1

Das Schlimmste, was Eltern passieren kann

Sie hat das Schwerste erlebt, was Eltern passieren kann: 2009 starb Daniela Beckers Sohn Balduin mit nur drei Monaten im Krankenhaus. Die Trauer war unendlich groß. Aus diesem Erleben heraus gründete die Potsdamerin den Verein Balduins Box. Eine Baby-Erste-Hilfe-Beraterin hatte sie auf die Idee gebracht. Der nach ihrem Sohn benannte Verein gestaltet und verschickt sogenannte Trauerboxen.

Tod und Trauer sollten nicht verdrängt werden

„Wenn wir negative Gefühle zulassen, können wir diese auch wieder loslassen“, ist die zweifache Mutter überzeugt. Man müsse sich mit der Trauer auseinandersetzen, was viele Menschen nicht gerne tun würden. Tod und Trauer sollten aber nicht verdrängt werden, denn erst durch Verdrängung entstünden anschließend Probleme zum Beispiel psychischer Art. Und genau hier setzt Balduins Box an: Die Kiste will Mut machen, die Trauer zu leben, und dazu eine Hilfestellung geben. Und sie zeigt auch: Hier denkt jemand an dich. „In großen menschlichen Krisen kann man selbst nicht viel tun, als da zu sein“, glaubt Daniela Becker. Viele Menschen stellten sich bei einem Trauerfall die Frage, was sie tun könnten, um die Trauerenden zu unterstützen, und wie sie das richtig machen. Mit so einer Box könne man nicht viel falsch machen. „Sie ist eine Form des Kondolierens, die individueller ist als eine Karte, für die man selbst aber nicht so viel tun muss“, erklärt die gebürtige Rheinländerin.

„Dinge, die der Trauer helfen“

In die Kiste aus Karton, etwas kleiner als ein Schuhkarton, kommen Dinge, „die der Trauer helfen“: Lieder, Texte, ein CD-Booklet mit Songtexten, die man sich herunterladen kann, Kerzen und Pergamentpapier, ein Büchlein zum Malen und Schreiben, Engelsflügel, Stifte, Rosenquarze und Postkarten mit Sprüchen. Es können auch persönliche Dinge hinzugefügt oder anderes herausgenommen werden. „Das Wichtigste liegt oben drin: eine Anleitung zur Box“, erklärt die Vereinsgründerin.

Jede Box ein Unikat

„Bei einem Kindertrauerfall gibt’s Kinder-Erwachsenenboxen, aber hauptsächlich sind sie für Erwachsene und Jugendliche ab etwa 13 Jahren gedacht“, sagt sie. Jede ist ein Unikat, wird individuell bemalt. Der Verein bestellt die Zutaten und verteilt sie als Packsets an Schulen oder Familien, die sie liebevoll anmalen und bestücken. Anschließend gehen sie an den Verein zurück, der sie dann wiederum weitergibt. Oder der Verpacker verschickt sie direkt an Trauerende. Abnehmer sind Krankenhäuser, Altenheime, Bestatter, Hebammen oder Privatpersonen. Auch Seelsorger von der Polizei nahmen solche Boxen mit, wenn sie Angehörigen eine schreckliche Nachricht überbringen müssen.

„Wir haben eine sehr gute Resonanz“

Rund 10.000 Boxen wurden so im Laufe der Zeit verschickt, schätzt die 46-Jährige. Sie werden bundesweit vergeben, so manche sei aber auch schon ins europäische Ausland wie Belgien, Frankreich oder die Schweiz gegangen. Eigens dafür will der Verein nun die Texte, die in die Box kommen, übersetzen lassen. „Wir haben eine sehr gute Resonanz“, freut sie sich. Erst in jüngster Zeit habe sich eine Dame, die selbst eine Box bekommen hatte, dazu entschlossen, den Verein mit ihrer Hilfe zu unterstützen.

„Wir brauchen dringend Spendengelder“

Der Verein bestreitet seine Arbeit nur über Spendengelder. Zehn Jahre lang bezuschusste Daniela Becker Balduins Box aus privatem Eigenkapital. „Doch wenn der Verein groß werden soll, geht das natürlich nicht mehr“, sagt sie. Das Bestellen der Packsets kostet zunächst einmal nichts. Aber es entstehen Kosten von 18 Euro pro Box. Außerdem beschäftigt Daniela Becker neben drei ehrenamtlichen Helfern noch drei geringfügig Beschäftigte. Gerne würden sie und ihre Mitstreiter noch mehr machen, dafür sei aber ein regelmäßiger Geldzufluss nötig: „Wir brauchen dringend Spendengelder.“ Deshalb denkt die Potsdamerin jetzt an den Aufbau eines Systems auf Share-Basis mit Leuten vor Ort, die die Kisten verteilen. „Das ist nachhaltiger und regionaler und außerdem ist der Bedarf da“, hat sie festgestellt.

Corona-freundliche Anteilnahme

Auch in der momentan schwierigen Corona-Situation sei die Box ein ideales Mittel, um Mitgefühl zu zeigen, denn „alle sitzen zu Hause und niemand soll sich treffen“. Mit der Box aber gehe Anteilnahme Corona-freundlich.

