„Wir werden die Autoindustrie nicht mehr beliefern.“ Mit diesen Worten zitiert das Handelsblatt Klaus Geißdörfer, der seit fast genau einem Jahr der CEO von ebm-papst ist, kurz und knapp.
Screenshot von https://www.ebmpapst.com/automotive am 21.11.2022
Dabei sieht die Verbindung von ebm-papst und der Autoindustrie, wenn man die Webseite vom ebm-papst betrachtet, wie eine Erfolgsstory aus. Und noch am 21. November 2022 preist der Lüftungsspezialist aus Mulfingen „vier starke Produktfamilien“ für die Automobilindustrie an und bietet Interessenten weiterhin eine Zusammenarbeit im Projektgeschäft an. Trotzdem sagt Geißdörfer zum Handelsblatt: „Die gewünschte Qualität fordert uns technologisch nur bedingt und ist zu den geforderten Preisen nicht attraktiv für uns als Zulieferer.“
„Die Welt wird immer wärmer“
Im ersten Jahr seiner Tätigkeit hat Klaus Geißdörfer offensichtlich das Know-How des Unternehmens und die Zukunftsfähigkeit der Geschäftsfelder analysiert und reagiert nun auf die veränderten Zukunftsmärkte: „Wir sehen riesiges Potenzial in den nächsten zehn Jahren bei den Megatrends erneuerbare Energien, Data-Center und Klimatechnik. Die Welt wird immer wärmer“, sagt er im Handelsblatt.
Hinweise im Geschäftsbericht
Die Hinweise darauf, dass das Geschäftsfeld Automotive nicht besonders ertragreich ist, finden sich – wenn auch verschlüsselt – im Geschäftsbericht: „In den Geschäftsfeldern Automotive und industrielle Antriebstechnik dagegen wuchs der Umsatz nur leicht um +3,8% auf 338,6 Mio. EURO (Vorjahr: 326,1 Mio. EURO). Dieser Bereich steht unter dem Einfluss des Wandels in der Automobiltechnik und eines steigenden Automatisierungsgrads in der Industrie.“ So steht es in der Pressemeldung vom 23. Juni 2022 zur Jahrespressekonferenz von ebm-papst. Im vorhergehenden Corona-beeinflußten Geschäftsjahr verlor der Automotive-Sektor sogar 4,8 Prozent Umsatz.
Auch wenn sich ebm-papst traditionell nicht zur Ertragslage äußert, eine Umsatzsteigerung unter der Inflationsrate und deutlich unter den Zahlen der anderen Geschäftsbereiche, dazu ein Personalabbau von 100 Mitarbeiter:innen – das liess bereits damals nichts Gutes ahnen. GSCHWÄTZ vermutete bereits im Juni: „Damit dürfte sich die Ertragslage dieser Geschäftsfelder nicht positiv entwickelt haben“.
Wettbewerb der Zulieferer in einem schrumpfenden Markt nimmt zu
ebm-papst-Presseprecher Hauke Hannig bestätigt, dass der angekündigte Ausstieg bereits in der Umsetzung ist: „In unserem Geschäftsbereich Automotive leiten wir aktuell einen Phase-Out ein. Das heißt, Neuaufträge für diesen Bereich werden wir in Zukunft nicht mehr annehmen, bestehende Aufträge und Projekte werden vertragskonform abgeschlossen und Schritt für Schritt ziehen wir uns aus diesem Markt zurück.“
Über die Gründe für den Ausstieg äußert sich Hannig etwas detaillierter als Geißdörfer: „In unserem Marktsegment „Automobiltechnik“ sind wir dagegen ein vergleichsweise kleiner Zulieferer. In diesem Segment herrscht extremer Kostendruck und mittlerweile auch ein enormer Wettbewerb. Aufgrund der aktuellen Transformation innerhalb der Automobilindustrie, hervorgerufen durch das Auslaufen der Verbrenner-Technologie hin zur Elektromobilität wird der Markt für Zulieferer kleiner und der Wettbewerb der etablierten Zulieferer nimmt stark zu. Dies macht den Markt für uns wenig attraktiv und bietet kaum langfristige Perspektiven. Wir haben uns daher entschieden, die aktuell dort eingesetzten Ressourcen für das Wachstum in Air Technology und Heating Technology zu nutzen.“
Auf gut Deutsch: Die Erträge und Zukunftschancen in anderen Bereichen sind perspektivisch höher, der Aufwand im verstärkten Wettbewerb würde steigen – und die Automotive-Kunden sind nicht bereit, vernünftige Preise zu bezahlen. Andere Wettbewerber, die ausschließlich im Autozulieferbereich engagiert sind, werden sich kurzfristig über den Rückzug von ebm-papst freuen.
ebm-Papst ist Spezialist für Elektromotoren
Hannig spricht von der Transformation der Autoindustrie, hin zum Elektrofahrzeug. Eigentlich ist ebm-papst ja ein Spezialist für Elektromotoren, auch in der Größenordnung, wie man sie sich in kleineren E-Fahrzeugen vorstellen könnte. Aber genau in diesem Bereich war man bisher nicht tätig: „Wir sind nicht im Bereich des Antriebs tätig, der ein E-Auto antreibt. Vielmehr liegen unsere Aktivitäten in Nebenaggregaten wie dem Getriebe, der Abgasbehandlung oder der Elektronik- und Batteriekühlung.“ Selbst das Engagement in der Formel 1, wo ebm-papst mehrere Weltmeisterschaften mit dem Mercedes-Rennstall feiern konnte, wurde beendet.
