Einen weissen Bagger im Wert von etwa 30.000 Euro soll Stefan F. am 08. oder 09. Oktober 2019 von einer Baustelle in Niedernhall gestohlen haben. Das jedenfalls wirft ihm Staatsanwalt Jakubek am 01. September 2022 vor dem Amtsgericht Künzelsau vor. Einem Strafbefehl über 120 Tagessätze hat F. widersprochen.
Es ist nicht der einzige Diebstahl hochwertiger und großer Maschinen, der sich in den letzten Jahren in Hohenlohe ereignet hat.
Bewährung läuft noch
Stefan F. ist eine imposante Erscheinung, als er den Gerichtssaal betritt: Großgewachsen, muskulös und mit einem Bauch, er ist das, was man vielleicht als „stattliches Mannsbild“ bezeichnen kann. Von Beruf ist er Polier, war Zeitsoldat und hat bei Baufirmen gearbeitet, bevor er sich mit einem Baggerunternehmen selbständig gemacht hat und meist als Subunternehmer für große Bauunternehmen auf größeren und kleineren Baustellen gearbeitet hat. Auch auf der Baustelle zum Hochwasserschutz in Niedernhall, wo der Bagger gestohlen wurde, war er tätig. Derzeit ist F. arbeitslos, hat Unterhaltsverpflichtungen und Schulden. Eine neue Arbeitsstelle sei aber in Aussicht, sagt er. Wegen einer Körperverletzung wurde F. zu einer noch laufenden Strafe auf Bewährung verurteilt.
„Ich habe den Bagger nicht entwendet“
Zur vorgeworfenen Tat sagt er „ich habe den Bagger nicht entwendet“ und erzählt folgende Geschichte: Ein flüchtiger Bekannter -ein Kosovo-Albaner, den er von einer Baustelle gekannt habe- habe ihn angerufen, ob er wüßte, wo man für eine Weile einen Bagger unterstellen könne. Er habe einen Abstellplatz bei einem anderen Bekannten vermittelt. Nach einem dreiviertel Jahr sei der Bagger dort immer noch gestanden, der flüchtige Bekannte sei aber nicht erreichbar gewesen. Ihm hätte der Bagger gefallen, er hätte ihn gerne gekauft. Aber er habe keine Papiere gehabt, daher hätte er bei einem Händler so getan, als würde er den Bagger verkaufen wollen. Der Händler, so erklärte es F., könne dann über den Hersteller die Papiere besorgen.
„Das macht keinen großen Sinn“
Auf den Vorhalt von Richterin Rührich, dass ein Chatverlauf vorliege, in dem F. ein regelrechtes Verkaufsgespräch geführt habe, kontert er: „Das war vielleicht die Vorgehensweise von mir“. „Das macht keinen großen Sinn“, meint die Richterin. Sie liegt da wohl richtig, denn bei einem legalen Kauf hätte der Vorbesitzer sich um die Papiere kümmern müssen.
„Die Schlüssel sind genormt, die sind alle gleich, da kann jeder …“
Von dem Diebstahl des Baggers auf der Baustelle will F. nichts mitbekommen haben, er sei ja bei einem ganz anderen Gewerk tätig gewesen. „Aber sie hatten die Gelegenheit“, sagt die Richterin. Das gibt F. – möglicherweise unfreiwillig – zu: „Ich bin Maschinenführer, ich kann jeden Bagger fahren. Die Schlüssel sind genormt, die sind alle gleich, da kann jeder …“ Und man müsse ja auf einer Baustelle auch einmal ein Gerät, das im Weg steht, zur Seite fahren können, daher habe jeder einen Schlüsselbund.
„So machen Sie das, ich mache das anders“
Nochmals wirft die Richterin ein: „Sie können keinen Bagger legal erwerben, der keine Papiere hat, da geht man zu einem Händler und erklärt ihm das“, zeigt die Richterin Rührich Zweifel an der Darstellung des Angeklagten. „So machen Sie das, ich mache das anders“, entgegnet der. Aber er müsse doch Verdacht geschöpft haben, dass es sich um den gestohlenen Bagger von „seiner“ Baustelle gehandelt hat, als er den Bagger gesehen hat? „Die sehen alle gleich aus.“ meint F. „Aber ein anderer hat ihn auf den ersten Blick wiedererkannt“, sagt die Richterin.