Hilfe bei der Organisation des Trauerfalls

Daniela Becker ist überzeugt, dass ihr eine solche Box auch geholfen hätte, als ihr Sohn starb: „Man hat sich damals nicht wirklich mit der Trauer auseinandergesetzt.“ Außerdem könne die Kiste auch bei der Organisation des Trauerfalls helfen, zum Beispiel Ideen geben für die Trauerfeier.

Der Verein Balduins Box hat seinen Sitz in Potsdam. Für Spenden und weitere Informationen: https://balduinsbox.org/.

Text: Sonja Bossert

 

Daniela Becker gründete den Verein Balduins Box 2009. Foto: Balduins Box gemeinnütziger e.V.

Die Boxen werden liebevoll und individuell von Hand bemalt. Foto: Balduins Box gemeinnütziger e.V.

 

In die Boxen kommen Dinge, die bei der Trauerarbeit helfen können. Foto: Balduins Box gemeinnütziger e.V.




„Jede dachte, sie wäre die einzige Frau in der Klasse“

„Eigentlich habe ich es mir schwieriger vorgestellt“, sagt Franziska Bahmann lachend. Die 17-Jährige hat einen mutigen Schritt gewagt: Seit September 2020 ist sie Schreiner-Azubi bei der Schreinerei Dieter Gebert Möbelgestaltung in Neuenstein – in einem vermeintlich typischen Männerberuf. „Ich habe alles Mögliche ausprobiert, aber nichts hat gepasst“, erzählt sie von ihrem Berufsstart. Die junge Frau beschreibt sich selbst als schüchternen Menschen, geht aber offen auf die Menschen zu und bewegt sich in ihrer Arbeitskluft sicher durch die Schreinerwerkstatt. Auf Vorurteile bei den Kollegen ist sie noch nicht gestoßen. In der Schreinerei Gebert gibt es sogar noch eine zweite junge Frau, die ebenfalls den Schreiner-Beruf erlernt.

„Ich habe schon als Kind Hasenställe gebaut“

Eigentlich wollte Franziska Bahmann nach dem Realschulabschluss Tierarzthelferin oder Arzthelferin lernen, schnupperte in Praktika in diese Berufsfelder hinein, „aber so richtig Spaß hat das nicht gemacht“. An die Schreinerei hatte sie überhaupt nicht gedacht, obwohl sie schon als Kind zu Hause in Braunsbach Hasenställe gebaut hat. Bis ein Verwandter sie daran erinnerte. Eine Woche Praktikum und drei Bewerbungen später konnte die fröhliche Azubine endlich in ihre Lehrzeit starten. Am meisten freue sich ihr Vater – als gelernter Baumpfleger selbst ein Praktiker – dass sie im Handwerk ist. Ihrer Mutter wäre es lieber gewesen, wenn sie Arzthelferin gelernt hätte. Und warum ausgerechnet in Neuenstein? „Meine Mutter ist gebürtig aus dem Ort und eigentlich fühle ich mich hier wohler“, erklärt sie. Als Kind verbrachte sie viel Zeit bei der Oma in Neuenstein.

„Geld ist erstmal nur Nebensache“

Mit einem Vorurteil räumt Franziska Bahmann gleich auf: „Nicht jeder Schreiner will eine Frau, weil er glaubt, ihr fehle die Kraft. Aber das kommt noch“, ist sie zuversichtlich. Sie muss ja auch mit anpacken. Außerdem gebe es Erleichterungsmittel wie Hubwagen, die das Tragen von schweren oder unhandlichen Gegenständen erleichtern.  Im ersten Lehrjahr ist sie nun sowieso durchgehend in der Schule. Lediglich in den Schulferien beziehungsweise für ein sechswöchiges Praktikum ist sie im Betrieb. Die Azubine findet das gut: „So kann ich mich vorbereiten.“ Natürlich wird in der Berufsschule nicht nur Deutsch, Geschichte und Wirtschaftskunde gelernt. Auch praxisbezogener Unterricht steht auf dem Programm – drei Tage in der Woche. Ab dem zweiten Lehrjahr wird sie zwei Tage beziehungsweise einen Tag pro Woche in der Schule und den Rest im Betrieb sein. Deshalb ist sie zurzeit auch nur auf 450-Euro-Basis angestellt, wird nur bezahlt, wenn sie im Betrieb gearbeitet hat. „Geld ist erstmal nur Nebensache“, winkt sie ab. Zum Ausgleich zum Schul- und Berufsalltag unternimmt sie Spaziergänge mit ihrem zweijährigen Hund.

„Als Schreinerin bin ich freier“

In der Schule ist sie durchaus nicht die einzige angehende Schreinerin. Von 30 Schülern in ihrer Klasse sind rund zehn weiblich. „Und jede dachte, sie wäre die einzige Frau in der Klasse“, lacht die Braunsbacherin. Vorurteile gebe es auch in der Klasse nicht: „Wir verstehen uns alle gut.“ Der Unterschied zur normalen Schule: Die Schüler benehmen sich erwachsener, sind reifer. Was ihr besonders an der Ausbildung gefällt neben der praktischen Tätigkeit? Die Ausbildung ist abwechslungsreich und man kommt rum. „Wir sind viel unterwegs“, sagt Franziska Bahmann. Und: „Als Schreinerin bin ich freier und ich habe mehr Rechte über meinen Körper“, erklärt sie. Wegen der Haarfarbe oder falls sie mal ein Tattoo möchte, muss sie nicht erst den Arbeitgeber fragen.

