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„Wir werden die Autoindustrie nicht mehr beliefern.“

„Wir werden die Autoindustrie nicht mehr beliefern.“ Mit diesen Worten zitiert das Handelsblatt Klaus Geißdörfer, der seit fast genau einem Jahr der CEO von ebm-papst ist, kurz und knapp.

Screenshot von https://www.ebmpapst.com/automotive am 21.11.2022

Dabei sieht die Verbindung von ebm-papst und der Autoindustrie, wenn man die Webseite vom ebm-papst betrachtet, wie eine Erfolgsstory aus. Und noch am 21. November 2022 preist der Lüftungsspezialist aus Mulfingen „vier starke Produktfamilien“ für die Automobilindustrie an und bietet Interessenten weiterhin eine Zusammenarbeit im Projektgeschäft an. Trotzdem sagt Geißdörfer zum Handelsblatt: „Die gewünschte Qualität fordert uns technologisch nur bedingt und ist zu den geforderten Preisen nicht attraktiv für uns als Zulieferer.“

„Die Welt wird immer wärmer“

Im ersten Jahr seiner Tätigkeit hat Klaus Geißdörfer offensichtlich das Know-How des Unternehmens und die Zukunftsfähigkeit der Geschäftsfelder analysiert und reagiert nun auf die veränderten Zukunftsmärkte: „Wir sehen riesiges Potenzial in den nächsten zehn Jahren bei den Megatrends erneuerbare Energien, Data-Center und Klimatechnik. Die Welt wird immer wärmer“, sagt er im Handelsblatt.

Hinweise im Geschäftsbericht

Die Hinweise darauf, dass das Geschäftsfeld Automotive nicht besonders ertragreich ist, finden sich – wenn auch verschlüsselt – im Geschäftsbericht: „In den Geschäftsfeldern Automotive und industrielle Antriebstechnik dagegen wuchs der Umsatz nur leicht um +3,8% auf 338,6 Mio. EURO (Vorjahr: 326,1 Mio. EURO). Dieser Bereich steht unter dem Einfluss des Wandels in der Automobiltechnik und eines steigenden Automatisierungsgrads in der Industrie.“  So steht es in der Pressemeldung vom 23. Juni 2022 zur Jahrespressekonferenz von ebm-papst. Im vorhergehenden Corona-beeinflußten Geschäftsjahr verlor der Automotive-Sektor sogar 4,8 Prozent Umsatz.

Auch wenn sich ebm-papst traditionell nicht zur Ertragslage äußert, eine Umsatzsteigerung unter der Inflationsrate und deutlich unter den Zahlen der anderen Geschäftsbereiche, dazu ein Personalabbau von 100 Mitarbeiter:innen  – das liess bereits damals nichts Gutes ahnen. GSCHWÄTZ vermutete bereits im Juni: „Damit dürfte sich die Ertragslage dieser Geschäftsfelder nicht positiv entwickelt haben“. 

Wettbewerb der Zulieferer in einem schrumpfenden Markt nimmt zu

ebm-papst-Presseprecher Hauke Hannig bestätigt, dass der angekündigte Ausstieg bereits in der Umsetzung ist: „In unserem Geschäftsbereich Automotive leiten wir aktuell einen Phase-Out ein. Das heißt, Neuaufträge für diesen Bereich werden wir in Zukunft nicht mehr annehmen, bestehende Aufträge und Projekte werden vertragskonform abgeschlossen und Schritt für Schritt ziehen wir uns aus diesem Markt zurück.“

Über die Gründe für den Ausstieg äußert sich Hannig etwas detaillierter als Geißdörfer: „In unserem Marktsegment „Automobiltechnik“ sind wir dagegen ein vergleichsweise kleiner Zulieferer. In diesem Segment herrscht extremer Kostendruck und mittlerweile auch ein enormer Wettbewerb. Aufgrund der aktuellen Transformation innerhalb der Automobilindustrie, hervorgerufen durch das Auslaufen der Verbrenner-Technologie hin zur Elektromobilität wird der Markt für Zulieferer kleiner und der Wettbewerb der etablierten Zulieferer nimmt stark zu. Dies macht den Markt für uns wenig attraktiv und bietet kaum langfristige Perspektiven. Wir haben uns daher entschieden, die aktuell dort eingesetzten Ressourcen für das Wachstum in Air Technology und Heating Technology zu nutzen.“

Auf gut Deutsch: Die Erträge und Zukunftschancen in anderen Bereichen sind perspektivisch höher, der Aufwand im verstärkten Wettbewerb würde steigen – und die Automotive-Kunden sind nicht bereit, vernünftige Preise zu bezahlen. Andere Wettbewerber, die ausschließlich im Autozulieferbereich engagiert sind, werden sich kurzfristig über den Rückzug von ebm-papst freuen.

ebm-Papst ist Spezialist für Elektromotoren

Hannig spricht von der Transformation der Autoindustrie, hin zum Elektrofahrzeug. Eigentlich ist ebm-papst ja ein Spezialist für Elektromotoren, auch in der Größenordnung, wie man sie sich in kleineren E-Fahrzeugen vorstellen könnte. Aber genau in diesem Bereich war man bisher nicht tätig: „Wir sind nicht im Bereich des Antriebs tätig, der ein E-Auto antreibt. Vielmehr liegen unsere Aktivitäten in Nebenaggregaten wie dem Getriebe, der Abgasbehandlung oder der Elektronik- und Batteriekühlung.“ Selbst das Engagement in der Formel 1, wo ebm-papst mehrere Weltmeisterschaften mit dem Mercedes-Rennstall feiern konnte, wurde beendet.

Automotive macht „nur“ etwa 10% des Umsatzes aus

Das Geschäft mit den Autoherstellern und deren Zulieferern macht bei ebm-papst nur etwa zehn Prozent des Umsatzes aus. Gleichzeitig ergeben sich momentan erhebliche Chancen in anderen Geschäftsfeldern: „Insbesondere in unseren Kernfeldern Air Technology (Lufttechnik) und Heating Technology (Heiztechnik) haben wir als Technologieführer eine hohe Nachfrage bei energieeffizienten Lösungen und sehen dort ein bedeutendes und langfristiges Zukunftspotential. Wir werden unsere weltweiten Kapazitäten daher sukzessive erhöhen“, unter anderem hat man gerade einen neuen Produktionsstandort in den USA eröffnet.

Besonders betroffen: Die Werke von papst in St.Georgen und Herbolzheim

„Die personellen und materiellen Ressourcen, die bei ebm-papst St. Georgen angesiedelt sind, benötigen wir aufgrund hoher Nachfrage sowie einer langfristigen Marktattraktivität in unserem Geschäftsfeld Air Technology (Lufttechnik) und werden diese dort einsetzen.“ Bei papst in St.Georgen und Herbolzheim wurden in der Vergangenheit erhebliche spezielle Investitionen in die Automobiltechnik getätigt, beispielsweise in Fertigungsautomation und in Reinraumtechnik. Auch die Logistikprozesse wurden, bis hin zu den Zulieferern an die Prozesse der Automotive-Industrie angepasst.

Erste neue Produkte werden bereits in St.Georgen gefertigt: „Wir werden anstellen von Automobillösungen energieeffiziente EC-Ventilatoren an unseren Automobilstandorten von ebm-papst St. Georgen produzieren. Erste Produktionsanlagen hierfür wurden aktuell bereits am Standort Herbolzheim in Betrieb genommen und produzieren seit der vergangenen Woche in Serie.“

Bei ebm-papst keine Arbeitsplätze in Gefahr

Einen weiteren Arbeitsplatzverlust soll es in St.Georgen und Herbolzheim nicht geben, teilt Hannig mit: „Mit der Veränderung unserer Standorte Herbolzheim, Lauf und St. Georgen zu Air Technology-Standorten stellen wir diese langfristig zukunftsfähig auf und ermöglichen dem Standort und den Mitarbeitenden eine klare Perspektive im Wachstumsfeld Lufttechnik. Des Weiteren trat zum 01.07.2022 vor Ort im Schwarzwald ein Ergänzungstarifvertrag in Kraft, der über seine Laufzeit von mindestens drei Jahren betriebsbedingte Kündigungen ausschließt.“

Zulieferer in Hohenlohe sind betroffen

ebm-papst hat ein starkes Netzwerk von Zulieferern in der Region, die ihre Produkte teils direkt in die Produktionen der ebm-papst-Fertigungswerke liefern. Auch diese Zulieferer sind natürlich vom Rückzug aus dem Automotive-Geschäft betroffen. Sie stellen in teilweise hochoptimierten und ganz speziellen Fertigungsprozessen Produkte her, die dann zu den Automotive-Produkten von ebm-papst weiterverarbeitet werden. Was bedeutet die Aufgabe des Autogeschäfts für diese Zulieferer? GSCHWÄTZ fragte daher konkret nach Investitionsschutz und Arbeitsplätzen. Hannig verspricht: „Aufgrund der aktuellen Umgestaltung ist kein Arbeitsplatz in Gefahr, ganz im Gegenteil, die Ressourcen werden für die Bereiche Air Technology benötigt und hier eingesetzt. Durch die Neuausrichtung wollen und werden wir zukünftiges Wachstum generieren und unseren nachhaltigen Erfolg sicherstellen.“ Auf die Frage nach den Investitionen geht er nicht ein. Ein von GSCHWÄTZ befragter Zulieferer war zu diesem Punkt ebenfalls wortkarg und wollte nicht Stellung nehmen.