Automotive macht „nur“ etwa 10% des Umsatzes aus
Das Geschäft mit den Autoherstellern und deren Zulieferern macht bei ebm-papst nur etwa zehn Prozent des Umsatzes aus. Gleichzeitig ergeben sich momentan erhebliche Chancen in anderen Geschäftsfeldern: „Insbesondere in unseren Kernfeldern Air Technology (Lufttechnik) und Heating Technology (Heiztechnik) haben wir als Technologieführer eine hohe Nachfrage bei energieeffizienten Lösungen und sehen dort ein bedeutendes und langfristiges Zukunftspotential. Wir werden unsere weltweiten Kapazitäten daher sukzessive erhöhen“, unter anderem hat man gerade einen neuen Produktionsstandort in den USA eröffnet.
Besonders betroffen: Die Werke von papst in St.Georgen und Herbolzheim
„Die personellen und materiellen Ressourcen, die bei ebm-papst St. Georgen angesiedelt sind, benötigen wir aufgrund hoher Nachfrage sowie einer langfristigen Marktattraktivität in unserem Geschäftsfeld Air Technology (Lufttechnik) und werden diese dort einsetzen.“ Bei papst in St.Georgen und Herbolzheim wurden in der Vergangenheit erhebliche spezielle Investitionen in die Automobiltechnik getätigt, beispielsweise in Fertigungsautomation und in Reinraumtechnik. Auch die Logistikprozesse wurden, bis hin zu den Zulieferern an die Prozesse der Automotive-Industrie angepasst.
Erste neue Produkte werden bereits in St.Georgen gefertigt: „Wir werden anstellen von Automobillösungen energieeffiziente EC-Ventilatoren an unseren Automobilstandorten von ebm-papst St. Georgen produzieren. Erste Produktionsanlagen hierfür wurden aktuell bereits am Standort Herbolzheim in Betrieb genommen und produzieren seit der vergangenen Woche in Serie.“
Bei ebm-papst keine Arbeitsplätze in Gefahr
Einen weiteren Arbeitsplatzverlust soll es in St.Georgen und Herbolzheim nicht geben, teilt Hannig mit: „Mit der Veränderung unserer Standorte Herbolzheim, Lauf und St. Georgen zu Air Technology-Standorten stellen wir diese langfristig zukunftsfähig auf und ermöglichen dem Standort und den Mitarbeitenden eine klare Perspektive im Wachstumsfeld Lufttechnik. Des Weiteren trat zum 01.07.2022 vor Ort im Schwarzwald ein Ergänzungstarifvertrag in Kraft, der über seine Laufzeit von mindestens drei Jahren betriebsbedingte Kündigungen ausschließt.“
Zulieferer in Hohenlohe sind betroffen
ebm-papst hat ein starkes Netzwerk von Zulieferern in der Region, die ihre Produkte teils direkt in die Produktionen der ebm-papst-Fertigungswerke liefern. Auch diese Zulieferer sind natürlich vom Rückzug aus dem Automotive-Geschäft betroffen. Sie stellen in teilweise hochoptimierten und ganz speziellen Fertigungsprozessen Produkte her, die dann zu den Automotive-Produkten von ebm-papst weiterverarbeitet werden. Was bedeutet die Aufgabe des Autogeschäfts für diese Zulieferer? GSCHWÄTZ fragte daher konkret nach Investitionsschutz und Arbeitsplätzen. Hannig verspricht: „Aufgrund der aktuellen Umgestaltung ist kein Arbeitsplatz in Gefahr, ganz im Gegenteil, die Ressourcen werden für die Bereiche Air Technology benötigt und hier eingesetzt. Durch die Neuausrichtung wollen und werden wir zukünftiges Wachstum generieren und unseren nachhaltigen Erfolg sicherstellen.“ Auf die Frage nach den Investitionen geht er nicht ein. Ein von GSCHWÄTZ befragter Zulieferer war zu diesem Punkt ebenfalls wortkarg und wollte nicht Stellung nehmen.
Keine Zukunft auch für Weiße Ware
Geißdörfers Analyse der Zukunftsmärkte macht auch vor einem weiteren traditionellen Geschäftsfeld von ebm-papst nicht Halt: „Neben dem Geschäftsfeld Automotive sehen wir wenig Potential im Bereich der weißen Ware, u. a. bei Zulieferteilen für Kühlschränke oder Geschirrspüler. An unseren Erfolgsprodukten für z. B. Garöfen und Dunstabzug halten wir fest. In unseren Kernsegmenten Air Technology (Lufttechnik) und Heating Technology (Heiztechnik) haben wir enormes Wachstumspotential und eine hohe Nachfrage an unseren energieeffizienten Lösungen zu verzeichnen. Hier bauen wir unsere Kapazitäten sukzessive aus.“
Text: Matthias Lauterer