolinspringerinnnen und Typen, die immer dann Demenz erleiden, wenn es um Korruptionsfragen geht“, hallt es etwas aus Lautsprechern aus einem Auto heraus von Michael Stehle.
„Achtung, Achtung. Das tödliche Virus ist in der Öffentlichkeit jetzt wieder aktiv“
Dazwischen aus Lautsprechern mechanisch klingende Stimmen, die dröhnen: „Politiker, die voll versagen, muss man in Den Haag verklagen.“ – „Für alle, die den Mut haben, für die Freiheit einzustehen.“ – „Der Hypochonder Lauterbach hält in uns unsere Ängste wach.“ Oder, ironisch: „Achtung, Achtung. Das tödliche Virus ist in der Öffentlichkeit jetzt wieder aktiv. Gehen Sie umgehend nach Hause und schließen Sie die Tür. Vergessen Sie nicht, zu lüften.“

„Wir sind das Volk“
Menschen aller Altersklassen laufen hier vereint und halten die unterschiedlichsten Plakate in die Höhe. Bei manchen wird der NATO-Vormarsch in den vergangenen Jahrzehnten kritisiert, auf anderen die Politik und Presse im Allgemeinen. Und immer wieder: „Wir sind das Volk.“
Eine kleine Protestgruppe, darunter ist eine grüne Fahne von fridays for future zu sehen, steht etwas abseits in der Nähe der laut Polizeiangaben gegenüber GSCHWÄTZ rund 50-köpfigen Einsatzgruppe der Polizei.
Ein älterer Mann begründet seinen Gegenprotest wie folgt: „Man darf den Faschisten kein Forum bieten, wo sie ihre völkische, rassistische Ideologie verbreiten können. Die Querdenker sind nicht alle gleich, aber sie dulden, dass die Faschisten den Ton angeben können in ihren Reihen, anstatt sich konsequent davon abzugrenzen.“ Das, was Christian Ziegler zu Beginn der Demo gesagt hat, dass sie sich hier klar abgrenzen von Nazis, nimmt er ihm nicht ab. Aber den Ukrainekrieg sieht er ähnlich wie zahlreiche Teilnehmer:innen der Demo. Er ist für Friedensverhandlungen und weiß auch, hier gibt es nicht nur einen Schwarzen Peter: „Beide Seiten müssen hier zurückweichen von ihren Positionen.“
Sowohl die Demoteilnehmer:innen als auch die Gegenprotestler auf der anderen Seite wollen nur eines: Frieden für Europa
Eine Frau, ebenfalls auf der Gegendemo-Seite, erklärt, sie sei hier, weil sie dagegen protestiert, „dass hier eine ganze Menge Nazis mitlaufen: „Wenn man sich die Schilder anguckt, die sind alle standardisiert schwarz-weiß-rot. Schwarz-weiß-rot sind die Farben der Nazis gewesen. Das hier ist alles irgendwo gesteuert und wahrscheinlich von irgendeiner rechte Organisation unters Volks gebracht worden“, vermutet sie [Anm. d. Red.: Das ist uns selbst bei den Plakaten nicht aufgefallen, siehe Video der Demo] und fährt fort: „Da können noch so viele Esoteriker dabei sein und Impfgegner. Da tummeln sich auch ganz schon viele Nazis drunter.“ Ein Mann an ihrer Seite fügt hinzu: „Wir beobachten das ja schon eine ganze Weile, dass hier in Schwäbisch Hall die Montagspaziergänger schlendern. „Die meinen ja, jeder, der sich gegen Corona impfen lässt, muss verrückt sein. Corona existiert ja gar nicht. Wenn irgendwelche Todesfälle passieren, wird das einfach ignoriert.“ Hier sei es nun eine Mischung aus „ganz normalen Bürger:innen und Neonazis“, welche er bislang beobachtet habe. „Meine Befürchtung ist, dass hier Leute im großen Stil missbraucht und manipuliert werden.“ „Für Frieden und Menscherechte sind wir auch und wir sind übrigens auch das Volk“, ergänzt die Frau neben ihm schmunzelnd. Auch sie sei unzufrieden mit der aktuellen Politik: „Wenn ich viel Geld habe und das ausschütte und am Ende profitieren da mehr Wohlhabende als Bedürftige“, das gehe gar nicht.
„Die Politik, wie sie momentan läuft, geht gar nicht mehr“

Jens Lehbeck, Mitveranstalter der Großdemo sagte gegenüber GSCHWÄTZ: „Wir haben uns entschieden zu dieser Demo, weil es so einfach nicht mehr weitergehen kann. Wir müssen unser Stimme erheben. Die Politik, wie sie momentan läuft, geht gar nicht mehr. Wir müssen etwas tun, um diesen Regierungswahnsinn zu beenden.“ Sie kritisieren insbesondere die Waffenlieferungen in die Ukraine und die Coronapolitik. Auf die Frage, ob hier eine Unterwanderung von Nazis stattfindet, sagt uns Lehbeck: „Es wird ganz sicher der ein oder andere unter uns geben, der so denkt. Das können wir nie ausschließen. Aber wir selbst als Veranstalter, das gesamte Team und die Mehrheit, die hier mitläuft, hat dieses Gedankengut nicht mit an Bord. Aber die Regierung spielt uns einfach in die Taschen durch die Sanktionen, die sie macht, die keinen großen Wert haben ausser dass sich sämtliche Preise verteuern. So etwas gibt natürlich ein großes Mobilisierungspotenzial. Wir berufen uns hier auf unsere Grundrechte. Aber wir distanzieren uns von Menschen, die Gewalt provozieren und zu Straftaten ausrufen. Mit so etwas wollen wir auch nichts zu tun haben. Auf die Frage, was er sich wünsche von der Regierung, antwortet Ziegler: „Dass die Politik sieht, dass viele Teile des Volk unzufrieden ist.

Text: Dr. Sandra Hartmann