Keine Zukunft auch für Weiße Ware

Geißdörfers Analyse der Zukunftsmärkte macht auch vor einem weiteren traditionellen Geschäftsfeld von ebm-papst nicht Halt: „Neben dem Geschäftsfeld Automotive sehen wir wenig Potential im Bereich der weißen Ware, u. a. bei Zulieferteilen für Kühlschränke oder Geschirrspüler. An unseren Erfolgsprodukten für z. B. Garöfen und Dunstabzug halten wir fest. In unseren Kernsegmenten Air Technology (Lufttechnik) und Heating Technology (Heiztechnik) haben wir enormes Wachstumspotential und eine hohe Nachfrage an unseren energieeffizienten Lösungen zu verzeichnen. Hier bauen wir unsere Kapazitäten sukzessive aus.“

Text: Matthias Lauterer




„Es tut der Region gut und es tut den Schülern gut“ 

Ein Freund langer Reden scheint Markus Kratschmayer nicht zu sein: „Wir haben das gemacht und wir machen das gerne weiter“, sagte der Betriebsleiter der Kratschmayer Kälte-Klima-Lüftung GmbH in Hohebuch, als er am 15. September ein zweites MINTec-Fahrzeug an die Innovationsregion Hohenlohe übergab.

Für ihn ist es wichtig, die Schüler:innen früh schon an das Handwerk heranzubringen, denn für Handwerksunternehmen seien junge Menschen wichtig. Das Unternehmen engagiert sich daher sehr in der Ausbildung junger Menschen: Von den 260 Mitarbeitern der Firma, so Markus Kratschmayer, seien 40 Auszubildende. „Grundsätzlich übernehmen wir jeden Azubi, der die Prüfung besteht und in der Firma bleiben will“, gibt er jungen Menschen, die sich für technische Berufe interessieren, eine Perspektive.

Markus Kratschmayer. Foto: GSCHWÄTZ

Nicht die erste Spende von Kratschmayer

Bereits vor einigen Jahren spendete die Firma ein Fahrzeug an die Innovationsregion Hohenlohe. Dieses Fahrzeug war bisher im Einsatz, um Schülern der Grundschulen im Hohenlohekreis spielerisch den Zugang zur Technik zu ermöglichen: „Viele Kinder haben zuhause gar keinen Zugang mehr zur Technik. Für die ist es toll, wenn sie etwas selber bauen können und das mit nach Hause nehmen können“, sagt Sina Specht aus der Marketingabteilung von Kratschmayer. Mirjam Rammhofer, die Geschäftsstellenleiterin des Vereins Innovationsregion Hohenlohe, weist auf die Rolle des Schulamts hin, ohne dessen Unterstützung ein solches Projekt direkt in den Schulen nicht möglich wäre.

Zur Marke geworden

Peter Lippold (links) und Matthias Maier freuen sich sichtlich. Foto: GSCHWÄTZ

Matthias Maier, einer der beiden Lehrer, die mit dem MINTec-Mobil in die Schulen fahren, stellt fest: „Das ist inzwischen eine Marke geworden“, sein Kollege Peter Lippold ist glücklich: „Mit jetzt zwei Touren können wir mehr Kinder erreichen. Die Schulen, die Eltern und die Kinder schätzen das Angebot“, weiß er und fügt, an Markus Kratschmayer gewandt, hinzu: „Und die Firmen und Betriebe kriegen vielleicht den einen oder anderen Azubi“. „Das ist ja auch ein Grund, warum wir das machen“, lacht Kratschmayer.

MINTec steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Die beiden Fahrzeuge sind vollgepackt mit Werkzeugen und Materialien, viel Holz ist zu sehen. Auf die Frage, wieviel Mathematik in dem Fahrzeug steckt, meint Lippold: „Ganz viel – das fängt beispielsweise schon damit an, wenn wir etwas messen müssen“.
Maier und Lippold berichten, dass sie regelmäßig 21 Schulen im Kreis anfahren. Jeweils zwei Stunden dauern die Unterrichtseinheiten. Als die Beiden berichten, dass einige Firmen Azubis abstellen, um die Fahrten als „Paten“ zu begleiten, wird Markus Kratschmayer hellhörig und überlegt spontan, wie er das möglicherweise organisieren könnte.

„Es tut der Region gut und es tut den Schülern gut“

Dr. Stefanie Leenen, Vorsitzende des Vereins Innovationsregion Hohenlohe. Foto: GSCHWÄTZ

Dankbar für die Spende des zweiten Fahrzeugs ist Dr. Stefanie Leenen, Vorsitzende des Vereins Innovationsregion Hohenlohe: „Es tut der Region gut und es tut den Schülern gut, und natürlich fährt auch immer ein Firmenlogo mit“ – die Unternehmen, die sich engagieren, dürfen also auch gerne etwas zurückbekommen.

Inzwischen sind es 19 produzierende Unternehmen und  7 Dienstleister, die sich zum Verein Innovationsregion Hohenlohe zusammengeschlossen haben. Dazu kommen der Hohenlohekreis, die Stadt Künzelsau sowie proREGION Hohenlohe-Franken. Die 29 Mitglieder haben sich zum Ziel gesetzt, dass der Standort Hohenlohe auch 2030 noch der bestmögliche Standort für die Unternehmen bleibt. Hauptziele des Vereins sind Standortsicherung und Strukturförderung – dazu haben die Mitglieder ein Netzwerk aufgebaut, das nicht nur aus Politik, Ministerien, staatlichen Stellen, Verwaltung oder Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen besteht.

„Wichtig sind uns eine gut funktionierende Infrastruktur, eine hervorragende Hochschul- und Bildungslandschaft und die gute Weiterentwicklung unserer Region der Weltmarktführer und ihrer Attraktivität und Anziehungskraft auch für von weiter herkommende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und ihrer Familien“, schreibt der Verein auf seiner Webseite.

Die MINTec-Mobile sollen „auch in der Primarstufe im Hohenlohekreis das MINTec-Angebot „Grundschultechnik“ flächendeckend ermöglichen.“

Text: Matthias Lauterer




GEMÜ erweitert Geschäftsführung

Die GEMÜ Gebrüder Müller Apparatebau GmbH & Co. KG mit Sitz in Ingelfingen, Baden-Württemberg, stellt die Geschäftsführung neu auf. Der Diplom Wirtschaftsingenieur Matthias Fick wird zum 1. Juli 2022 zum Geschäftsführer Global Operations in die Geschäftsführung von GEMÜ Deutschland berufen. Damit verstärkt Matthias Fick die Geschäftsführung, bestehend aus Gert Müller, geschäftsführender Gesellschafter und Stephan Müller, Geschäftsführer.

Aufgrund des starken Wachstums der letzten Jahre hat der Bereich Global Operations und Supply Chain Management (SCM) bei GEMÜ kontinuierlich an Bedeutung gewonnen und maßgeblich zur erfolgreichen Unternehmensentwicklung beigetragen. Mit Blick auf weiteres Wachstum hat die Geschäftsführung beschlossen, die Leitung dieses Bereiches direkt bei der Geschäftsführung anzusiedeln.

Teilweise Neustrukturierung der Führungsstruktur

Im Rahmen dieser Neuorganisation strukturiert GEMÜ auch seine Führungsstruktur in den Ebenen der Bereichs- und der Hauptabteilungsleiter teilweise neu. Zudem verstärkt die Geschäftsführung ihren Fokus auf strategische Entscheidungen der gesamten GEMÜ Gruppe und die Leitung der weltweiten Tochterunternehmen.