„Lehrjahre sind keine Herrenjahre“

Bis jetzt ist sie glücklich mit ihrer Wahl, auch wenn sie an die großen Maschinen noch nicht ran darf. Dafür braucht sie einen Maschinenkurs und sie muss volljährig sein. „Es kommt durchaus auch vor, dass ich mal nur putze und aufräume“, erklärt die angehende Schreinerin. Aber das mache ihr nichts aus: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“, zitiert sie den alten Spruch. Und irgendjemand müsse es ja machen. Zu Hause bei ihrer Familie, wo auch noch ihre Schwester lebt, sei das schließlich auch so. Sie macht sich auch bereits Gedanken über ihr Gesellenstück, das sie am Ende der Lehrzeit anfertigen muss. „Ich würde gerne etwas mit Epoxidharz machen“, erklärt sie. Also einen Tisch, eine Konsole oder etwas Ähnliches, denn im Schreinerhandwerk wird nicht nur mit Holz gearbeitet, sondern auch mit anderen Materialien wie Plexiglas oder Metall. Ihre Mutter wäre von einer neuen Küche begeistert, aber das sei dann wohl doch zu umfangreich. Nach den drei Jahren Ausbildung könnte sie sich sogar vorstellen, den Meister in ihrem Fach zu machen.

Text: Sonja Bossert

In der Schreinerei Dieter Gebert Möbelgestaltung hat man keine Scheu, junge Frauen als Schreiner-Azubis einzustellen. Foto: GSCHWÄTZ




„Manchmal krieg‘ ich schon eine Wut im Bauch“

Lockdown, Mundschutz, Social Distancing: Weltweit wird das Leben der Menschen durch Covid-19 auf den Kopf gestellt. Doch während es in der westlichen Welt nur vergleichsweise wenige Einschränkungen gibt, sind die Menschen in den ärmeren Ländern von der Krise und ihren Auswirkungen hart getroffen.

„Bloß die Kinder dürfen zum Spielen raus“

„Seit Mai ist Simbabwe im Lockdown“, sagt Christa Zeller, die sich seit 35 Jahren für das Land und seine Bewohner engagiert. „Nur zum Einkaufen dürfen die Menschen außer Haus gehen und bloß die Kinder dürfen zum Spielen raus.“ Es gebe zwar nicht so viele Fälle in dem Land wie beispielsweise in Europa, man geht aber von einer hohen Dunkelziffer aus. Desinfektionsmittel wird selbst hergestellt und es gibt eine Maskenpflicht in dem Land, die zwar nicht für Kinder gilt. „Im Kindergarten tragen trotzdem alle eine“, sagt die Mitarbeiterin der Hochschule Heilbronn, wo sie als Schulkoordinatorin tätig ist.

Zahlreiche Probleme

90 Prozent der Bevölkerung in dem südafrikanischen Land lebt von der Hand in den Mund. „Viele Simbabwer haben kleine Verkaufsstände am Straßenrand, sind ansonsten Selbstversorger“, erzählt die Vorsitzende und Gründerin des Hilfsvereins Bongai Shamwari e.V., der in Mutare einen integrativen Kindergarten für Drei- bis Sechsjährige betreibt. Doch nun haben die meisten wegen des Lockdowns Schwierigkeiten, auf ihr Feld zu kommen. Weitere Probleme: Die Strompreise sind um 50 Prozent gestiegen, die Lebensmittelpreise sowieso viel höher als in Deutschland und die Krankenversicherung für Mitarbeiter hat sich um 1.000 Prozent verteuert. Außerdem wurde in der Hauptstadt Harare wegen der landesweit herrschenden Dürre das Wasser abgestellt. Mittlerweile hat die Welthungerhilfe eine Warnung ausgesprochen. Außerdem werden die Lehrer jetzt in Landeswährung bezahlt, die allerdings nichts mehr wert ist. Es gibt in Simbabwe zwar einen Mindestlohn, den der Staat aber nicht zahlt.

Unterstützung mit Care-Paketen

Erst seit Anfang Oktober öffnen die Schulen nach und nach wieder ihre Pforten. Kindergärten dürfen wahrscheinlich ab Mitte November wieder Kinder betreuen – dann schichtweise. Im Moment könne noch niemand von außen das Projekt besuchen, auch sie selbst sei in diesem Jahr noch nicht in Simbabwe gewesen, plant erst für Januar 2021 den nächsten Besuch, um dann eventuell drei Monate zu bleiben – denn dann ist sie in Rente. Dennoch hätte man Kontakt gehalten. „Wir haben in der Zeit unsere Kinder beispielsweise mit Care-Paketen für die ganze Familie unterstützt“, berichtet Christa Zeller. Zu tun gibt es trotz Lockdown genug in dem Kindergarten: Der Garten will gepflegt sein und die Lehrkräfte stellen Spielsachen aus Montessori-Materialien her, die sie nach der Wiederöffnung für die Kinder verwenden wollen. Nur ab und zu, wenn etwas ganz Besonderes ansteht, darf eins der Kind mit auf das Gelände.

