Simone Mitsch redet nicht lange um den heißen Brei herum: „Ich arbeite seit 22 Jahren im Tiefbau, aber so etwas habe ich noch nie erlebt.“
Simone Mitsch von der Stadt Künzelsau ist ebenfalls unzufrieden mit der Situation. Bürgergespräch Ohrenbach 22. September 2022. Foto: GSCHWÄTZ
Fast jeder ist betroffen
Das Dorfgemeinschaftshaus in dem Künzelsauer Teilort Ohrenbach ist am Donnerstag, den 22. September 2022, bis auf den letzten Platz besetzt. Viele Einwohner:innen möchten hören, was Vertreter:innen der Stadtverwaltung Künzelsau und von Netze BW zu sagen haben. Es geht um die Dauerbaustelle in Ohrenbach, die eigentlich seit Juni 2022 abgeschlossen sein sollte, jedoch – wenn überhaupt – frühestens Ende der Jahres fertig ist. Betroffen ist fast jeder Haushalt von den neuen Wasser-, Glasfaser- und Stromleitungen, die derzeit verlegt werden. Seit einem dreiviertel Jahr befindet sich das Dorf in einem Ausnahmezustand zwischen Straßengräben, Schlaglöchern, Aufschüttungen, Zuschüttungen und nicht nachvollziehbaren Arbeitsweisen und -abläufen sowie teilweise qualitativ schlechter Arbeit (wir berichteten).
Markus Manz sieht auch die Stadt in der Bringschuld. Bürgergespräch Ohrenbach 22. September 2022. Foto: GSCHWÄTZ
Solche Probleme habe es noch nie gegeben
An diesem Abend nun soll es einen Austausch zwischen den Verantwortlichen und den Einwohner:innen geben. Gleich zu Beginn wird deutlich: Sowohl die Stadtverwaltung als auch Netze BW stimmen mit den Einwohner:innen über diverse Mängel und mangelhaftes Verhalten der Baufirma überein. Ein Vertreter der Baufirma Krieger aus Bruchsal selbst ist nicht vor Ort.
Die Baufirma habe den Zuschlag im Rahmen einer Ausschreibung erhalten, erklärt Simone Bittner von der Stadtverwaltung. Sie ist technische Leiterin der KÜNWerke. Alexander Stickel von Netze BW erklärt: Wir haben schon oft mit dieser Firma zusammengearbeitet.“ Solche Probleme habe es noch nie gegeben.
Bürgergespräch Ohrenbach 22. September 2022. Foto: GSCHWÄTZ
Danach noch schlimmer als vorher
Man habe gehofft, dass es nach den „relativ langen Bauferien“, die sich die Arbeiter der Firma Krieger im Sommer genommen hatten, besser laufen würde, aber danach sei es noch schlimmer als vorher gewesen, resultiert Mitsch. So parken etwa Baufahrzeuge und Lkws freimütig auf privaten Rasenflächen von Anwohnern, wie etwa auf Helga Knittels Grundstück. Auch auf Aufforderung, wegzufahren, sei nichts passiert. Dieter Rudolph musste feststellen, dass seine Arbeitswerkzeuge wie Hammer, Schubkarre und Schaufel freimütig von den Arbeitern ohne ihn zu fragen, benutzt würden.
Projektbetreuer Bayer: „Völlig hilflos.“ Bürgergespräch Ohrenbach 22. September 2022. Foto: GSCHWÄTZ
„Die zucken nur mit den Schultern und gehen weiter“
Auch Gespräche zwischen Stadt, Netze BW und Mitarbeitern der Baufirma hätten nicht viel bewirkt. „Die zucken nur mit den Schultern und gehen weiter.“
Herr Ackermann von der Netzentwicklung Nord erklärt: Auch mir ist so eine Maßnahme noch nie untergekommen. Ich war selbst überrascht, welche Qualität hier abgeliefert wird.“
Nun soll das Personal teilweise ausgetauscht werden, darauf habe man sich mit der Baufirma geeinigt. Zusätzlich sollen tägliche Kontrollen vor Ort gemacht werden.
Fortan tägliche Kontrollen und Austausch des Personals
Anwohner Markus Manz sieht aber nicht nur die Firma Krieger in der Bringschuld: „Es brodelt nun schon seit einem halben Jahr so.“ Mehrfach habe man die Stadt auf Mängel aufmerksam gemacht. Mehrfach hieß es, man sei dafür nicht zuständig. Fazit: „Es ist lange von der Stadt nichts unternommen worden.“ Ralf Lauber ergänzt: „Es hat keine Kommunikation stattgefunden“, etwa in Form eines Schreibens von der Stadt an die Anwohner:innen über die Bausituation und die nächsten Etappenschritte, etwa, wann und wie lange bestimmte Straßenabschnitte gesperrt seien. „Da sind genug Fachleute da, die sich darum kümmern können und müssen.“ Der freie Architekt bemängelt zudem massiv, dass die Baustellen teilweise nicht richtig abgesichert seien. Seine Frau sei dabei in einen ungesicherten Graben gefahren. Mehrmals habe er sich an Frau Deppner von der Stadt gewendet. Diese habe nur gemeint, dass ihr davon nichts bekannt sei.
Ackermann (links) und Alexander Stickel von Netze BW beim Bürgergespräch Ohrenbach 22. September 2022. Foto: GSCHWÄTZ
Kritik der Einwohner:innen an die Stadt: Zu lange nicht reagiert und nicht kommuniziert mit den Einwohner:innen
Projektbetreuer Bayer entgegnet, dass sehr wohl seitens der Stadt einige getan wurde: „Du schreibst, du mahnst. Aber es passiert einfach nichts. Du bist als Auftraggeber völlig hilflos.“ Mitsch fügt hinzu: „Es war auch nicht vorauszusehen, dass das so grauenhaft läuft.“ Ackermann sagt einen wichtigen Satz: „Tiefbaufirmen bekomme man halt derzeit auch nicht wie Sand am Meer.“
„Es war auch nicht vorauszusehen, dass das so grauenhaft läuft“
Bürgergespräch Ohrenbach 22. September 2022. Foto: GSCHWÄTZ
Dann hätte es im schlimmsten Fall erst einmal Stilstand in Ohrenbach gegeben. Besser Stillstand als weiter schlechte Arbeit, finden die Anwohner:innen.
Die Einwohner:innen zählen bei der Versammlung reihenweise Mängel an ihren Grundstücken und beim Straßenbau auf. Mitsch sagt, Mängel können bei ihr (per Mail an: simone.mitsch@kuenzelsau.de) oder bei Herrn Stickel von Netze BW angezeigt werden. 5 Jahre dauere die Gewährleistungspflicht der Firma Krieger. Nur: Wer behebt die ganzen Mängel? Alle Anwesenden scheinen zu zweifeln, die Arbeiter – gelernt oder ungelernt – überhaupt fähig dazu sind.
Bereits am nächsten Tag hat sich einiges getan im Ort, unter anderem eine von der Baufirma unzulässig Straßensperrung wurde entfernt. Die Stadt und Netze BW scheinen anzufangen, aufzuräumen.
Ortsvorsteher Felix Bittner. Bürgergespräch Ohrenbach 22. September 2022. Foto: GSCHWÄTZ
Text: Dr. Sandra Hartmann