Mit Matthias Fick rückt ein sehr erfahrender Produktions-, Logistik- und Supply Chain Management Experte und langjähriger GEMÜ Mitarbeiter in die Geschäftsführung auf. Seine Karriere bei GEMÜ startete Herr Fick bereits 1994 als Logistik Controller. Zwei Jahre später wurde er Leiter vom Auftragszentrum, 2007 Leiter Logistik/SCM. Seitdem hat Matthias Fick in verschiedenen Managementprojekten die globalen Produktions-, Logistik- und Supply Chain Prozesse maßgeblich mitgestaltet. Zuletzt war Matthias Fick als Bereichsleiter Global Operations & SCM für die weltweite Produktion, Logistik und das Supply Chain Management von GEMÜ verantwortlich.

Führungskraft aus den eigenen Reihen

„Wir freuen uns, mit Herrn Fick eine sehr erfahrene und erfolgreiche Führungskraft aus den eigenen Reihen für diese verantwortungsvolle Aufgabe gewonnen zu haben. Wir sind überzeugt, dass wir mit ihm und seinem Team diesen für GEMÜ wichtigen Bereich strategisch weiterentwickeln werden,“ so Gert Müller, geschäftsführender Gesellschafter der GEMÜ Gruppe.

“Ich freue mich sehr auf die neue Aufgabe. Vor allem darauf, gemeinsam mit meinem motivierten Team die eingeschlagene Operational Excellence Strategie weiterzuentwickeln und auf alle Werke auszurollen. Für das entgegengebrachte Vertrauen bedanke ich mich sehr und freue mich auf eine kreative Zusammenarbeit.” sagt Matthias Fick, neuer Geschäftsführer von GEMÜ Deutschland.

Pressemitteilung GEMÜ

 




ebm-papst meldet Rekordumsatz

Mit einem Umsatzplus von 9,9 Prozent auf 2,288 Mrd. Euro meldet das Mulfinger Unternehmen ebm-papst im Geschäftsjahr 2021/22, das am 31. März 2022 endete, einen Rekordumsatz. Die Anzahl der Beschäftigten im Gesamtunternehemen stieg um 283 auf 14.778, in Deutschland sank die Zahl der Beschäftigten um 87 auf 6578. Das vermeldet das Unternehmen auf seiner

Weiterhin hohe Nachfrage – die teils nicht bedient werden kann

Die Nachfrage nach Produkten von ebm-papst ist und bleibt hoch: „Trotz großer Anstrengungen und Flexibilität auf allen Arbeitsebenen insbesondere durch den globalen Kampf um elektronische Bauteile (…) gelang es uns nicht, die enormen Marktbedarfe und Nachfragen nach unseren energieeffizienten Lösungen vollständig zu bedienen“, stellt Dr.Klaus Geißendörfer, CEO der ebm-papst-Gruppe, fest. Daher will die Gruppe ihre Fertigungskapazitäten in USA und China im aktuellen Geschäftsjahr erhöhen. 

Moderates Umsatzwachstum geplant

Ein Umsatzziel für das neue Geschäftsjahr nennt das Unternehmen nicht: „Eine verlässliche Umsatzprognose lässt sich aufgrund der aktuellen weltpolitischen und wirtschaftlichen Situation derzeit nicht treffen.“ Man plant mit einem „moderaten Umsatzwachstum“. 

Produktion bei ebm-papst. Foto: ebm-papst / Philipp Reinhard

Schwerpunkte Forschung und Entwicklung und Organisation

Der allgemein unsicheren Lage auf den Märkten will ebm durch eine Stärkung von Forschung und Entwicklung sowie der Unternehmensorganisation entgegenwirken: „ebmpapst ist weltweit gut aufgestellt und besitzt in seinen Märkten großes Potential“, so Geißdörfer. Um nachhaltig erfolgreich und fit für die Zukunft zu sein, haben wir unser Programm „Gemeinsam Zukunft machen“ gestartet. Hiermit schaffen wir die Voraussetzungen für weiteres Wachstum, beschleunigen die internationale und vernetzte Ausrichtung unserer Organisation, schärfen unsere aktuellen Geschäftsfelder, vereinheitlichen globale Prozesse und schaffen das Fundament einer gemeinsamen Systemlandschaft.

Megatrends Digitalisierung und Klimaneutralität

Dadurch können wir mittelfristig unser Produkt und Serviceangebot für unsere Kunden erweitern und uns auf langfristiges und nachhaltiges Wachstum ausrichten. Unser klarer Fokus liegt auf den Megatrends Digitalisierung und Klimaneutralität.

130 Millionen für Forschung und Entwicklung – ebm-papst positioniert sich als Klimaschutzunternehmen

Rund 130 Mio. Euro werden in den Forschungs und Entwicklungsbereich fließen, um insbesondere die Ressourceneffizienz des gesamten Produktportfolios weiter zu erhöhen. Damit zahlt ebmpapst auf die weltweiten Klimaziele ein und unterstreicht seine Rolle als Klimaschutzunternehmen.“

„In Summe plant ebmpapst mit Investitionen von 155 Mio. EURO (+ 10%) und forciert damit
den Ausbau seines local for local Initiative zur weiteren Stärkung und zur Erhöhung der Eigenständigkeit seiner Regionen Asien, Europa und Nordamerika.“ 

Traditionell keine Aussage über die Ertragslage

Preisentwicklung eines viel verwendeten Kunststoffs. Quelle: plasticker.de

Die reine Umsatzentwicklung sagt nichts über die Ertragslage des Unternehmens aus. In einer Zeit, wo Rohstoffpreise starken Preisschwankungen und vor allem Preissteigerungen ausgesetzt sind, kann man aus den Umsatzzahlen allein wenig ableiten, denn ein gewisser Teil der Umsatzsteigerungen sind reine Preis- und Inflationseffekte und nicht durch erhöhte Verkäufe bedingt. So entwickelte sich der Kupferpreis mit deutlichen Schwankungen von 7,57 €/kg am 01.03.2021 über in der Spitze 8,69€/kg (+14,8%) auf 8,25€/kg (+10,9%) am 01.03.2022 – inzwischen ist er weiter deutlich gestiegen.

Preissteigerung bei Rohstoffen

Spätestens bei einer Neuverhandlung langfristiger Lieferkontrakte wird diese Entwicklung auch für ebm-papst deutlich sichtbar werden. Über die Preisentwicklung der Rohstoffe und wie die Preise den Umsatz beeinflusst haben, sagt die Pressmitteilung von ebm-papst nichts.

Über die Ertragssituation macht das Unternehmen traditionell keine Angaben. In den Geschäftsfeldern Automotive und industrielle Antriebstechnik“, so die Pressemitteilung von ebm-papst, „dagegen wuchs der Umsatz nur leicht um + 3,8% auf 338,6 Mio. EURO (Vorjahr: 326,1 Mio. EURO). Dieser Bereich steht unter dem Einfluss des Wandels in der Automobiltechnik und eines steigenden Automatisierungsgrads in der Industrie.“ Damit dürfte sich die Ertragslage diese Geschäftsfelder nicht positiv entwickelt haben, ein Indiz dafür: Für das Tochterunternehmen ebmpapst St. Georgen mit den Marktsegmenten Automobil, Antriebstechnik und Kompaktlüfter wird ein Umsatzplus von 5,6% gemeldet, aber auch: „An den Standorten in St. Georgen, Herbolzheim und Lauf (bei Nürnberg)beschäftigt das Unternehmen zum Ende des Geschäftsjahres 1.579 Mitarbeitende (Vorjahr: 1.679 / 6,0 %)“, also 100 Mitarbeitende weniger als im Vorjahr. 

Große Aufgaben stehen bevor

Aus den veröffentlichten Geschäftsdaten ist ersichtlich, dass Dr. Klaus Geißdörfer und ebm-papst im neuen Geschäftsjahr vor großen Aufgaben stehen werden: Die Konsolidierung der Geschäftsprozesse und Vernetzung der internationalen Organisation, während das Marktumfeld kaum kalkulierbar ist, dazu hohe Investitionen in die Fertigungskapazität und Forschung und Entwicklung und damit verbundene Neueinführung von Produkten und Prozessen – damit hat sich das Unternehmen viel vorgenommen.

Text: Matthias Lauterer




Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg geht nach Forchtenberg

Am 04.Mai 2022 verleiht Wirtschaftsministerin Dr. Nicole HoffmeisterKraut die Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg für herausragende unternehmerische Leistungen um die badenwürttembergische
Wirtschaft
an sechs Persönlichkeiten und sieben Unternehmen. 

Ehrung geht an Susanne Henkel aus Forchtenberg

Eine dieser Persönlichkeiten ist Susanne Henkel aus Forchtenberg,  Geschäftsführerin der dortigen Richard Henkel GmbH. 

