Ceyhan Akin betreibt in Forchtenberg eine Sportsbar, die coronabedingt seit mehreren Monaten zum zweiten Mal nicht öffnen darf. Er hat sich zum Ziel gesetzt, die lokalen Landtagsabgeordneten auf ihren Veranstaltungen zu besuchen und sie über die Situation der Gastronomie aufmerksam zu machen.
Patrick Wegener, den Kandidaten der SPD, erwischte er in Künzelsau noch beim Auspacken der Wahlkampfmaterialien:
„Ich konnte letztes Jahr meine Kinder kein Weihnachtsgeschenk kaufen“
„Ich als Gastronom habe seit vier Monaten zu. Für was werben Sie?“, fragt er Wegener. „Ich habe seit vier Monaten keine Einkünfte. Ich habe in Forchtenberg eine Sportsbar. Ich stehe in der Liste ganz zum Schluss, vorm Bordell und den Diskotheken darf ich aufmachen. Ich habe nichts zum Essen, nicht zum Trinken. Ich kriege von der Regierung, vom Staat kriege gar nichts. Jeder Arbeitslose bekommt Geld, wenn er arbeitslos ist, wir Gastronomen kriegen gar nichts“, erklärt er Wegener.
„Die Frage stellt sich: Wann gebe ich auf?“
„Meine Kunden fragen mich, wann machst du auf?“ Diese Frage stelle sich aber gar nicht mehr. Sondern: „Wann gebe ich auf? Seit dreieinhalb Jahren mache ich dieses Geschäft. Hab den Laden aufgebaut. Ich konnte letztes Jahr meine Kinder kein Weihnachtsgeschenk kaufen.“ Akin kann die Maßnahmen der Regierung durchaus verstehen – was er nicht versteht ist, dass er immer noch keine Gelder aus der Überbrückungshilfe erhalten hat: „Ja, weil die Regierung, also Sie, unter anderem die SPD und die CDU und die ganze Pinocchios, die da oben sitzen in Berlin nicht fähig sind, ihre Versprechen einzuhalten. Bitte erklären Sie mir, wann ich mein Geld bekomme.“ Er weist darauf hin, dass die Kommunikation der Regierung nicht richtig sei: „Warum sagt ihr mir in den Medien, dass wir 90 Prozent bekommen? Wir kriegen maximal 90 Prozent von dem, was wir an Fixkosten haben. Warum wird das nicht erwähnt?“
Unterschiedliche Überbrückungshilfen
Er spricht dabei von der Überbrückungshilfe Ü3, die bis zu 90 Prozent der Fixkosten erstattet. Die Hürden sind allerdings hoch: Konnte die erste Überbrückungshilfe noch vom Antragsteller in einer Web-Anwendung unkompliziert selber beantragt werden, ist für die Ü3 ein Steuerberater mit einer speziellen Ausbildung notwendig. Die erste Coronahilfe, so Akin, wurde zeitnah ausbezahlt, von der sogenannten November- und Dezemberhilfe hat er vor wenigen Tagen eine Abschlusszahlung erhalten.
Wegener kommt kaum zu Wort
Kurz kommt Wegener zu Wort, der gerne bei Akin vorbeischauen würde, da schildert Akin schon ein weiteres Problem: „Meine Kunden sagen zu mir: „Du hast den Reibach gemacht, du kriegst deine Kosten erstattet. Ich mache keinen Reibach. Mein Verpächter macht den Reibach, der ist abgesichert. Wo bin ich? Ich kann nicht mal Hartz IV beantragen, weil meine Frau arbeitet. Und das, was seine Frau verdiene, damit bezahlen sie die Miete, Kredit, Versicherung, Internet und den Strom. „Wovon soll ich leben?, fragt er.
„Leider zu oft die Geschichte gehört“
Wegener hat „leider zu oft die Geschichte gehört, dass das Geld nicht ankommt.“ – „Und warum wird da nichts gemacht? Das hören sie aber nicht seit gestern. Warum wird nichts gemacht?“ „Wir versuchen unser Bestes. Ich gebe es an meine Leute weiter. Und ich hoffe, dass es geht. Für mich ist es wichtig, denn Sie brauchen Perspektiven“, sagt der SPD-Kandidat Wegener.
„Wir brauchen Lösungen“
Joachim Schmidt, als Betreiber des TUI-Reisecenters in einer ähnlichen Situation wie die Gastronomen, fordert die Politiker der Parteien zur Zusammenarbeit auf: „Seit einem Jahr schaffe ich hier und verdiene keine müde Mark, genauso wie er. Und das kann nicht sein. Mir ist es echt wurscht, wie viele Parteien es sind: Haltet alle mal zusammen. Wir sind in einer Situation, in der wir alle mal an einem Strang ziehen müssen. Wir brauchen Lösungen.“
Kandidat hat auf die Schnelle keine Lösung parat
„Ich verstehe ihren Unmut total, und deswegen bin ich auch hier, dass man in Kontakt bleibt, im Dialog bleibt. Klar ist auch, wenn die Hilfen nicht ankommen, ist für mich total verständlich, dass der Unmut wächst.“
Der Bürgermeister läuft hier rum wie der Pfau
Akin stört es besonders, dass die lokale Politik nicht auf die betroffenen Kleinbetriebe zugeht: „Hier, der Bürgermeister von Künzelsau läuft hier rum wie der Pfau. Aber ich glaube nicht, dass der Herr Bürgermeister mal in die Wirtschaft da reingegangen ist und gefragt hat, hey, wie sieht’s aus, kann ich als Kommune was tun? Dann kommt noch das: Ihr müsst als Kommune uns helfen. Der Bürgermeister von Forchtenberg hat bei mir nicht angerufen und gefragt, „Hey JJ, wie sieht’s aus? Du bringst was in diese kleine Stadt. Du organisierst Live-Events, Musik und so weiter. Können wir dir als Kommune helfen?“ Nein, das passiert nicht. Und das ist unser Unmut – und jetzt ist das Fass einfach voll.“
Haltet doch einfach Euer Versprechen ein
Endlich kann Wegener auch ins Gespräch eingreifen, er verweist auf seine Tätigkeit in Öhringen: „Ich bin Stadtrat in Öhringen, da haben wir genau diesen Punkt auch im Gemeinderat eingebracht. Weil ich gesagt habe: Ich muss vor allen Dingen eins haben, ich brauche die Rückmeldung und den Austausch mit allen vor Ort. Wie behalte ich eben auch in der Pandemie und nach der Pandemie hier noch was am Leben. Und das geht nur dann, wenn wir zusammenarbeiten. Das fand ich gut, was Sie gesagt haben.“
„Ich verstehe meinen Unmut auch“
Akin entgegnet: „Sie sagen, Sie verstehen meinen Unmut. Ich verstehe meinen Unmut auch. Aber ich verstehe nicht: Sie bekommen Geld. Alles gut. Aber haltet doch einfach eure Versprechen ein.“
Eine Art Schlusswort wirft nochmals Joachim Schmidt vom TUI-Reisecenter ein: „In der jetzigen Situation geht’s doch nicht mehr darum, ob der stärker ist oder der besser ist. Wir müssen schnell und klipp und klar eine klare Lösung finden.“
Text: Matthias Lauterer
Das vollständige Video wurde von Ceyhan Akin auf facebook eingestellt, hier der Link auf seine Seite.