„Die Kinder ziehen einen speziellen Baum groß“

Um den Kindern auch während des Lockdowns eine Aufgabe zu geben, nimmt der Kindergarten an einem Wiederaufforstungsprogramm teil. „Die Kinder ziehen einen speziellen Baum groß, einen Moringa, der später ausgepflanzt wird“, erzählt Christa Zeller. Das Projekt wird zusammen mit einem Lehrer – auch ein ehemaliges Kindergartenkind – durchgeführt, der schon über 1.000 Bäume gezogen hat.

Genderfreie Erziehung und Chancengleichheit für Jungs und Mädchen

Den Kindergarten in Mutare gibt es seit 2018. Er wird von rund 27 Kindern besucht – drei von ihnen behindert – und finanziert sich hauptsächlich über Patenschaften und Spenden. Die Kinder bekommen dort ein Frühstück und Mittagessen – sie „lieben vor allem Spätzle“. Dafür halten sie Hühner und Hasen, ziehen zurzeit kleine Häschen mit einer Pipette auf. „Für das Frühstück mahlen die Kinder ihr Müsli selbst“, berichtet Christa Zeller. „Dafür kriegen wir Weizen von einem örtlichen Bauern.“ Überhaupt legt die Einrichtung Wert auf Selbstversorgung: Brot und Joghurt werden selbst hergestellt, das Gemüse kommt aus dem eigenen Garten. Der Kindergarten achtet auf eine genderfreie Erziehung und Chancengleichheit, denn in Simbabwe sei es noch Tradition, dass die Frau nach der Heirat dem Mann gehöre. Der Jungs-Mädchen-Anteil ist ungefähr gleich und auch Jungs dürfen in die Puppenecke. „Das machen die übrigens gerne“, hat Christa Zeller beobachtet. Eng ist die Zusammenarbeit des Kindergartens mit Künstlern. So haben die Kinder ihre Werke bereits im Nationalmuseum ausgestellt und dort auch schon Preise gewonnen.

Barfuß und zerlumpt zur Schule

Die Eltern müssen im Kindergarten mitarbeiten, sonst müssten die Kinder die Einrichtung wieder verlassen, was auch schon vorgekommen sei. „Insgesamt ist der Zusammenhalt mit den Eltern aber gut“, so Christa Zeller. „Jeden Tag kommen ein bis zwei Elternteile zu uns.“ Einmal im Monat kommen für größere Projekte – beispielsweise den Bau eines Zauns um das Grundstück – alle Eltern zusammen. Die Mütter der Kinder stellen außerdem Dinge für den Verkauf her – beispielsweise Salze und verarbeitete Avocado- und Papayakerne, Orangen- und Zitronenschalen. „Das verkaufen wir beim Weltgebetstag oder in Eine-Welt-Läden“, so die Vereinsvorsitzende. „Zurzeit stellen die Frauen Vaseline und Seife her, die vor Ort angeboten werden.“ Besonders beliebt waren Nudeln, die vor allem weiße Bewohner von Mutare gekauft haben. Die Schuluniformen werden ebenfalls selbst genäht. „Das ist wichtig, weil manche Kinder sonst zerlumpt kommen würden“, so Christa Zeller. „Die Kinder sind darauf richtig stolz.“ Dafür kämen viele barfuß zu Schule, weil sie entweder keine Schuhe oder nur unbequeme Plastiklatschen hätten.

„Oft hat es an der Qualität gefehlt“

Christa Zeller hat von 1985 bis 1990 mit ihrer Familie in Simbabwe gelebt und dort mit Einheimischen ein Kindergartenprojekt gestartet. Insgesamt 14 Einrichtungen wurden aufgebaut und außerdem ein Ausbildungsprogramm für Erzieherinnen entwickelt. „Simbabwe hat eine sehr gute Erzieher-Ausbildung, die auf einem Uni-Studium aufbaut und viel besser als bei uns ist“, sagt die zweifache Mutter. Allerdings sei diese „vollkommen an der Realität vorbei und sehr verschult“. Vor einigen Jahren hat der Staat schließlich entdeckt, dass vorschulischer Unterricht gut für die Kinder sei., und kurzerhand die Kindergärten eingezogen, um sie selbst weiter zu betreiben. Seither muss jedes Kind vor seiner Einschulung zwei Jahre in die Vorschule. „Kindergärten sind danach wie Pilze aus dem Boden geschossen“, so Christa Zeller. „Aber oft hat es an der Qualität gefehlt.“ Auch der Bongai Shamwari-Kindergarten hat jetzt eine solche Konzession bekommen. Kosten: rund 1.000 US-Dollar.