Unternehmen hat seine Marktnische gefunden

Die Richard Henkel GmbH ist ein klassisches Metallunternehmen, das seine Leistungen, beispielsweise Schleifen, Strahlen und Pulverbeschichtung, anderen Unternehmen zur Verfügung stellt. Auf der anderen Seite bedient das Unternehmen erfolgreich eine Marktnische: Die Stahlrohrmöbel des Unternehmens stehen in den Entspannungsbereichen vieler moderner Bäder und Spas – und wie man weiß, kann man in einer Nische gutes Geld erwirtschaften.

Stahlrohrmöbel im Schwimmbad. Foto: Fa. Henkel

„Einmal kaufen – ein Leben lang Freude“

Besonderen Wert legt das Unternehmen auf Nachhaltigkeit. In der Produktion setzt man beispielsweise auf kurze Wege, wenig Transport und lokale Lieferanten. Diese lokale Strategie sorgt in der aktuellen schwierigen Lage auf den Beschaffungsmärkten dafür, dass die Firma lieferfähig ist – obwohl „die Bude brennt“.

„Einmal kaufen – ein Leben lang Freude“, damit warb die Firma schon vor vielen Jahren. Sie bietet an, die Möbel von der Neubeschichtung des Rahmens bis zur Bespannung wieder aufzuarbeiten und damit die Lebensdauer zu verlängern. Die Bespannung und die sonstigen Kunststoffteile werden recycelt und weitergenutzt.

70 Jahre alte Möbel werden aufbereitet

Susanne Henkel berichtet, dass ihre „wunderbaren Kunden“ sogar Möbel von 1950 aufarbeiten lassen: „70 Jahre Stahl gespart“, sagt sie. Ihr ist es persönlich wichtig, ihren Beitrag zum Schutz des Planeten leisten zu können, denn „Jetzt reichts, wir müssen unsere Kugel retten“.

Susanne Henkel ist kaum in der Öffentlichkeit

Die öffentliche Aufmerksamkeit sucht Susanne Henkel nicht. Vor rund 10 Jahren war sie allerdings medial präsent, bis hinein in den SPIEGEL hat sie es geschafft.

2013 erscheint eine SPIEGEL-Story über Susanne Henkel. Foto: Screenshot spiegel.de

Damals traf sie nach einer Boom-Phase der Firma eine ungewöhnliche Entscheidung: „So eine Wachstumsphase, die wollen wir nicht mehr.“ Zuviel betriebliche Kultur war in dieser Phase auf der Strecke geblieben: „Wir hatten keine Zeit mehr für Gespräche zwischen den Mitarbeitern, aus denen ja oft neue Ideen entstehen.“ Sie stellte sich damals die Frage „Brauchen wir mehr Umsatz oder mehr Ertrag?“ und ist für ihr Unternehmen zu der Überzeugung gekommen, unternehmensintern am Ertrag zu arbeiten, mittels technischer Innovationen und nachhaltiger Prozesse, die zusammen mit dem Kunden auf gemeinsamen Ertrag ausgerichtet werden.

„Wachstum“ neu definieren

Diesen Ansatz fährt sie bis heute. Sie will die Definition des „Wachstums“ neu denken, der Umsatz allein sei nicht die richtige Kenngröße: „Im Inneren des Unternehmens gibt es viele Ressourcen, die man in den einzelnen eigenen Prozessen schöpfen kann“, wird Henkel zitiert. Gewinne nicht aus immer höheren Verkaufszahlen, das ist ihr Ziel. Der Ertrag steht vor dem Umsatzwachstum, so erzielt Susanne Henkel Profit – ein Ansatz, der sich in den Lehrbüchern noch nicht durchgesetzt hat.

Familienunternehmen seit 1922

Seit 1922 besteht das Unternehmen und beschäftigt recht konstant rund 50 Mitarbeiter. Susanne Henkel ist Juristin und übernahm 1983 die Leitung des Familienunternehmens, weil ihr Vater schwer erkrankt war. Seitdem führt sie zusammen mit ihrem Bruder Kai das Unternehmen.

„Wir brauchen uns. Anders gehts nicht.“

Die Wirtschaftsministerin ehrt Susanne Henkel, doch die will das nicht so stehen lassen, bezieht in die Ehrung die gesamte Belegschaft und ihren Bruder Kai mit ein: „Wir brauchen uns. Anders gehts nicht.“

Text: Matthias Lauterer




„Das Schlimmste für uns alle ist: Wir müssen teurer werden. Und es wird dann für jeden Endverbraucher nochmal teurer“

Auf den ersten Blick abgelegen ist das Areal der Spedition Hamprecht in Kemmeten. Dort führt Rolf Hamprecht das Familienunternehmen, das schon sein Urgroßvater, Großvater und Vater geführt haben, weiter. Auch sein eigener Sohn arbeitet bereits im Unternehmen mit.

Kurze Hosen: Ein Dokument aus der Historie der Spedition. Foto: Sped. Hamprecht

Kleinere mittelständische Spedition

Den Verkehr zu den Seehäfen als Marktnische erobert. Foto: Sped. Hamprecht

25 LKWS fahren unter dem Namen des 64-jährigen, die Marktnische, die er bedient, ist der Verkehr in die Seehäfen und von den Seehäfen. „Es ist für mich wichtig, dass ich irgendwelche Nischenprodukte mache“, sagt er – denn als kleine Spedition kann er mit den „Großen“ der Branche nicht einfach mitschwimmen.

Zulieferern fehlen Teile

Spediteure merken es sehr schnell, wenn es der Wirtschaft gut oder schlecht geht – die Transportanfragen nehmen dann zu – oder eben ab, und so bemerkt Hamprecht: „Wir merken es relativ bald, weil wir sehr viele Seefracht-Vorläufe machen nach Hamburg, Bremen, Bremerhaven. Und da haben wir seit sechs sieben Wochen schon leichte Rückgänge und die Rückgänge werden immer mehr und drastisch. In den letzten 2 Wochen fahren wir noch mit drei LKW Hamburg, wo wir im Durchschnitt mit sechs LKW fahren, weil das Aufkommen in diesem Bereich schon relativ stark gesunken ist. Es ist halt auch das Problem, dass den Lieferanten sehr viele Zulieferer Teile fehlen und sie die Endprodukte nicht fertigstellen können.“

Alle Branchen betroffen

Maskottchen HAMPI ist immer fröhlich. Foto: GSCHWÄTZ

Dieser Rückgang ist nicht auf einzelne Branchen beschränkt, denn er fährt nicht nur spezielle Güter, sondern „alles. Alles, was mit Export zu tun hat, ob das Papier ist, ob das Maschinenteile sind, ob das Montage-Artikel sind, ob das Kunststoffe oder Ventilatoren sind. Es ist egal, was.“

Eine Nische, in der man Geld verdienen kann

GSCHWÄTZ: Vor der Corona- und der Kraftstoff-Krise, wie war das Standing im Markt als kleine Spedition? Gibt es irgendwas, wo Sie sagen, das kann ich viel besser als ein Großer und deswegen kann ich da auch mein Geld verdienen?

Rolf Hamprecht: Ich habe den Vorteil, dass ich direkt wirken kann, dass ich nicht über viele andere Schienen was abklären muss. Ich sage ja oder nein. Und ich kann auch nach Lösungen schauen, wo es die anderen Systeme einfach nicht möglich machen, weil da ein gewisser Ablauf herrscht. Und da kann ich kurzfristig anders reagieren und kann den Kunden zufriedenstellen. Es  ist für mich wichtig, dass ich irgendwelche Nischenprodukte mache. Ich möchte auch nie ein Fotokopierer sein, sondern ich möchte einfach meine Eigenentwicklungen machen und das machen, wo ich merke, was die anderen vielleicht nicht so können.

Heute fährt Hamprecht mit modernen LKWS. Die Qualität der Fahrerkabine ist ihm wichtig. Foto: GSCHWÄTZ

In seinem Unternehmen stellt er die Sendungen, die meist kleiner sind als ein ganzer Container so zusammen, dass die Abladeorte im Hafen optimiert werden: „Das sind lauter LCL-Sendungen [less than container load, Red.], also Stückgut-Sendungen, die in Hamburg zu FCL-Sendungen [full container load, Red.], also zu Containern  zusammengestellt werden.“ Das sei seine Nische, meint er: „Fahren können andere auch. Der Gedankengang bei mir ist, dass ich hier Waren von vielen verschiedenen Firmen sammle und diese auf möglichst nur 1 bis 2 Ladestellen pro LKW umwandle als Synergie.“

Flexibilität als Marktvorteil

Seine Flexibilität bringt seinen Kunden direkte Vorteile: „Wenn bei mir um 16:00 noch ein Kunde anruft, habe ich noch die Möglichkeit, dass das morgen früh um 6:00 in Hamburg sein kann. Da kann ich mich selber drum kümmern, was bei großen Dienstleistern etwas schwieriger ist, dieses umzusetzen. Und das sind auch meine Synergieeffekte: Ich kann da ganz anders reagieren. Ich kann zum Beispiel auch eine Sendung von Rottweil morgen früh in Hamburg haben, weil ich die einmal bei mir im Lager umschlage und der Fahrer mit voller Arbeitszeit vom Hof fährt.“ Die Fahrt von Kemmenten nach Hamburg dauert zwischen 7.5 und 8.5 Stunden, je nach Verkehr. „Somit habe ich keine Arbeitszeitproblematik und unsere Fahrer können es sauber abwickeln.“

Kemmeten als Standortvorteil

Das kleine Kemmeten bietet also einen Standortvorteil, da die Fahrer direkt und ohne die gesetzlich vorgeschriebene lange Pause die Seehäfen anfahren können.