„Es war so herzergreifend, was er erzählt hat“
Dieser andere ist Daniel M., ein Maschinenhändler aus dem Raum Biberach, der dann als Zeuge aufgerufen wird. Er erzählt eine ganz andere Geschichte: F. habe sich bei ihm gemeldet auf Empfehlung eines Neugerätehändlers. Er habe sich den Bagger vor Ort angesehen. F. habe ihm erzählt, dass der Bagger von einem Türken stamme, der sich von seiner Frau getrennt habe und der dieses Gerät jetzt über ihn „unter der Hand“ verkaufen wolle, damit die Frau nichts davon mitbekommt. Und auch das Schicksal von F. sei schwer: Er sei frisch verwitwet und habe acht oder neun Kinder. „Es war so herzergreifend, was er erzählt hat“, daher habe er seine Hilfe angeboten. Er dachte, F. sei irgendjemandem auf den Leim gegangen.
Ein paar Minuten Recherche führen zum gestohlenen Bagger
Dass der Verkauf ohne Rechnung über die Bühne gehen sollte, habe ihn aber stutzig gemacht und er habe dann im Internet „15 oder 20 Minuten recherchiert“, bis er auf eine Beschreibung des gestohlenen Baggers gestoßen sei. Er habe ihn sofort erkannt, aufgrund eines charakteristischen Zubehörs. Daraufhin habe er den Eigentümer ausfindig gemacht und sich bei ihm gemeldet. Und der erkannte F. aufgrund der Geschichte mit den 9 Kindern sofort wieder. Stefan F. hat diese Geschichte wohl öfter auf Baustellen erzählt. Und der Eigentümer wußte auch, dass sich F. bei ihm mehrfach erkundigt hatte, was jetzt mit dem Bagger sei.
Als M. den Angeklagten damit konfrontiert hat, dass er mit dem Eigentümer gesprochen habe und davon ausgehe, dass der Bagger gestohlen ist, blieb F. bei seiner Geschichte. M. hat daraufhin F. blockiert, sodass er ihn per WhatsApp und Telefon nicht mehr erreichen konnte.
Anwältin bittet um Sitzungsunterbrechung
Bevor der nächste Zeuge, der Eigentümer des Baggers, aufgerufen wird, bittet die Pflichtverteidigerin des Angeklagten, Anke Stiefel-Bechdolf, um eine Pause, um sich mit ihrem Mandanten zu besprechen. Als die Sitzung wieder aufgenommen wird, erklärt die Anwältin die Rücknahme des Widerspruchs. Damit ist der ursprüngliche Strafbefehl rechtskräftig, der Prozess ist damit beendet. F. muss 120 Tagessätze – die Höhe wurde nicht genannt – bezahlen und die Bewährungsstrafe wird überprüft werden. Die restlichen Zeugen, eine Polizeibeamtin und der Eigentümer des Baggers, werden nicht mehr befragt.
Handelte F. allein?
Wenn F. den Bagger gestohlen hat, dann dürften weder der Türke noch der Kosovo-Albaner existieren. Offen bleibt allerdings, ob F. den Bagger aus eigenem Antrieb oder als Teil einer größeren Organisation gestohlen hat. Am Fundort des Baggers sollen sich neben dem Bagger auch mehrere Container, möglicherweise ebenfalls mit Diebesgut, befunden haben. Dazu gab es im Prozess keine Fragen.
Diebesgut einer Bande in Hohenlohe gefunden
Immer wieder werden Banden, die sich auf gestohlenen Maschinen spezialisiert haben, ausgehoben. Eine dieser Banden lagerte vor einigen Jahren ihr Diebesgut in einem Waldstück in Hohenlohe. Das Diebesgut war so umfangreich, dass zum Abtransport das THW aus Künzelsau zu Hilfe gerufen werden mußte.
Die Polizei macht derzeit keine klare Aussage, ob sie bei den Diebstählen der letzten Zeit im Hohenlohekreis von einer Bande ausgeht. Die Ermittlungen laufen: „Sollten sich Hinweise auf eine bandenmäßige Begehungsweise ergeben, werden die Ermittlungen entsprechend angepasst“. Genauso wird noch ermittelt, ob die unterschiedlichen Taten in der Region in Zusammenhang stehen.
Text: Matthias Lauterer