„Bei der normalen Bevölkerung kommt nichts davon an“

Simbabwe hat mit vielen Problemen zu kämpfen. Es gibt dort zwar auch sehr reiche Leute, die seien aber Angehörige der Politikerriege. Das Land ist reich an Bodenschätzen, die allerdings von den Chinesen abgebaut werden. „Bei der normalen Bevölkerung kommt nichts davon an“, sagt Christa Zeller. Hinzu komme die allgegenwärtige Korruption, die seit dem Umsturz noch schlimmer geworden sei. „Seither funktioniert eigentlich gar nichts mehr“, so die gelernte Erzieherin. Hinzu kommt eine hohe Aidsrate und seit Corona hätten sich frühe Kinderschwangerschaften gehäuft. „Die Familien leben dicht beieinander, viele Männer sind arbeitslos und alkoholkrank, so kommt es öfters zu Missbrauchsfällen“, hat Christa Zeller erfahren. „In zwei Fällen mussten wir einschreiten.“ Bei einem Vater habe es etwas genutzt.

„Medikamente sind teuer oder erst gar nicht erhältlich“

Obwohl das Leben sehr schwierig sei, seien die Leute immer sehr freundlich. „Manchmal krieg ich aber schon eine Wut im Bauch“, bekennt sie. „Wir haben ein Schließfach bei der Bank für unser Bargeld, das hat seither 50 Dollar monatlich gekostet.“ Jetzt aber verlange die Bank 30 Dollar pro Monat und zusätzlich nochmal 30 Dollar pro Besuch. Auch die medizinische Versorgung in dem Land ist sehr schlecht: „Medikamente sind teuer oder erst gar nicht erhältlich.“ Deshalb nimmt die Vereinsvorsitzende bei ihren Besuchen stets eine Grundausstattung an Medikamenten mit. Außerdem will der Verein die Krankenversicherung für seine Mitarbeiter wegen der hohen Kosten kündigen und stattdessen Rücklagen für Privatärzte bilden, weil die staatlichen Krankenhäuser so schlecht aufgestellt sind.

Solarkochkisten für die Eltern

Trotz aller Probleme blicken die Leute von Bongai Shamwari e.V. nach vorne und machen bereits Pläne für die Zeit nach Corona, um den Kindergarten weiterzuentwickeln. Sie wollen die Zusammenarbeit mit anderen Kindergärten ausbauen, das Gartengrundstück von der Stadt kaufen und dort ein Cottage bauen. Für ein Projekt mit Solarkochkisten für die Eltern werden noch Sponsoren für die Materialkosten von 25 bis 30 Euro gesucht. „Diese Kisten sind eine Art Backofen mit Parabolspiegel“, erklärt Christa Zeller. Damit können Temperaturen bis zu 200 Grad Celcius erreicht und Pizza, Lasagne oder Aufläufe hergestellt werden. Außerdem ist der Bau einer Solaranlage, für die bereits Anträge beim baden-württembergischen Förderprogramm bwirkt! gestellt wurden, und eines 34.000-Liter-Wassertanks geplant. Christa Zeller selbst hat in Mutare ein Haus gekauft, das zum Anlaufpunkt für Besucher und Freunde werden soll, die am Projekt mitarbeiten.

„Das Projekt ist in guten, jungen Händen“

„Mir macht das nach wie vor unheimlich viel Spaß“, begründet Christa Zeller ihr Engagement. „Es kommt viel zurück, auch wenn es mit viel Papierkram verbunden ist.“ Zu vielen ehemaligen Kindergartenkindern gebe es nach wie vor Kontakt, manche volontieren in dem Projekt. „Mittlerweile sind auch junge Leute in unserem Verein engagiert und wir haben eine Kooperation mit der Hochschule Künzelsau“, berichtet sie weiter. Für Christa Zeller fühlt es sich gut an: „Zu wissen, dass das Projekt in guten, jungen Händen ist und damit weiterläuft.“ Denn so könne sie sich auch mal zurücklehnen. Überhaupt scheint soziales Engagement in ihrer Familie zu liegen: Sohn und Tochter – er Kinderarzt, sie Apothekerin – engagieren sich beide in den Organisationen Ärzte beziehungsweise Apotheker ohne Grenzen.

Erneute Ausstellung im Frühjahr 2021

In der Ausstellung „Hohenlohe meets Simbabwe“ zeigten im Frühjahr verschiedene Künstler ihre Werke in der Sparkasse in Künzelsau. Die Schau wurde wegen Corona abgebrochen, die Künstler mussten eilends in ihre Heimat zurück. Diese Ausstellung soll 2021 wiederholt werden. Außerdem hat der Verein zwei Schaufenster in Ingelfingen – in der Schlossstraße und der Mariannenstraße angemietet – und stellt dort Bilder und Skulpturen aus Simbabwe aus, die über Christa Zeller verkauft werden. Auch bei Hohenloher Hörakustik in der Künzelsauer Hauptstraße sind Werke ausgestellt. Die Kunstwerke werden in Simbabwe hergestellt und gelangen per Container nach Deutschland.

Kunstwerke aus Simbabwe sind auch über einen Online-Katalog erhältlich. Dieser ist über die Homepage des Vereins unter www.bongai-shamwari.org zu finden.