Den Verkehr zu den Seehäfen als Marktnische erobert. Fot. Sped. Hamprecht

Auf eigenen Füßen bleiben

Einem der großen Logistik-Netzwerke hat er sich deshalb auch nicht angeschlossen: „Da habe ich mich ferngehalten, weil ich mir sage, ich bin da nur so gut wie das schwächste Glied in dem Netzwerk. Und ich kann unseren Kunden nicht irgendwelche Sachen versprechen, wenn ich vielleicht davon ausgehen muss, dass es morgen doch nicht ankommt, wenn ich es verspreche“

Klare Worte schaffen gegenseitiges Vertrauen

„Für mich ist wichtig, was ich nicht machen kann, dann muss ich leider Nein sagen. Aber mit dem Wort Nein finden wir sofort neue Lösungen.“

Der Dieselpreis

Rolf Hamprecht: Uns betrifft es zurzeit die neue Marktlage ganz besonders, weil wir ja doch von den Verbrennungsmotoren sehr abhängig sind. Und natürlich hat keiner gerechnet, dass sich in der kurzen Zeit der Kraftstoff so erheblich verteuert.

Weitere Optimierungen sind kaum möglich

Zur Zeit versuchen wir, das Optimale zu machen, aber wir haben schon immer nach großen Synergien geschaut, um schon immer nach CO2-Ersparnissen zu schaunen. CO2-Ersparnis heißt für uns, dass wir nicht leer fahren, wenn wir entladen haben, sondern auch schon Teilpartien  mitnehmen, um nicht auf der Autobahn halb leer zu fahren. Aus diesem Grund ist es für uns jetzt natürlich noch schwieriger, einzusparen.

Die umweltfreundlichsten LKW stehen still

Wen es ganz hart trifft, das sind unsere Kollegen mit den LNG-LKW, den Gas-LKW. Die haben sich ja vieles erhofft, weil man mit diesen Fahrzeugen auch Maut sparen konnte. Aber die sind so teuer geworden, weil der Gaspreis so überdimensional angestiegen ist, dass man sich das zurzeit aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr leisten kann.

GSCHWÄTZ: Das heißt, die allermodernsten und allersaubersten LKWs stehen im Moment?

Rolf Hamprecht: Ja, dadurch müssen viele dieser neuen Fahrzeuge stehen bleiben. Diese Unternehmen haben natürlich auch was für die Umwelt getan, haben investiert. Nicht gerade wenig, da einer dieser LKW bestimmt einen Mehrpreis hat von 30-000 bis 40.000 Euro. Und die dürfen jetzt parken, weil man nicht mehr in der Lage ist, den Gaspreis zu bezahlen.

Impression. Foto: Sped: Hamprecht

Jetzt wirds politisch

Die hohen Kraftstoffpreise spielen in alle Lebensbereiche hinein, weiß Hamprecht. Er selber ist betroffen, wenn die Industrie seine Preise nicht bezahlen will, betroffen ist natürlich die Industrie selber, aber letzendlich auch jeder Verbraucher:

Rolf Hamprecht: Ich verstehe natürlich auch die Industrie, dass sie nicht immer mehr bezahlen können, weil sie auch schon die Verhandlungen mit ihren Kunden, Endkunden oder Lieferanten schon getätigt haben. Und da wurde bei der Preiskalkulation natürlich auch der hohe Kraftstoffpreis nicht berücksichtigt, weil es im Voraus keiner wusste.

Preiseffekt für alle

Das Schlimmste für uns alle ist: Wir müssen teurer werden. Und es wird dann für jeden Endverbraucher nochmal teurer, weil das umgesetzt werden muß. Wir haben natürlich sehr gute Verbände und auch sehr gute Leute in den Verbänden. Die haben mit der Regierung schon mehrere Gespräche geführt.

Grüne Politiker in der Verantwortung

Aber leider ist unsere Regierung und derzeitige Regierung nicht bereit, irgendwelche Sachen zu unterstützen. Ob bundesweit ist oder landesweit, ist ganz egal, weil die grüne Bundesregierung sagt:  Wir wollen doch eigentlich, dass 2 bis 3 Euro für den Liter Diesel oder Benzin bezahlt werden muss. Wir wollen ja, dass weniger gefahren wird. Das ist ja alles okay. Aber diese Schritte kann man nicht innerhalb von drei Monaten umsetzen, weil da die ganze Infrastruktur gar nicht passt.
Und das nächste ist: Der grünen Regierung ist ja nicht mal klar, wer die ganzen Steuern bezahlt. Da sind Leute gewählt geworden, die wissen nicht, wie hart es ist, Gewinne zu tätigen und einen gewissen Erfolg zu haben. Da kommt nur die Aussage von ein paar Politikern, Deutschland ist ein reiches Land. Wir müssen gucken, dass wir wieder nach vorne kommen, dass nicht die anderen Industrieländer vorne sind, sondern dass Deutschland wieder vorne dabei war, wie früher auch.

GSCHWÄTZ: Also, ich schließe daraus, dass Sie bei der letzten Wahl eher nicht die Grünen gewählt haben.

Rolf Hamprecht: (lacht) Auf keinen Fall, weil ich auch schon wusste, in welche Richtung es geht.

GSCHWÄTZ: Wo steht denn Deutschland von der Gesamtwirtschaft her? Wo sollte denn Deutschland investieren? In welche Bereiche, damit es wieder nach vorne geht in Deutschland?

Rolf Hamprecht: Als erstes muss die Denkweise sich verändern. Es müssen in manchen Berufen die Mitarbeiter anders akzeptiert werden. Die Bezahlung sollte gleichmäßiger sein, nicht hohe Bezahlung und niedrige Bezahlung. Wir haben verschiedene Sparten, in denen noch ein hoher Jahresbonus gezahlt wird. Die niedrigbezahlten Leute kaufen sich dann irgendwann ein überteuertes Auto – und diese Leute stehen dann da und zahlen jahrelang ab und da passt das ganze Verhältnis nicht mehr. Die Akzeptanz der Menschen muss anders werden. Und auch die Bereitschaft der Mitarbeiter muss besser werden, dass man wieder mehr bereit ist zum Arbeiten. Sonst werden wir die Zukunft in Deutshland einfach nicht mehr positiv gestalten können.

GSCHWÄTZ: Was erwarten Sie denn von der Bundesregierung an Förderungsmaßnahmen zur Förderung der Wirtschaft, die sowohl Wirtschaft als auch Speditionen unterstützen könnten?

Rolf Hamprecht: Wir brauchen dann einen Industrie-Diesel oder einen Industrie-Kraftstoff, den wir in der Wirtschaft und auch in den beteiligten Verkehren nutzen können. Es muss für jeden den gleichen Marktvorteil geben, um wieder motiviert und positiv arbeiten zu können. Und wenn wir jetzt noch mehr Fahrzeuge verlieren – wie ich mitbekommen habe, wollen einige Spediteure kurzfristig oder in den nächsten zwei, drei Jahren aufhören – dann fehlt uns am Markt eine ganz große Menge.

GSCHWÄTZ: Der LKW mit alternativen Energieformen, sei es Wasserstoff, sei es Strom in welcher Form auch immer, bis wann sehen Sie den als marktreif und konkurrenzfähig gegenüber dem Diesel?

Rolf Hamprecht: Es ist so, es wird noch bis 2024 oder 2025 dauern, denn der Strom wird für uns im Sektor LKW keinen großen Wert haben. Vielleicht im Stadtverkehr. Aber was soll ich produzieren, wenn ich nicht mal weiß, wo ich die Batterie entsorgen soll? Und wir geben zurzeit bei den Entwicklungen Geld aus, wo es gar keinen Sinn macht. Ich begreife es nicht. Das einzige, was in Zukunft Sinn macht, ist eigentlich Wasserstoff. Aber man muss mal ganz deutlich sagen: Der Diesel ist zurzeit so sauber und wird niedergemacht von Politik. Ich weiß gar nicht … wenn man etwas Gutes hat, warum muss man da noch Geld kaputt machen? Es gibt einen Sprit, der 0,10 € teurer ist, der raucht nicht mal mehr. Das sind Kraftstoffe, die einfach hergestellt werden können ohne das man die Erde belasten muss mit Entsorgung von Batterien. Viele Menschenleben müssen leiden unter der Herstellung von Batterien. Ich weiß gar nicht, wer das verantwortet oder wer das verantworten soll.

