Am Montag, 22. November 2021, berichtete GSCHWÄTZ über die Belegungszahlen der Krankenhäuser der Umgebung und mußte feststellen, dass die Lage auf den Intensivstationen kritisch ist. In der Stadt Heilbronn und in Öhringen waren alle Intensivbetten belegt. Im Kreis Heilbronn, dem Kreis Schwäbisch-Hall und dem Main-Tauber-Kreis gab es noch freie Betten.
GSCHWÄTZ hat bei den Krankenhausbetreibern nachgefragt, ob die Kapazitäten noch ausreichen, um beispielsweise bei einem Verkehrsunfall mit einem „Massenanfall von Verletzten“ (ManV) noch eine gute Versorgung der Patienten gewährleisten zu können.
„Die Erstversorgung von Notfallpatienten ist in unseren Krankenhäusern sichergestellt“
Ute Emig-Lange von der BBT-Gruppe, Träger der Krankenhäuser in Öhringen und Bad Mergentheim, erklärt das Procedere in einem solchen Fall: „Bei einem ManV gibt es vor Ort einen leitenden Notarzt, der gemeinsam mit der Leitstelle die Verteilung der Patienten auf die jeweiligen Krankenhäuser koordiniert. Die Abläufe sind im ManV-Konzept der Landesregierung festgelegt. Abhängig vom Schweregrad der Verletzungen und der Dringlichkeit der Behandlung werden die Patienten dann in die für die Behandlung jeweils am besten geeigneten Krankenhäuser verteilt (z.B. Brandverletzte in Kliniken, die auf diese Behandlung spezialisiert sind). Damit wird sichergestellt, dass in dem jeweiligen Krankenhaus ausreichend erforderliche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Wenn unseren Häusern solche Notfallpatienten zugewiesen werden, werden diese bei uns behandelt. Dazu können wir unsere Aufnahmekapazitäten kurzfristig erhöhen.“
Das betrifft allerdings nur die Erstversorgung. Die anschließende Versorgung muß möglicherweise in einem anderen Krankenhaus durchgeführt werden: „Die Erstversorgung von Notfallpatienten ist in unseren Krankenhäusern sichergestellt, eine eventuell erforderliche anschließende Weiterverlegung wird dann organisiert.“
SLK: „Verteilung der Lasten“ über das TraumaNetzwerk Nord-Württemberg
Für solche hypothetischen Fälle steht, so Mathias Burkhardt, Pressesprecher der SLK-Kliniken, ein Netzwerk von Kliniken bereit: „Die Situation eines „ManV“ ist immer ein Ausnahmezustand. Innerhalb dieses Ausnahmezustandes werden wir, gemäß unserem Versorgungsauftrag, auch in dieser Situation versuchen, alle betroffenen Patienten medizinisch optimal zu versorgen. Im Rahmen des „TraumaNetzwerk Nord-Württemberg“, zu dem das „Überregionale TraumaZentrum“ im Klinikum am Gesundbrunnen gehört, findet gegebenenfalls dann eine Verteilung der Lasten statt.“
Weiterbehandlung von Patienten nicht unbedingt in der Klinik der Erstversorgung
Dem TraumaNetzwerk Nord-Württemberg gehört neben den SLK-Kliniken auch das Klinikum in Ludwigsburg an. Das CARITAS-Krankenhaus in Bad-Mergentheim ist allerdings Teil des TraumaNetzwerk Nordbayern.
Auch das DIAKONEO in Schwäbisch-Hall ist vorbereitet: „Die Krisenpläne am Diakoneo Diak Klinikum Schwäbisch Hall haben Szenarien für ManV definiert. Sollte der ManV eintreten, werden sie abgearbeitet.“ Die Verlegung von Patienten ist üblich: „Schon unter normalen Umständen gehören Verlegungen an andere Häuser zu den gängigen Maßnahmen bei einem ManV.“
Blick auf die Belastung des Personals
Unter Corona leiden nicht nur die Patienten, auch das Personal in den Krankenhäusern arbeitet nun seit gut zwei Jahren unter höchster Anspannung. Sowohl der reine Arbeitsaufwand, als auch das Leid der Patienten, auch das Sterben der Patienten, wirken belastend. Das wird auch Außenstehenden klar, wenn man beispielsweise in der ARD-Dokumentation „Charité-intensiv“ Bilder aus dem Inneren einer COVID-Station sieht.
