Für eine große Überraschung sorgte Prof. Dr. Otto Weidmann (FWV), als er in der Kreistagssitzung vom 07. Dezember 2020 vorschlug, doch anstelle der Kochertalbahn eine Shuttlebuslinie mit Elektrofahrzeugen zu planen. GSCHWÄTZ hat bei Prof.Dr. Weidmann nachgefragt, warum er einen Bus anstelle einer Bahn bevorzugt.
Defizite im Hohenlohekreis: Verkehr, Studienplätze, Digitalisierung
Er holt ein wenig aus und beschreibt drei Defizite, die er im Hohenlohekreis sieht: Verkehr, Versorgung mit Studienplätzen und Digitalisierung. Mit einer überregionalen Lösung der Verkehrssituation, die zum Beispiel die Hochschulstandorte in Heilbronn, Schwäbisch-Hall und Künzelsau anbindet, könnte das Angebot für Studierende aus dem Hohenlohekreis verbessert werden.
Blick über die Grenzen des Hohenlohekreises hinaus
Dazu bräuchte es aber, so Weidmann, einen Blick über die Grenzen des Hohenlohekreises hinaus: Die Anbindung auf dem Schienenweg nach Schwäbisch-Hall und darüber hinaus nach Crailsheim sowie nach Heilbronn müsse verbessert werden. Dazu könnte eine häufigere und schnellere Anbindung von Bad Mergentheim nach Künzelsau das System ergänzen.
Verbund von Stadtbahn, Regionalbahn und e-Shuttle-Bus
Eine Verdichtung des Takts der Stadtbahn, sowie eine Weiterführung der Strecke über Cappel hinaus bis Waldenburg mit nur einem weiteren Halt in Neuenstein, sieht er als unbedingt notwendig an. Die Strecke bis Waldenburg müßte dafür elektrifiziert werden. Genauso sei es unabdingbar, die Regionalbahnstrecke nach Schwäbisch-Hall zu intensivieren. Immer wieder angeführtes Problem sei der Ausbau des Tunnels vor Schwäbisch-Hall, der zu niedrig für eine Oberleitung sei. Die Lösung könnten Hybridfahrzeuge sein, die diese Strecke ohne Tunnelbauarbeiten bedienen könnten. Sowohl Lokomotiven mit Dieselmotor als auch S-Bahn-Züge mit Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb sind derzeit bereits im Einsatz. Er kann sich einen Viertelstundentakt auch auf der Regionalbahnstrecke vorstellen.
„Die Menschen machen das, was schnell geht und bequem ist“
In Ergänzung zum intensivierten Schienenverkehr schlägt Weidmann einen schnellen und elektrischen Shuttlebus vor. „Mit einem elektrischen Antrieb und regenerativ erzeugtem Strom ist der ökologische Vorteil der Bahn weg“, meint Weidmann. Den Geschwindigkeitsvorteil, den die Bahn bei einem Stau auf der B19 hätte, sieht er nicht: Einerseits sei ja der 4-spurige Ausbau der B19 in Planung, andererseits könnte der Bus auch auf gut ausgebauten Landwirtschaftswegen neben der B19 fahren – versenkbare Poller würden den Zugang zu diesen Wegen regeln. Man habe in Öhringen mit einem derartigen System schon gute Erfahrungen gemacht. Vor allem sieht er aber mit dem Bus eine umsteigefreie Anschlußmöglichkeit des Hochschulstandorts Hofratsmühle. Für ihn ein ganz wichtiges Argument, denn „Die Menschen machen das, was schnell geht und bequem ist“. Eine Befragung von Studierenden habe ergeben, dass diese einen direkte Verbindung zur Hofratsmühle wünschten. Und vor allem könne man mit einer Buslinie das Problem des „Begleitverkehrs“ vermeiden, da keine zwei unterschiedlichen Verkehrsmittel im Nahverkehr dieselbe Strecke bedienen dürfen.
Hohenlohekreis hat bereits Erfahrungen mit Elektrobussen
Der NVH nutzt bereits heute Elektrobusse, wie sie in Weidmanns Konzept vorkommen im Linienverkehr und hat daher beim Betrieb dieser Fahrzeuge schon Erfahrungen gesammelt.
Anbindung Jagsttal und Bad Mergentheim
Als Ergänzung zum E-Shuttle von Waldenburg bis Künzelsau könnte, so Weidmann, ein Schnellbus nach Bad Mergentheim dienen, der möglicherweise nur einen Haltepunkt in Dörzbach hat.
Schnittstelle Individualverkehr zu Kollektivverkehr
„Sie werden auf dem Land nicht auf das Auto verzichten können“, sagt Weidmann. Er plädiert daher für „Schienenverkehr in der Stadt, auf der Straße übers Land“, das heißt: Mit dem Auto zum Shuttlebus und mit dem Shuttlebus zur Bahn. „Damit die Leute mit dem Zug fahren, braucht es drei Dinge: Schnelligkeit, Takt und Anschlüsse“ – genau das sieht er mit seinen Ideen gewährleistet.
Kosten und Finanzierung
Ökonomisch spreche vieles für eine Shuttlebuslösung: Die Investitionskosten seien sehr gering, da die „Strecke“ bereits vorhanden ist und der Streckenausbau ohnehin in Planung ist. Anschaffungs- und Betriebskosten der Busse dürften auch niedriger sein als für die Bahnen. „Mit 10 bis 20 Millionen können Sie da eine ganze Menge machen.“ Für einen Bruchteil des eingesparten Geldes könne man die Regionalbahnstrecke für einen besseren Taktverkehr ertüchtigen, meint Weidmann fast schon euphorisch.
„Das Ganze steht und fällt mit der Förderung“
Die in Aussicht gestellten Fördergelder für die Kochertalbahn kommen allerdings aus einem Programm für die „Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken“. „Wir können uns ausrechnen, wann wir so viel Geld noch einmal bekommen“, sagt Weidmann und sieht es als Aufgabe der Politik, Alternativen mit Druck aus der Region zu ermitteln. Der Hohenlohekreis als die Mitte der Region, könne hier der Treiber sein. Weidmann sieht in seinem Konzept eine „Win-Win-Win-Win“-Situation, da einfach alle Beteiligten einen Vorteil bekämen, Schwäbisch-Hall, der Hohenlohekreis sowie Kreis und Stadt Heilbronn, denn „Heilbronn ersäuft im Verkehr“. Zwar geht Weidmann von weiteren Programmen in der Zukunft aus, aber „Wenn der politische Wille da ist, kann man die Mittel in Berlin sicherlich umwidmen“.
Er begrüßt, dass auch die vom Kreistag in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie nicht nur die Kochertalbahn betrachtet, sondern auch die Anforderungen an die übergeordneten Verkehre. „Die Kochertalbahn-Diskussion kann sehr nützlich sein.“
Viele ÖPNV-Projekte in Baden-Württemberg
Im Kreis Schwäbisch-Hall hat man den Anschluß ans S-Bahn-Netz der Stadt Nürnberg beschlossen, Verkehrsminister Winfried Hermann will den Anteil des ÖPNV verdoppeln und das landesweite e-Ticket für den ÖPNV ist in der Erprobung. Der prinzipielle politische Wille im Land Baden-Württemberg zur Verbesserung des ÖPNV-Angebots ist also vorhanden.
Text: Matthias Lauterer
Wasserstoff-Brennstoffzellen-Zug im Liniendienst. Foto: Alstom