Pinke Party
5 Minuten vor dem Schlusspfiff fährt Füllkrugs Schulter gestern den zweiten Sieg gegen eine großen EM-Mannschaft ein. Nach Frankreich nun gegen die Niederlande. Mit 2:1 geht die Nationalmannschaft denn auch euphorisch vom Feld und Deutschland jubelt. Deutschland schafft das, was in den vergangenen Jahren oft nicht möglich war: Ein Spiel im Rückstand souverän mit astreinem Können zu drehen.
Dieses junge Team entfacht, was in Deutschland angesichts der allumfassenden Tristesse mit Krisen und Kriegen kaum mehr möglich geglaubt: Euphorie.
Euphorie für eine junge Mannschaft, die alles gibt, klug spielt, scheinbar in kürzestes Zeit gelernt hat, bei ihrem schnellen Passspiel perfekt ineinanderzugreifen. Die älteren wie Kroos und Gündogan strahlen Ruhe aus, die jungen neuen Spieler folgen und verwandeln. Der Wille, eine ganze Nation zu begeistern, ist da – und gelingt auch. Deutschland ist zurück im großen Fußball. So scheint es zumindest aktuell.
Während die EM-Trikots bislang noch müde in den Regalen herumhängen, wird sich das nun ändern. Die Stimmung im Ländle kippt – ins Positive. A propos Trikots. Was musste sich Adidas Kritik anhören ob dieser pinken Farbgebung bei den Auswärtstrikots. Wie könne man nur, das seien Frauenfarben. Das sei doch kein Trikot für eine National-Elf. Doch, ist es. Es ist zwar eben so gar nicht good old german, so gar nicht one colour, so gar nicht old fashioned. Und genau das macht es so furios. Weil es eben genau dieses altbekannte Deutschland mit seinen Traditionen völlig konterkariert und aussagt: Wir können auch jung und hip sein. Und natürlich tragen in Deutschland die Männer nicht nur Bierbauch und Lederhosen, sondern auch mal die Farbe pink. So what? We love it. Und die Legenden des Fußballs, wie Rudi Völler, ebenso, wie der lustige Videoclip von Adidas beweist, der vermutlich schon voraussahnte, was ihm da an pink Protestlern entgegenschlägt. Auf humorvolle Weise lässt der Ausstatter darin die Mannschaft und Größen des Fußballs, aber auch Lena Gercke zu Wort kommen und sagt damit: Yes, we can.
Ebenso ein Novum: Gegen die Niederlande spielte die Nationaelf nicht nur beeindruckend in diesen pinken Shirts. Sondern es wurde zum ersten Mal der von vielen Fans per Petition geforderte Song „Völlig losgelöst“ von Major Tom bei den Toren der deutschen Mannschaft gespielt. Dieses Lied lief übrigens in dem Adidas-Video über die Vorstellung der neuen Trikots als Hintergrundmusik.
Deutschland kann auch anders. Wie schön zu sehen. Diese Stimmung erinnert in Ansätzen ein wenig an ein bereits da gewesenes Sommermärchen. 2006. Bei der WM in Deutschland.
So fallen denn auch die internationalen Pressestimmen zu den Freundschaftsspielen, bevor es dann am 14. Juni richtig los geht mit der EM, durchweg positiv aus:
„Pinke Party“ titelt etwa die Bild.: „Jetzt sehen wir PINK für die EM! Die deutsche Nationalmannschaft dreht nach dem Sieg gegen Frankreich einen 0:1-Rückstand gegen Holland noch in einen 2:1-Erfolg – die Heim-Europameisterschaft kann kommen!“
Süddeutsche Zeitung: „Dem Sieg gegen Frankreich folgt ein Sieg gegen die Niederlande. Die Nationalelf beweist beim 2:1 in Frankfurt, dass sie dank der Handgriffe von Bundestrainer Julian Nagelsmann zu Klasse und Substanz zurückgefunden hat.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Schlechte Stimmung rund um die Nationalmannschaft? Das scheint lange her – nach dem 2:1 gegen die Niederlande und dem zweiten Sieg in vier Tagen könnte die EM sofort beginnen.“
Spiegel: „Die deutsche Nationalmannschaft feiert gegen die Niederlande den zweiten Sieg in Folge. Und plötzlich entsteht rund um dieses Team, das seit Jahren gegen den Bedeutungsverlust ankämpft, EM-Euphorie. Mittendrin: Major Tom.“
NRC-Handelsblad: „Fußball ist ein einfaches Spiel, …, und am Ende gewinnen die Deutschen.“