GSCHWÄTZ: Reden Sie da von dem Care Diesel? [GSCHWÄTZ berichtete]

Zusammen umdenken

Rolf Hamprecht: Ja, genau.
Ich denke einfach, wir müssen alle zusammen umdenken. Das heißt, dass ich die Meinung von jedem schätze, aber man muß den Anderen auch mal erklären, dass es aus dem oder dem Grund nicht geht.

Familientradition soll erhalten bleiben

Vom kleinen Kemmeten in die Welt. Rolf Hamprecht bleibt eigenständig. Foto: GSCHWÄTZ

GSCHWÄTZ: Kommen wir zu einem anderen Thema: Kemmeten ist weit vom Schuß – haben Sie irgendwann einmal daran gedacht, woanders etwas aufzubauen?

Rolf Hamprecht: Kemmeten ist ganz dicht bei einem meiner größten Kunden – und in dieser Zusammenarbeit ist Nähe wichtig, darauf legt auch der Kunde großen Wert. Ich habe mir aber trotzdem Standorte im Kochertal angesehen. In den reichen Kochertalgemeinden: Niedernhall ist reich, Forchtenberg wird bald reich – nur Ingelfingen hat’s verschlafen. Aber ich gehöre zu Küau.

GSCHWÄTZ: Jetzt ist es ja auch so, dass die Spediteure den Markt immer mehr unter wenigen ausmachen wollen und viele kleinen Spediteure in einer Aufkaufwelle, zumindest bis vor Corona, aufgekauft wurden. Wie sieht es bei Ihnen aus? Hatten Sie solche Angebote auch schon?

Rolf Hamprecht: Ja, ich habe schon Angebote gehabt, aber ich möchte einfach das Unternehmen noch weiterführen, weil mein Junior Interesse hat. Und dem möchte ich das nicht verbauen. Der soll es in späteren Zeiten selber mal entscheiden, wie er das weiter ausbaut oder weniger macht. Das muss er die nächsten 2 bis 3 Jahre selber entscheiden.

Das Interview führte Matthias Lauterer




KRIWAN-Gruppe blickt auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2021 zurück

Die KRIWAN-Gruppe aus Forchtenberg blickt sehr zufrieden auf das vergangene Jahr 2021 zurück: „Der Umsatz der Gruppe konnte in Deutschland und den sechs Auslandstöchtern auf knapp 30 Millionen Euro gesteigert werden und wir sind mit der Ertragslage der Gruppe aktuell zufrieden“ freut sich der Geschäftsführer Dr. Christian Ellwein. „Im vergangenen Jahr haben uns Materialengpässe und Preiserhöhungen bei den Komponenten sehr herausgefordert. Durch die tolle Teamleistung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten wir mit sehr guter Qualität und Lieferfähigkeit wichtige zusätzliche Aufträge für 2022 gewinnen.“

Wichtige neue Aufträge gewonnen

Die KRIWAN-Gruppe produziert Sensoren und Elektronik zum Schutz und zur Digitalisierung von Verdichtern, Pumpen und Ventilatoren und führt im KRIWAN Testzentrum vor allem EMV- und Umwelttests für Automotive und Industrie durch. Insbesondere durch neue Schutzrelais für Wasser- und Abwasserpumpen und neue Sensoren für den Ölstand in Verdichtern erwartet sich die Gruppe weiter überdurchschnittliches Wachstum auch in 2022. „Im kommenden Jahr werden wir auch massiv in die Produktion am Standort Forchtenberg investieren. Insbesondere die Erweiterung unserer vollautomatischen Fertigung von Temperatursensoren auf höchstem Qualitätsniveau ist einer der wichtigen Schwerpunkte. Wir planen mit dem größten Investitionsbudget der Firmengeschichte.“ bestätigt der Vorsitzende des Beirats, Dr. Hans-Hinrich Kruse.

Größtes Investitionsbudget der Firmengeschichte geplant

KRIWAN setzt auch in 2022 weiter die eingeschlagene Strategie um: bei den Elektronikkomponenten für Pumpen wird eine erste Produktlinie für Chemiepumpen mit ATEX-Zulassung in den Markt eingeführt. In der Kälte- und Klimatechnik liegt ein wichtiger Schwerpunkt auf weiteren Produkten für die neuen Kältemittel wie CO2 oder Propan. Weiterhin wird ein neuer Windsensor mit sehr hoher Korrosionsbeständigkeit speziell für Offshore-Windkraftanlagen eingeführt. Im Testzentrum werden die Fähigkeiten für Hochvolt-Prüfungen erweitert. „Insbesondere Prüfungen und Tests von Komponenten für Nutzfahrzeuge, Kfz, Bahn und andere mobilen Anwendungen sind unsere Stärke“ verdeutlicht der Geschäftsführer des Testzentrums, Prof. Dr. Elmar Zeitler.

Pressemitteilung KRIWAN

 




Jeans made in Germany: das Geheimnis ihres Erfolges

Sina Trinkwalder war Unternehmensberaterin, bevor sie um 2010 eine Textilmanufaktur in Augsburg aufbaute. Bekannt wurde sie durch Ihren Ansatz, dort Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance mehr gesehen haben, zu beschäftigen. Im ersten Teil eines GSHWÄTZ-Interviews spricht sie über ihr soziales Engagement und darüber, wie es möglich ist, heutzutage in Deutschland noch Bekleidung zu produzieren, unter anderem ihre Jeansmarke Augschburgdenim, die sie in ihrer Firma manomama produziert.

GSCHWÄTZ: Via Zoom ist mir Sina Trinkwalder zugeschaltet. Beim „Vorbildpreis 2016“ in Bayreuth hast du dein Publikum ein wenig schockiert. Kannst du die Situation mal kurz kurz erläutern?

„Ich bin dann präsent, wenn es notwendig ist“

Sina Trinkwalder: In Bayreuth war es folgendermaßen … und nicht nur in Bayreuth. Ich mache das öfters, um Menschen einfach wirklich am Körper spürbar zu vermitteln, was falsch bei uns in der Wirtschaft läuft. Oft dann, wenn ich beispielsweise unterwegs bin, auf Lesungen und Vorträgen, und ich habe eine große Bühne und stehe da drei, vier Meter über dem Publikum. Dann lasse ich sie aufstehen und sich wieder setzen und die meisten fragen sich, warum sie das jetzt machen sollten. Dann kann man wunderbar erklären, dass Menschen einfach das tun, was jemand, der über ihnen steht, einfach befiehlt, ohne selber darüber nachzudenken, ob es überhaupt Sinn ergibt. Das ist die Erklärung dafür.

Menschen tun das, was jemand, der über ihnen steht, einfach befiehlt

GSCHWÄTZ: Mich hat das unheimlich erinnert an den Film Männer von Doris Dörrie, wo auch ein Manager-Test vorkommt. Wo der Herr Ochsenknecht einen Papierhut falten, den dann aufsetzen und auf den Stuhl steigen muss und hinterher heißt es, ja, ein Manager setzt sich keinen Papierhut auf und stellt sich auf einen Stuhl, wenn man es ihm sagt. Haben die Leute nichts gelernt seit der Zeit? Der Film war doch sehr berühmt damals.

Sina Trinkwalder: Da muss ich jetzt sagen, ich kenne ihn auch nicht, den Film (lacht). Insofern finde ich, die Argumentation „Haben die Leute nichts gelernt?“ würde ja nur ab einem gewissen Alter, in einem gewissen Alter greifen. Es gibt jeden Tag neue Menschen auf dieser Welt und jeden Tag gibt es neue Standpunkte, neue Sichtweisen. Insofern glaube ich auch, „hat man nichts gelernt“ ist nicht unbedingt der richtige Ausdruck, sondern wir lernen jeden Tag aufs Neue. Das dürfen wir fragen, ob wir nicht bereit sind, jeden Tag aufs Neue lernen. Da würde ich unterschreiben. Nein, es gibt Leute, die sich dann ganz felsenfest auf den Standpunkt setzen „das haben wir immer schon so gemacht“, es wird anders gemacht und Ende. Und das ist auch momentan ein bisschen unser Dilemma.

