Es ist sehr still an der Bischof-von-Lipp-Schule in Mulfingen. Keine Schüler rennen über die Gänge, keine Lehrer eilen in die Klassenzimmer, kein Laut ist zu hören. Die Schule hat aufgrund des Corona-Virus‘ wie alle anderen Schulen in Baden-Württemberg geschlossen. Lediglich Schulleiter Johannes Dirnberger und die Schulsekretärin sind abwechselnd vor Ort. Das Lehrerkollegium ist von Zuhause aus aktiv. Eine eigentlich geplante Notfallbetreuung gibt es nicht im Haus – die wurde laut dem Schulleiter nicht nachgefragt.
Fernwartung: „Wie bekommen den Unterricht hin?“
„Wir sind da ganz ruhig reinmarschiert“, erklärt Johannes Dirnberger. Die Schule habe mit einer Schließung gerechnet und sei sehr gut vorbereitet gewesen. „Das Lehrerkollegium hat das gut gemacht.“ Lediglich über den Zeitpunkt der Schulschließungen durch die Landesregierung sei er unglücklich. „Besser wäre gewesen, das vormittags und nicht nachmittags um 14 Uhr bekanntzugeben“, kritisiert er. Die Reaktion der Eltern und Schüler? „Ich habe in den vergangenen Tagen viele Rückmeldungen erhalten, dass Eltern von zuhause aus arbeiten, Stunden reduziert haben, frei nehmen oder Überstunden abbauen, um die Betreuung sicherzustellen“, sagt der Schulleiter.
Die Eltern versuchen mit Überstundenabbau und home Office das Ganze irgendwie zu managen
Die Großeltern gehörten ja zur Risikogruppe und sollten deshalb nicht mehr so oft mit ihren Enkeln zusammenkommen. Und natürlich hätte sich mancher Schüler über die vermeintlichen Zusatzferien gefreut. Es sei aber allen klar gewesen, dass sie auch Zuhause arbeiten müssten. Man habe frühzeitig mit der Schließung gerechnet. Viele Lehrkräfte der privaten Gemeinschaftsschule wohnen im Main-Tauber-Kreis. „Dort hatten einige Schulen teilweise bereits über eine Woche geschlossen“, berichtet der Schulleiter weiter. Aufgrund dessen hätten sie sich gefragt, was sie selbst tun würden in so einer Situation. Also wurde ein Notfallplan erstellt und täglich weitergeschrieben. Die Schüler nahmen bereits ab Mittwoch jeden Tag ihre Schulsachen mit nach Hause, um sie am nächsten Morgen wieder mitzubringen. „Wir sind jeden Nachmittag nach Hause, als wenn am nächsten Morgen keine Schule mehr wäre“, erzählt Dirnberger. Deshalb konnten Kinder und Lehrer bereits ab dem 16. März zuhause bleiben.
Beim Lernen zu Hause zeigt sich, wie schnell das Internet ist
Jetzt erhalten die 234 Schüler in den Klassen fünf bis zehn ihre Aufgaben über den Schulserver Iserv. Für Kinder, die keinen Internet-Zugang haben – auch das gibt es – geht das Ganze per Whatsapp. Seit vier Jahren bekommen die Schüler der Gemeinschaftsschule ab Klasse sechs leihweise einen Laptop. „Wir nutzen Iserv sowieso, die Schüler sind das also gewohnt“, erklärt der Schulleiter. Lediglich mit den Fünftklässlern habe man den Umgang damit noch üben müssen.
Nun gelte es, auch neuen Stoff zu lernen
Nun werde der Stoff der jeweiligen Fächer weitergeführt. Man könne ja nicht drei Wochen lang nur Wiederholungen machen. So würde zwar Zeit verloren gehen, aber keine drei ganze Wochen. Zusätzlich haben die Lehrer Zugriff auf einen schulinternen Server, auf dem alles Schulorganisatorische hinterlegt ist. „So kann jeder Lehrer auf die Kontaktdaten seiner Schüler zugreifen“, sagt der Schulleiter. Denn mancher Schüler bräuchte durchaus auch mal eine Extra-Aufforderung, sich an seine Aufgaben zu setzen.