Text: Sonja Bossert

Christa Zeller 2009 in Zimbabwe

Christa Zeller (rechts) 2009 in Zimbabwe

Kinder in Zimbabwe

Kinder vor dem Kindergarten in Zimbabwe.
Foto: GSCHWÄTZ/Archiv

Solche Kunstwerke stellen die Künstler in Simbabwe her. Verkauft werden sie über Christa Zeller und einen Online-Katalog. Foto: GSCHWÄTZ

Die Kunstwerke werden in Simbabwe hergestellt und per Container nach Deutschland geschickt. Foto: GSCHWÄTZ

 

 




„Wir sind im Kriegszustand“

„Daraus müssen wir lernen“, sagt ein Kupferzeller Einwohner*, der der Gemeindeverwaltung vorwirft, zu Beginn der Corona-Krise, als Kupferzell zum Hotspot im Hohenlohekreis wurde, nicht transparent genug vorgegangen zu sein. „Eine Informationspolitik war gar nicht gewollt“, glaubt er und: Auch das Landratsamt hätte viel früher reagieren können. „Das Rathaus in Kupferzell hätte viel früher sensibilisieren können, aber nichts ist passiert“, kritisiert er. Dabei hätte man doch alles bereits gewusst. In Norditalien sei es schon rundgegangen und auch Heinsberg sei in den Medien gewesen, als in Kupferzell am 01. März 2020 das verhängnisvolle Kirchenkonzert stattfand, bei dem sich dann so viele Bewohner infizierten.

„Man hat die Menschen sich selbst überlassen“

Bereits am 05. und 06. März 2020 hätte es erste Krankheitsfälle im Ort gegeben, „da hätte man schon reagieren können“. Am 06. März 2020 gab es den ersten Fall in einer Schule, aber niemand sei informiert worden. Die Gemeindeverwaltung habe viel zu langsam agiert, findet er und veranschaulicht das an einem weiteren, ganz praktischen Beispiel: Die Verwaltung habe die Infektionszahlen an das Robert Koch-Institut und das Gesundheitsamt per Fax verschickt, statt auf schnelle Datenübertragung zu setzen. „Das Landratsamt hat komplett versagt“, beklagt er. „Nach zwei Wochen wussten die immer noch nicht, wer alles auf dem Kirchenkonzert war.“ Stattdessen habe man die Menschen sich selbst überlassen. Und dann habe Corona eine Spur der Verwüstung durch den Ort gezogen.

„Es wurde sofort mit entsprechenden Maßnahmen begonnen“

Auf die Vorwürfe des Kupferzellers hin hat GSCHWÄTZ bei Christoph Spieles, Bürgermeister der Gemeinde, nachgehakt und um eine Stellungnahme gebeten. Die Gemeindeverwaltung habe am Sonntag, den 08. März 2020, vom ersten Corona-Fall in Kupferzell erfahren. „Mit Beginn dieser Woche und dem Auftreten des Virus in Kupferzell wurde sofort mit entsprechenden Maßnahmen begonnen“, schreibt der Rathaus-Chef in seiner Antwort-Mail. Das weitere Vorgehen sei besprochen worden und es habe auch einen Krisenstab gegeben.

„Der Krisenstab kam in der Anfangszeit täglich zusammen“

Genau wie Kupferzell war auch Pfedelbach ein Corona-Hotspot im Frühjahr 2020. „Der erste Coronafall wurde der Gemeinde am 08. März 2020 mitgeteilt“, schreibt der Bürgermeister der Gemeinde, Torsten Kunkel, den GSCHWÄTZ ebenfalls nach seinen Erfahrungen befragte. „Die Bevölkerung wurde über die Hohenloher Zeitung informiert.“ Es wurden verschiedene Maßnahmen in die Wege geleitet und ein Krisenstab eingerichtet, der in der Anfangszeit der Pandemie täglich zusammenkam.“ In der momentanen Situation sei das je nach Bedarf der Fall. Auch seien zurzeit in Pfedelbach keine konkreten Maßnahmen geplant. „Diese werden je nach Situation angeordnet und umgesetzt“, so der Rathaus-Chef. „Hygienekonzepte für die verschiedenen öffentlichen Einrichtungen existieren und werden auch angewandt.“

„Man sollte zumindest daraus lernen“

„Zehn bis 15 Skifahrer haben das Virus aus Kühtai mit nach Kupferzell gebracht“, fährt der Kupferzeller fort. „Das kann ja passieren, aber man sollte zumindest daraus lernen.“ Er glaubt, dass diese Personen gutsituiert seien und teilweise in der Öffentlichkeit stehen sowie in allen Gremien sitzen würden. „Deshalb ist das Amtsmissbrauch und diese Leute befangen“, sagt er. Er aber fordere von ihnen Verantwortungsbewusstsein. „Darüber wird aber auch nicht geredet“, beklagt der Familienvater, der im Nachhinein auch von der Aufforderung gehört haben will, „dass niemand mit der Presse reden darf“. Erst nach und nach hätten die Leute im Ort mitbekommen, dass „dieser oder jener erkrankt sei“. Doch offizielle Informationen hätte es nicht gegeben. Er findet, Kupferzell hätte eine Blaupause sein können für Deutschland und die Entscheidungen der Bundesregierung, wenn man nur transparenter vorgegangen wäre.