Würth verleiht Preis an Trinkhauser: „Unternehmerisches Herz“

GSCHWÄTZ: Ah ja, da nimmst Du was vorweg. Das ist nämlich einer der zwei Sätze, die meiner Meinung nach die deutsche Bekleidungsindustrie in den Ruin getrieben haben. Der eine ist „das haben wir noch nie so gemacht“ und der andere ist, „das haben wir schon immer so gemacht“. Aber das ein kleiner Vorgriff.

Du hast 2017 einen Preis bekommen mit einer Beziehung zu Künzelsau, nämlich den Preis Unternehmerisches Herz, der unter anderem von der WÜRTH-Gruppe verliehen wird, von der Wirtschaftswoche unter anderem  und der WÜRTH-Gruppe. Wiie fühlt man sich da, wenn man als relativ kleiner Unternehmer einen Preis bekommt von einer Zeitung und einem Unternehmen, das doch weltweit agiert und eigentlich Großindustrie ist?

Sina Trinkwalder: Wie fühlt man sich da? Ich habe ja, wenn du geguckt hast, sehr sehr sehr, sehr viele Preise bekommen und ich fühle mich danach auch nicht anders als die anderen, sondern „weitermachen“. Das ist mir eigentlich reichlich egal, wie groß oder klein jemand ist. Wenn jemand Notiz von der Arbeit nimmt, die wir in Augsburg machen, dann ist es doch wunderbar und dann begrüße ich das auch.

GSCHWÄTZ: Kannst Du vielleicht ganz kurz darauf eingehen, was du genau in Augsburg machst?

Sina Trinkwalder: Was ich in Augsburg mache? Seit vielen, vielen Jahren, seit nunmehr fast 12 Jahren produzieren wir in Augsburg wieder Bekleidung. Wir wertschöpfen Textilien dort, wo sie vor vielen vielen Jahrzehnten auch gewertschöpft wurden. In einer Zeit bevor man eben bevor man eben im Zuge der Globalisierung woanders hingegangen ist.

GSCHWÄTZ: In der Laudatio zu dem Preis von Würth steht das sehr genau drin: „Sie produziert in ihrer teuren Heimat, verwendet Stoffe aus Deutschland und gibt Langzeitarbeitslosen einen Job in einer Welt mit immer mehr Menschen und begrenzten Ressourcen. Müssen wir anders denken, um nachhaltiges Wachstum zu ermöglichen? Und Trinkwalder zeigt, wie es gehen kann.“

Corona: „Ich musste niemand meiner Kolleg:innen nach Hause schicken“

Sina Trinkwalder: Ja, vielleicht. Was ganz spannend ist, auch in der Zeit der Krise, der Coronakrise, wo ja die ganzen globalen Ketten implodieren. Wir kamen die letzten eineinhalb Jahre komplett ohne Kurzarbeit aus, ich musste niemand meiner Kolleginnen und Kollegen nach Hause schicken. Wir machen weiter wie bisher. Und ja, es zeigt vielleicht auch, dass es nicht unbedingt die falscheste Entscheidung war, wieder in einer regionalen, beständigen Wertschöpfungskette zu produzieren. Vor allen Dingen ist es die ökologischste.

GSCHWÄTZ: Wie schaffst du das, Jeans auf den Markt zu bringen – Ich habe jetzt zum Beispiel gerade eine an, man sieht es aber nicht – die zum einen in einer sehr guten Qualität sind und zum anderen vom Preisniveau ungefähr auf dem Niveau liegen, wie es die großen Ketten auch anbieten, die dann die Jeans aber für 10 Euro aus Asien importieren.

So rechnet sich die Herstellung einer Jeans

Sina Trinkwalder: Na ja, das Geheimnis ist ganz einfach Du hast es schon gesagt: In einer sehr guten Qualität. Wir würden gar nicht überleben, wenn wir nicht sehr gute Qualität produzierten. Naja, und das zweite ist, dass wir völlig anders kalkulieren. Wenn man sieht, wie heute eine Jeans kalkuliert ist, übrigens jedes textile Produkt … Vor ungefähr fünf bis sieben Jahren war es noch so, dass man sagte der Herstellungspreis mal 3 plus Mehrwertsteuer. Also wenn wir 10 Euro Herstellungspreis oder Fabrikabgabepreis haben, dann wärst du da bei 30, 35 Euro plus Mehrwertsteuer bis bei 45 Euro, salopp gesagt. Die hat aber damals schon 100 Euro gekostet. Mittlerweile sind die Kalkulationen auf das sieben- bis achtfache. Also die Jeans ist nicht teurer geworden bzw. nur minimal teurer geworden. Aber mittlerweile zahlst du 120 bis 150 Euro für dieselbe Geschichte.

Augschburgdenim-Jeans im manomama-Webshop.

Warum? Weil natürlich zum einen die Unternehmen das wirklich brauchen, weil sie sich im Internet um die Reichweite schlagen und einen Haufen in Werbung stecken. Die haben überhaupt gar keine Kohle für Werbung. Und zum Zweiten ist es so, dass sie auch den Verwaltungs- und auch den ökologischen Apparat bedienen müssen. Also so eine Logistik-Geschichte, die kostet ja richtig Geld. Mittlerweile sind wir bei 20.000 Dollar für einen Container. Das wird alles teurer. Das ist bei uns hier nicht teurer geworden. Und das einzige, was teuer ist, aber „teuer“ empfinde ich als völlig falschen Ausdruck, ist Arbeitskraft. Ich setze oder ich richte meine Unternehmen alle volkswirtschaftlich aus. Und volkswirtschaftlich gesehen ist es genau das einzig Richtige zu sagen, dass wir jedem Menschen auch wieder ermöglichen, seinen Erwerb zu erwirtschaften.  Egal wie jung oder alt er ist, wie groß, wie klein, wie dick, wie dünn, wie  gehandicapped oder wie nicht gehandicapped. Das ist die Aufgabe für mich als Unternehmer. Und dass es teurer in der Herstellung ist, ist natürlich klar, auch weil wir ausschließlich ökologische Materialien und regional verarbeiten. Aber im Endeffekt langfristig gesehen, vom Blick unserer Enkel und Enkelskinder gesehen oder Enkelsenkel gesehen, ist es eine richtig günstige Hose.

Marketingkosten über 50 Prozent

GSCHWÄTZ: Meine nächste Frage ja schon teilweise angesprochen. Eigentlich steckt ja in den „Industrietextilien“ teils 50 Prozent Marketingkosten drin.

Sina Trinkwalder: Das wird wahrscheinlich nicht mal mehr reichen. Ja, das Marketing bei manomama bin ich [lacht]. Mehr ist nicht drin.

GSCHWÄTZ: Nunja, das ist ja auch ein Gesicht und eine Person, die bekannt ist. Da braucht man dann keine Fußballspieler mehr?

„Wenn Leute sagen, das geht nicht, dann ist es deren Begrenzung.“

Sina Trinkwalder: Ja, manchmal wäre mir es ganz recht, wenn es anders wäre. Aber es ist völlig in Ordnung. Ich habe mich wie gesagt vor 12 Jahren für das soziale Projekt entschieden. Heute ist wirklich ein stabiler Mittelständler daraus geworden und wir sind alle stolz. Wir haben ja jetzt auch gerade die Diskussion mit Mindestlohn 12 Euro. Klappt das oder klappt es nicht? Das ist für uns beispielsweise überhaupt gar keine Diskussion. Wir sind gestartet, als es gar keinen Mindestlohn gab. Und auch jetzt, wir haben vor eineinhalb Jahren schon gesagt, wir müssen uns so aufstellen und so umstrukturieren und wir müssen so Produkte produzieren, dass wir auch die Löhne erwirtschaften, dass die Menschen davon leben können.

Kann „überhaupt nicht verstehen, dass wir hier in Deutschland um Mindestlöhne diskutieren.“

Und wenn Leute sagen, das geht nicht, dann ist es deren Begrenzung. Ja, es geht schon, wenn man will. Dazu braucht es auch wirklich tolle Partner. Wir produzieren ja beispielsweise auch viele Einkaufstaschen für die Edeka, Tegut, DM und auch die gehen den Weg, weil auch dort wissen die Einkäufer, alles wird teurer. Niemand kann erwarten, dass immer alles gleich bleibt. Aber wenn alles teurer wird, müssen auch die Löhne steigen. Insofern kann ich die Diskussion überhaupt nicht verstehen, dass wir hier in Deutschland um Mindestlöhne diskutieren.

GSCHWÄTZ: Du hast eben gesagt, Deine soziale Firma. Wie äußert sich das ursprünglich? Wenn ich das recht in Erinnerung habe, waren ja diese Taschen im Prinzip der Einstieg, durch den du den Leuten bekannt geworden bist.