Screenshot aus der ARD-Doku „Charité-intensiv“
„an einer Belastungsgrenze“
Auch die Krankenhäuser wissen um die Situation ihre Beschäftigten. Kurz und knapp äußert sich Markus Wagner vom DIAKONEO-Verbund dazu: „Die Lage für alle Mitarbeitenden im Haus ist angespannt.“
Deutliche Worte findet Mathias Burkhardt: „Das gesamte medizinische Personal im Covid-Bereich ist an einer Belastungsgrenze – sowohl physisch als auch psychisch. Die Behandlung von Corona-Patienten über einen so langen Zeitraum ist sehr herausfordernd.“
Einen Herbst und Winter unter normaleren Arbeitsbedingungen gewünscht
Lobende und aufmunternde Worte findet Ute Emig-Lange für das Personal der BBT-Gruppe: „Wie in allen Krankenhäusern, die in den zurückliegenden Wellen der Pandemie in starkem Maß gefordert waren, ist nur zu verständlich, dass auch unserer Kolleginnen und Kollegen – nicht nur in der Pflege – sich den Herbst und Winter unter normaleren Arbeitsbedingungen gewünscht hätten. Die erneute Anspannung verlangt allen, die sich für eine gute Versorgung unserer Patientinnen und Patienten verantwortlich fühlen, erneut eine große Kraftanstrengung ab. Die allermeisten Kolleginnen und Kollegen in Pflege und Medizin sind zum großen Glück für unser Gesundheitssystem „Überzeugungstäter“ und haben die Berufe in erster Linie ergriffen, weil sie eine hohe soziale Verantwortung haben. Sie sind pragmatisch und schalten jetzt wieder um in den „Pandemiemodus“, um die Patienten weiter so gut wie möglich versorgen zu können.“
Worte erleichtern die Lage des Personals nicht
Diese Worte, die zwar die Anerkennung für die Leistung und die Belastung des Personals ausdrücken, können die Lage auf den Stationen allerdings nicht erleichtern. Ute Emig-Lange fügt im Namen der Mitarbeiter:innen hinzu, was eine Erleichterung bringen könnte: „Für Menschen, die sich trotz aller Warnungen bisher noch nicht haben impfen lassen, fehlt allerdings zunehmend das Verständnis.“
„Allein politischen Maßnahmen und das richtige Verhalten der Bevölkerung haben Auswirkungen auf die Infektionsraten.“
Die neuen, von der Politik vorgegebenen, Kennzahlen für die Beurteilung der Corona-Lage (GSCHWÄTZ berichtete), beispielsweise die Hospitalisierungs-Inzidenz, werden auch in den Krankenhäusern kritisch gesehen. Quoten und Kennzahlen allein helfen nicht, meint Markus Wagner: „Zur Bewältigung einer Pandemie sind Quoten wichtige Indikatoren, sie haben aber keinen Einfluss auf deren Verlauf. Allein politischen Maßnahmen und das richtige Verhalten der Bevölkerung haben Auswirkungen auf die Infektionsraten.“ Er appelliert an die Menschen: „Wir können deshalb nur jeden auffordern, sich an die verordneten Maßnahmen zu halten und Kontakte soweit möglich zu vermeiden, um einen Überlastung der medizinischen Versorgung nicht nur für Corona-Infizierte, sondern für jeden Erkrankten zu vermeiden.“
„Die Inzidenz ist die maßgebliche Größe zur Vorbereitung auf das, was auf uns zukommt.“
Als Planungsgrundlage für das Krankenhaus sieht er weiterhin die Inzidenzen: „Statistik-Experten können anhand aktueller Infizierungsraten berechnen, wie viele Menschen etwa zwei Wochen später stationär versorgt werden müssen.“ Mathias Burkhardt schließt sich dieser Meinung an: „Für uns als SLK-Verbund war und ist die Inzidenz die maßgebliche Größe zur Vorbereitung auf das, was auf uns zukommt.“ Auf die Frage, ob die Hospitalisierungsrate zu spät warnen würde, meint Burkhardt: „Was die Hospitalisierungsquote betrifft, ist dies – für Krankenhäuser gesehen – der Fall. Es ist sozusagen eine „Pandemiebetrachtung im Rückspiegel“, die keinen Einfluss auf unsere Planungen hat“. Er differenziert aber: „Für das öffentliche Leben ist dies anders zu bewerten.“
Text: Matthias Lauterer