„Ohne Ärzte standen wir schlecht da“

Ein weiterer seiner Kritikpunkte: Irgendwann seien die Kupferzeller ohne Arzt dagestanden. „Der Arzt in Kupferzell hatte Corona, drei Ärzte in Untermünkheim sowie Neuenstein auch“, erzählt er. „Ohne Ärzte aber standen wir schlecht da.“ Das sei einzigartig gewesen und so etwas wolle er auch nicht mehr erleben. Nur eine Praxis in Braunsbach hätte durchgehalten, aber die hätte sich auch frühzeitig auf alles vorbereitet. „Wir hätten für Kupferzell extra einen Arzt gebraucht“, findet der Mann. Denn die Leute hätten sich zu der Zeit reihenweise angesteckt. „Die Busse, die das RKI nachher für seine Testung mitgebracht hat, hätten wir zu Beginn der Krise als Praxis gebrauchen können“, sagt er. Außerdem hätte man die Ortschaft abriegeln, das THW die Versorgung der Menschen übernehmen müssen. „Aber man wollte ja nicht, dass das rauskommt“, so der Kupferzeller. Außerdem hätte die Gemeindeverwaltung viele Maßnahmen abgelehnt. Eine Quarantänestation sei zum Beispiel nicht gewollt gewesen. „Wir hatten nicht mal einen Krisenstab“, sagt er. Erst am 20. März hätte es eine offizielle Mitteilung gegeben, nachdem es andere Orte bereits vorgemacht hatten. „Aber eine öffentliche Bekanntmachung mit dem Feuerwehrauto im Ort wurde abgelehnt“, erinnert er sich.

„Diese Aussage ist kompletter Unfug“

„Diese Aussage ist kompletter Unfug“, schreibt Christoph Spieles dazu. „Die Gemeindeverwaltung hat keine Quarantänestation abgelehnt. Dies wurde mit dem Landratsamt vorangetrieben und in der Akademie eingerichtet.“ Auch sei die Bevölkerung umgehend und in voller Breite über die Homepage der Gemeinde sowie das Mitteilungsblatt informiert worden. In der ersten möglichen Woche (also ab dem 20. März) sei das Mitteilungsblatt an alle Haushalte kostenlos verteilt worden. Darin hätte es zusätzliche Informationen rund um das Coronavirus, das persönliche Verhalten und Erreichbarkeiten gegeben.

„So viele Todesfälle hätten nicht sein müssen“

Überdies, kritisiert der Kupferzeller Einwohner weiter, seien zu Beginn der Krise seien in Kupferzell nicht gleich ganze Klassen in Quarantäne geschickt worden, sondern nur Infizierte und die jeweiligen Nebensitzer. „In China dagegen hat man ganze Städte abgeriegelt“, vergleicht er. „So viele Todesfälle hätten nicht sein müssen.“ Persönlich kennt er Einige, die an einer Corona-Infektion gestorben sind. Und jetzt gebe es schon wieder Corona-Fälle im Ort. „Aber wir sind hier doch für uns verantwortlich“, findet er. Zurzeit würden ja auch viele junge Menschen ohne Vorerkrankungen sterben. „Es wäre doch interessant zu wissen, wer stirbt“, denkt er. So würden vielleicht auch die Jungen vorsichtiger werden.

„Das hätte noch viel schlimmer sein können“

Dabei hätten die Kupferzeller noch Glück im Unglück gehabt. „Das hätte noch viel schlimmer sein können“, glaubt er. Doch es seien Fehler und Versäumnisse passiert. „Dass man das so einfach im Sande verlaufen lässt“, macht ihn fassungslos. Denn viele Hohenloher hätten darunter gelitten und gerade deshalb und damit sich das nicht wiederholt, sollte alles aufgearbeitet werden, fordert er, vielleicht sogar mithilfe eines Mediators. „Die Armen, Schwachen und Älteren sind gestorben“, sagt er. „Die Verantwortlichen laufen heute wieder rum, als wenn nichts war.“ Doch sonst würden die doch auch immer sagen, was man tun darf.

„Ich gehe keine Kompromisse ein“

Selbst hat der Mann schon früh Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, als er im Januar auf einer Messe vermehrt Asiaten mit Masken gesehen hatte. Ab März sei er besonders vorsichtig geworden bei allen Kontakten. Er und seine Familie hätten auch zu Hause darauf geachtet, Abstand zueinander einzuhalten, und die 78-jährige Oma drei Monate lang nicht mehr besucht. Die Kinder dürften seit Beginn der Krise nicht mehr mit dem Schulbus fahren. Der Mann steht auch voll hinter den Maßnahmen der Bundesregierung und trägt im Freien grundsätzlich eine Maske. „Wir sind in einem Kriegszustand ohne Waffen“, findet. Seit dem Zweiten Weltkrieg hätte es so was nicht mehr gegeben. „Ich gehe hier keine Kompromisse ein, denn ich habe alles miterlebt“, sagt er. „Wir haben keine andere Chancen.“ Er findet, dass man Diskussionen und Lockerungen jetzt nicht zulassen dürfe und auch Demos gegen die Corona-Maßnahmen sind in seinen Augen nicht diskussionswürdig. „Im Krieg sind die Grundrechte auch eingeschränkt worden“, sagt er, weiß aber, dass das in einer Demokratie schwierig ist.