„Du kannst das und komm, wir gehen gemeinsam den Weg“

Sina Trinkwalder: Es ist. Wir machen bis heute zum großen Teil ungefähr 60 bis 65 prozent Einkaufstaschen aus Bio-Baumwolle. Einkaufstaschen für die großen Kooperationspartner, weil das auch der Qualifikations- Einstieg für meine Menschen ist. Für jemand, der noch nie an der Nähmaschine gesessen ist, ist das ein überschaubares Projekt. Das sind Handgriffe, die man erlernen kann. Und über diese Handgriffe hinweg, finden sie wieder Selbstvertrauen und  Selbstwertgefühl, dass sie was drauf haben.
Wenn man bedenkt … Du musst dir vorstellen, wenn dir 500 mal jemand erzählt, du bist zu blöd für irgendwas, du kannst gar nix, ich will dich nicht einstellen, dann glaubt man das irgendwann und dann ist das Selbstwertgefühl komplett weg, das Selbstvertrauen nicht mehr da. Und das müssen wir erst mal wieder aufbauen und sagen „Doch, da gibt’s was und du kannst das und komm, wir gehen gemeinsam den Weg“. Und so fing das Ganze eben an..

GSCHWÄTZ: Es waren also Mitarbeiter, die zu dem Zeitpunkt in irgendeiner Weise krank waren, vielleicht auch psychisch Probleme hatten, die du da ursprünglich eingestellt hast?

„Und bis heute stellen wir Menschen ein, die es auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht einfach haben.“

Sina Trinkwalder: Und bis heute stellen wir Menschen ein, die es auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht einfach haben, wir haben sehr viele Menschen, die einen Migrationshintergrund haben, also Barrieren in der Sprache oder im Lesen beispielsweise. Wir haben Menschen, die vermeintlich zu alt sind, zu wenig leistungsfähig in den Augen der Human-Resources-Abteilungen. Wir haben körperlich gehandicapte. Psychisch gehandicapte haben wir weniger, weil wir ja keine Therapie-Einrichtung sind, den Schuh ziehen wir uns auch nicht an. Psychisch gehandicapte Menschen oder psychisch beeinträchtigte Menschen, die brauchen professionelle Hilfe. Das sind wir der falsche Ansprechpartner. Das darf man eben nicht verwechseln. Weil am Ende des Tages sind wir auch eine Unternehmung, die die schauen muss, dass sie schwarze Zahlen schreibt. Das machen wir seit Jahren. Wir haben keine Bankkredite, keine Fördermittel, nichts. Und das wollen wir auch weiterhin so behalten. Aber wir sind eben keine therapeutische Einrichtung.

GSCHWÄTZ: Bekleidungsnäherinnen zu finden dürfte im Moment schwierig sein, weil es den Beruf in der Ausbildung praktisch nicht mehr gibt in Deutschland?

„Wir haben wieder angefangen, auszubilden“

Sina Trinkwalder: Ja, das war von Anbeginn schwierig, es gibt sie nicht mehr, wie du richtig gesagt hast, aber wir haben wieder angefangen, auszubilden. Und wir selbst bilden in Augsburg Bekleidungsfertiger aus,  Modeschneider, Modenäher und schaffen uns selbst unsere Manufaktur Kolleginnen.

GSCHWÄTZ: Wie viele Mitarbeiter hast du im Moment im Produktionsbereich?

Sina Trinkwalder: Es gibt keinen anderen Bereich bei uns. Wir haben keinen großartigen Verwaltungsbereich. Wir haben da zwei Halbtagskräfte und das ist natürlich … momentan sind wir zirka 130 Leute.

GSCHWÄTZ: Das ist ja keine ganz kleine Firma mehr.

Sina Trinkwalder: Nee, so klein ist sie nicht, sie war schon auf 150. Wir haben aber dann auch jetzt die letzten zwei Jahre im Zuge der Pandemie mit Abständen und Tralala und weiß der Geier was alles zum Einen und zum Zweiten auch aufgrund der Tatsache, dass wir bereits viele Ladies und Gentlemen mit in die Rente begleiten durften, gesagt, wir machen jetzt erst mal halblang, um wirklich zu gucken, dass wir alle gesund durch diese Krise kommen.

GSCHWÄTZ: Wenn man jetzt sich die Lage der Bekleidungsindustrie in Deutschland generell vorstellt: Wir haben keine ausgebildeten Mitarbeiter mehr, die Maschinenindustrie ist im Prinzip abgewandert, bei der Deutschland absolut führend war, weil es einfach keine Partnerfirmen mehr gegeben hat. Siehst du irgendeinen Weg, diese Industrie zum Teil wieder zurückzuholen nach Deutschland?

Bekleidungsindustrie in Deutschland: „Ich glaube, zurückkommen wird keiner mehr.“

Sina Trinkwalder: Nein, ich glaube, zurückkommen wird keiner mehr, zumindest nicht unter den Voraussetzungen, wie wir es bei manomama machen. Monomama, der Name kommt von Manu, die Hand, und Mama, die Mutter. Aus den Händen der Mütter. Bei uns steht auch der Manufaktur-Gedanke sehr groß im Vordergrund. Manufaktur deshalb, weil du dir vorstellen musst, wenn du etwas mit den Händen erarbeitest, dann gibt es auch eine intrinsische Motivation. Diese viel besagte intrinsische Motivation, die Selbstwertgefühl vermittelt und die einfach ein gutes Gefühl gibt, dass du etwas drauf hast, dass du etwas kannst.
Was mit Sicherheit wieder zurückkommt –  was wir bei Adidas schon gesehen hatten, wobei die schon wieder weg sind – ist vollautomatisierte Schuhproduktion, vollautomatisierte T-Shirt-Produktion. Da brauchst du dann nicht 10 Menschen, um beispielsweise einen Hoodie zu produzieren, sondern einen halben, der parallel fünf Maschinen bedient und fünf Mal aufs Knöpfchen drückt. Das ist in meinen Augen nicht menschenfreundlich, weil niemand Bock hat, den ganzen Tag nur aufs Knöpfchen zu drücken. Ja, das ist auch nicht zielführend für die Motivation, sondern das ist einfach ein Handlanger der Automatisierung. Das, glaube ich, kann wieder nach Deutschland kommen, gerade im Hinblick auf implodierte Lieferketten, dass man versucht, so viel wie möglich zu automatisieren.
Aber das ist genau den Weg, den wir nicht gehen, sondern wir wollen, dass der Mensch im Hintergrund steht, dass eine menschliche, kreative Schaffenskraft im Vordergrund steht, dass wir nach wie vor auf der Wurzel sind, wie ich manomama auch gegründet habe: Wirtschaft FÜR  Menschen und nicht durch Menschen. Wir sind eine 130-Leute-Manufaktur und es bleiben wir auch immer.

GSCHWÄTZ: Ist das Manufakturwesen möglicherweise für Deutschland eine Zukunft in verschiedensten Industriebereichen?

Die Renaissance des echten Handwerks

Sina Trinkwalder: Bin ich ganz, ganz sicher, dass dem so ist und wir sind auch mittendrin in einer Renaissance, in einer beginnenden. Wenn man sieht, junge Menschen bekennen sich wieder zum Bäckerhandwerk, zum Fleischerhandwerk, zu ganz archaisch bodenständigen Handwerksgebilden. Ich glaube, dass wir auch in großen Teilen diesen Zenit an Industrialisierung echt überschritten haben. Es wurde alles standardisiert, es wurde alles ge-DIN-Normt. Der Mensch hat keinen Bock mehr auf standardisierte Scheiße. So wird Konsum auch nicht mehr funktionieren. Dass wir Konsum brauchen, da brauchen wir nicht drum herumreden und dass wir ihn auch ein bisschen wollen, ist ja auch in Ordnung. Die Frage ist, wie gestalten wir ihn so, dass wir nicht Raubbau an Mensch, Tier, Umwelt treiben. Und ich glaube, wenn wir wieder viele Kleine nach vorne bringen, durchaus auch mit den Regularien von großen Industrien, wenn es um Lebensmittelsicherheit geht, um Arbeitsschutz geht und und und, dann kann das eine ganz wunderbare, vielfältige Geschichte werden. Wir brauchen auch Vielfalt in der Wirtschaft. Ja, ich finde Einfalt oder Monopolismus und Monopolstellungen finde ich ganz, ganz ganz gefährlich.

Im zweiten Teil des Interviews spricht sie über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und Verwerfungen in der Bundesrepublik und die Chancen, die sich daraus auch ergeben können.

Die Fragen stellte Matthias Lauterer