„Die Situation ist recht spannend“
„Die Situation ist recht spannend“, findet der Schulleiter. „Auch wir lernen ständig dazu.“ Jeden Morgen bis spätestens acht Uhr müssen die täglichen Aufgaben für die Kinder online sein. Im Moment wird überlegt, ob es nicht besser wäre, das bereits bis um 18 Uhr am Vortag zu erledigen. Die Kinder bekommen ein Zeitlimit gesetzt, bis wann die Aufgaben erledigt und die Lösungen an den jeweiligen Lehrer zurückgeschickt sein müssen. In den Fächern Sport, Kunst und Musik gibt es nun Theorie statt praktischer Anwendungen. Für zusätzliche Erklärungen des Stoffes geben die Lehrer ihren Schülern Links zu Videos auf Youtube oder die Homepage simple club.
Allerdings müssten die Eltern dahinterstehen und sich von ihren Kindern zeigen lassen, was an Aufgaben ansteht. Jeder Schüler hatte bereits vor Corona ein Lerntagebuch, in das er die Aufgaben und Termine einträgt. Auch die Eltern bekommen darüber einen Überblick. „Wir stehen in ständigem Kontakt mit den Eltern“, sagt Dirnberger. Die erhielten bereits vorher Informationen über Elternbriefe. „Wie kriegen wir den Unterricht hin?“, sei eher die Frage gewesen. Nun gehe es mehr um Kleinigkeiten: Braucht es mehr Erklärungen, machen wir zu viel oder zu wenig? „Das sind aber Feinjustierungen“, ist er überzeugt.
Die Abschlussklasse sei unruhig, so der Schulleiter
Doch was macht ein Schulleiter in einer Schule ohne Kinder und Lehrer? Johannes Dirnberger ist täglich von acht bis zwölf Uhr vor Ort und hat auch so gut zu tun. In der Zeit ist die Schule gesichert für Publikum geöffnet, das Telefon klingelt häufig. „Am Montag mussten noch Fragen zu Organisatorischem abgeklärt, die Facebook-Seite der Schule eingerichtet und ein Elternbrief verschickt werden“, erklärt er. Eine Familie aus einer Nachbargemeinde war in Quarantäne und brauchte einen neuen Termin für die Schulanmeldung eines Kindes. Ein anderes Kind hat das Ladekabel für seinen Laptop in der Schule vergessen.
Dirnberger hat es im Foyer bereitgelegt, damit die Familie es abholen kann ohne direkten Kontakt zu ihm oder der Sekretärin. Außerdem brennt dem Schulleiter die Frage unter den Nägeln, was mit der Abschlussklasse passieren wird. Gleich nach den Osterferien waren die Prüfungen der Zehntklässler angesetzt, bis dahin sollte auch deren Jahresleistung eingereicht sein. Jetzt fallen durch die Schulschließung etliche Klassenarbeiten aus. „Die Zehntklässer sind unruhig“, berichtet Dirnberger. „Viele waren am Montag noch hier im Haus, weil sie wissen wollten, wie es für sie nun weitergeht.“ Ein Gedanke war, die Schüler in Kleingruppen kommen zu lassen, damit die ihre Arbeiten weit auseinandergesetzt in der Sporthalle schreiben können. Eventuell komme aber auch eine Präsentation oder ein Portfolio infrage. Letztendlich müsse diese Entscheidung aber das Kultusministerium in Stuttgart treffen.
Der leere Eingangsbereich der Bischof-von-Lipp-Schule. Foto: GSCHWÄTZ
Schulleiter Johannes Dirnberger im leeren Foyer. Foto: GSCHWÄTZ