Vor dem Amtsgericht Öhringen musste sich am 12. Januar 2021 ein 65-Jähriger gelernter KfZ-Mechaniker aus Bretzfeld verantworten. Ihm wurde zur Last gelegt, er habe im August und September 2019 mindestens vier strafbare Nachrichten von seinem Handy aus verschickt. Die Strafbarkeit ergebe sich nach §86 StGB (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen) und §130 (Volksverhetzung).
Einspruch gegen einen Strafbefehl
Wegen dieser Taten war bereits ein Strafbefehl ergangen, gegen der Angeklagte Einspruch eingelegt hatte, sodass es jetzt zur öffentlichen Verhandlung kam. Eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen a 30 Euro war verhängt worden, also insgesamt 1.800 Euro.
Der Angeklagte erklärte, dass er wegen schwerer gesundheitlicher Einschränkungen eine geringe Erwerbsminderungsrente beziehe und daneben geringe Einkünfte durch einen Nebenjob habe.
„Ich weiß es nicht mehr“
Er wisse gar nicht so genau, ob er diese Nachrichten versendet habe, sagt der Angeklagte. „Ich habe noch keine Ausländer bzw. Nichtdeutschen verprügelt“, weist er rechtsextremistische Aktivitäten weit von sich. Über einen örtlichen Verein sei er in diese Chatgruppe, deren Name „SS-Leibstandarte“ enthielt, hineingekommen: „Der hat mich einfach reingenommen in die Gruppe“, war der Angeklagte auf dem Weg, in die Verteidigung einzusteigen. Außerdem habe er gar nicht gewusst, wie man aus so einer Gruppe wieder herauskäme, er kenne sich mit Handys nicht so aus, er sei ja auch schon relativ alt. Richterin Wegendt stellte klar, dass die Beweise für das Absenden der Nachrichten dokumentiert seien und entkräftete das technische Nichtwissen des Angeklagten mit „Dafür hat man Kinder im Teenageralter“.
Staatsanwalt: „Ungutes Sensationsbedürfnis“
Die Staatsanwaltschaft regte an, den Einspruch auf die Rechtsfolgen zu beschränken, was der Angeklagte und sein Verteidiger nach kurzer Beratung auch taten. Sichtlich froh, die fraglichen Nachrichten nicht öffentlich präsentieren zu müssen, zeigte sich der Staatsanwalt, befürchtete er doch ein „ungutes Sensationsbedürfnis“.
Der Angeklagte versprach in seinem letzten Wort, „dass mir sowas in Zukunft nicht mehr passieren wird“.
Letztendlich setzte Richterin Wegendt aufgrund der Einkommenssituation des Angeklagten, die Höhe des Tagessatzes von 30 auf 20 Euro und damit die Gesamtstrafe auf 1200 Euro herab, die der Verurteilte in monatlichen Raten bezahlen darf. Beide Parteien verzichteten auf Rechtsmittel, wodurch das Urteil rechtskräftig ist. Dem Verurteilten war die Erleichterung anzumerken.
Text: Matthias Lauterer
Der große Saal des AG Öhringen. Foto: GSCHWÄTZ