Immernoch kein Go für Freiflächenphotovoltaik in Steinbach
Erneut stand am 10. Mai 2020 im Gemeinderat Künzelsau die Photovoltaikanlage (PV-Anlage) „Steinbach II“ auf der Tagesordnung. Beantragt war, den Aufstellungsbeschluß für die Änderung des Bebauungsplans zu fassen.
„Hausaufgaben“ aufgegeben
Bereits vor einigen Monaten wurde das Projekt im Künzelsauer Gemeiderat vorgestellt: Ein ansässiger Landwirt will auf seinen Flächen zwischen Steinbach und Amrichshausen durch eine Projektgesellschaft eine PV-Anlage errichten lassen.
Im Unterschied zu anderen derartigen Projekten in Künzelsau will er die Anlage allerdings nicht selber betreiben, sondern die Fläche an den Betreiber zu verpachten. Zum damaligen Zeitpunkt waren verschiedene Punkte noch nicht geklärt, unter anderem fehlte das Einverständnis des Regionalverbandes und das Konzept zur Bürgerbeteiligung war dem Gemeinderat nicht detailliert genug.
Gemeinderat schaut sich die Hausaufgaben gut an
Am 10. Mai 2022 trat Hans-Georg Pfisterer, Geschäftsführer der Projektgesellschaft SolNet, erneut vor den Gemeinderat. Er konnte berichten, dass der Regionalverband zwischenzeitlich dem Projekt zugestimmt hat und dass bezüglich der Eigenbeteiligung eine Regelung mit dem Landwirt getroffen wurde. Auch sei geklärt, dass der Sitz der Betreibergesellschaft Künzelsau sein werde. Für die Beteiligung der Bürger schlug er ein Crowdfunding vor, sodass sich Bürger für 3,6 Prozent Verzinsung für fünf Jahre über ein nicht näher spezifiziertes Darlehen an der Projektgesellschaft beteiligen könnten. Die BaFin müsse den Prospekt vorab genehmigen, insofern sei eine Sicherheit gegeben, denn „Crowfunding ist etwas, da gibts keine festen Regeln für“, so Pfisterer.
Diese Art der Bürgerbeteiligung entsprach ziemlich genau dem Vorschlag, der schon bei der ersten Projektvorstellung gemacht wurde und dem der Gemeinderat bereits damals einige Skepsis entgegenbrachte.
„Keine Bürgerbeteiligung – keine Zustimmung“
Und so widersprach auch Boris d’Angelo: „Ich kann da nur bei einer echten Beteiligung zustimmen. Das ist keine Beteiligung, sondern ein Geldeinsammeln. Eine Beteiligung umfasst zum Beispiel Stimmrechte“, meinte er und stellt den Antrag, die Abstimmung über den Aufstellungsbeschluß so lange zurückzustellen, bis ein Konzept zu einer wirklichen Beteiligung vorliegt. „Keine Bürgerbeteiligung – keine Zustimmung“, sagt d’Angelo.
Forderung nach echter Beteiligung
In dieselbe Kerbe schlägt auch Hans-Jürgen Saknus und zitiert ein aktuelles Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nach dem es zulässig sei, eine wirtschaftliche Beteiligung von Bürger:innen und Gemeinden zur Voraussetzung zu machen. Das sei eine klare Forderung nach einer echten Beteiligung, findet er.
Wirtschaftliche Beteiligung: Der Einleger ist direkt am Ergebnis und am Risiko des Unternehmens beteiligt, steigt der Strompreis, erhält der Einleger mehr Rendite. Wird die Anlage etwa bei einer Naturkatastrophe zerstört, trägt der Anleger wirtschaftliches Risiko.
Darlehen: Der Einleger stellt dem Betreiber eine Summe für eine festgelegte Zeit zur Verfügung und erhält dafür eine vorab vereinbarte Verzinsung. Steigt der Strompreis, hat der Einleger nichts davon. Bei einer Insolvenz des Unternehmens trägt der Einleger ebenfalls das Risiko des Verlusts seiner Einlage. |
Ernst Bürkert will eine Abstimmung und meint, dass man die Voraussetzungen mit der Bürgerbeteiligung im Nachgang nochmals angehen solle.
Plötzlich doch unternehmerische Beteiligungen möglich
Pfisterer wirft noch ein, dass die spätere Betreibergesellschaft, die IB Vogt GmbH, auch echte unternehmerische Beteiligungen bis zu 49 Prozent anbieten könne. „Erst den Startschuß geben, man kann das dann im Verfahren klären“, sagt er. Es ist klar, warum er einen Beschluss will, denn er steht unter Zeitdruck: Die beiden noch offenen PV-Ausschreibungen durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) finden am 01. Juni und 01. September statt – bis dahin benötigt er den Aufstellungsbeschluß, sonst kann er sich an der PV-Aussschreibung der BNetzA zum 01. Juni nicht bewerben.
Große Mehrheit will den Bebauungsplan noch nicht aufstellen
Das überzeugt die Mitglieder des Gemeinderates nicht und so stimmt eine große Mehrheit von 16 Gemeinderät:innen für den Antrag Boris d’Angelos.
Weitere offene Fragen, etwa „Was passiert, wenn die Betreibergesellschaft veräußert wird?“, müssen daher in dieser Sitzung nicht mehr geklärt werden – das Projekt wird in einer der folgenden Sitzungen wieder auf die Tagesordnung kommen.
„Hausaufgaben“ nicht gut gemacht
Pfisterer hatte dem Gemeinderat bereits bei der ersten Projektvorstellung nicht zugehört, jetzt dürfte auch der Termin 01. Juni 2016 für den Zuschlag der Bundesnetzagentur nicht mehr zu erreichen sein.
Text: Matthias Lauterer