„Das bewusst zu verschleppen ist sträflich“

„Ich habe Angst, dass wir wieder nicht informiert werden“, befürchtet er. Das „bewusst zu verschleppen ist sträflich“. Gerade die älteren Menschen ohne Social Media würden doch nichts mitbekommen. Er glaube, „dass es schon wieder schlimmer ist, als uns gesagt wird“. Seine Zukunftsaussicht ist eher düster: „Es kann noch viel schlimmer kommen mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen“. Auch wenn er nicht damit rechnet, dass so etwas im Ort direkt noch einmal passieren wird – mittlerweile hätten ja zahlreiche Einwohner Antikörper gebildet – so wünscht er sich doch, „dass das alles nicht einfach so vergessen wird“.

„Die Aufarbeitung ist ein laufender Prozess“

Sollte Kupferzell dennoch von einer zweiten Welle getroffen werden, so habe sich die Gemeindeverwaltung laut Bürgermeister Spieles darauf vorbereitet: „Wir haben uns intern besprochen und entsprechende Maßnahmen – je nach Auftreten und Heftigkeit – vorbereitet. Diese werden dann umgesetzt“. Zudem schreibt er: „Die Aufarbeitung ist ein laufender Prozess und hat bereits im März begonnen. Die jeweiligen Erfahrungen fließen dauernd bei Entscheidungen mit ein.“

„Das RKI hat die Kontaktpersonennachverfolgung durch das Landratsamt als gut bewertet“

„Das Landratsamt Hohenlohekreis hat frühzeitig einen Koordinierungsstab Corona, bestehend aus verschiedenen Ämtern und Institutionen, gegründet. Das erste gemeinsame Treffen fand am 26. Februar diesen Jahres statt“, schreibt Matthea Weinstock von der Pressestelle des Landratsamtes Hohenlohekreis auf GSCHWÄTZ-Nachfrage. „In den Sitzungen des Koordinierungsstabs wurden verschiedene Maßnahmen diskutiert und umgesetzt.“ Bei Empfehlungen hätte sich das Gesundheitsamt des Landratsamtes Hohenlohekreis stets an den Vorgaben des Robert Koch-Instituts (RKI) orientiert. So sei beispielsweise bei der Frage nach der Durchführung von Veranstaltungen die vom RKI am 28.02.2020 veröffentlichte Handlungsempfehlung einbezogen worden. „Bitte beachten Sie, dass das Infektionsgeschehen immer erst nach mehreren Tagen bewertet werden kann, da die Betroffenen sich in der Regel bereits Tage vor Erkennen der Erkrankung infiziert haben und ansteckend gewesen sind“, schreibt die Landratsamtsmitarbeiterin weiter. „Das RKI hat im Rahmen der Studie in Kupferzell insbesondere die Kontaktpersonennachverfolgung der ersten Fälle durch das Landratsamt als gut bewertet.“ Für den Fall von erneut steigenden Infektionszahlen hat das Landratsamt Hohenlohekreis verschiedene Vorbereitungen getroffen – beispielsweise die Neuaufstellung des Gesundheitsamts und der Standby-Betrieb der Abstrichstelle sowie der Isolierstation.

Text: Sonja Bossert

 

  • Der Mann ist der Redaktion namentlich bekannt, möchte aber anonym bleiben.

Christoph Spieles, Bürgermeister von Kuperzell. Foto: GSCHWÄTZ ARCHIV

Thorsten Kunkel (links), Bürgermeister von Pfedelbach. Foto // GSCHWÄTZ/Archiv




„Wir haben mit dem Einsatz dieser Schnelltests in den vergangenen acht Wochen sehr gute Erfahrungen gesammelt“

Seit der Urlaubssaison steigen die Corona-Fallzahlen auch in Deutschland wieder an. Um zu verhindern, dass diese im Winterhalbjahr förmlich explodieren, passen Bund und Länder die Verhaltensvorgaben für die Bürger immer wieder an. Doch wie sieht das in den Firmen aus, wo die Menschen oft auf engstem Raum zusammenarbeiten? Geben die Unternehmen vor, auf was ihre Mitarbeiter achten sollen und wie sie sich zu verhalten haben? Wir haben uns in Hohenlohe umgehört.

„Alle Symptome müssen akut auftreten“

„In diesen Tagen erhalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung Künzelsau über einen internen Newsletter und über Aushänge konkrete Angaben zum Vorgehen beim Auftreten von Krankheits- und Erkältungssymptomen“, schreibt Elke Sturm von der Pressestelle der Stadt Künzelsau in ihrer Antwort-Mail. Dabei handele es sich um die allgemein angewandten Kriterien. So dürften die städtischen Beschäftigten nicht an ihren Arbeitsplatz kommen, wenn sie unter folgenden Symptomen leiden: Fieber ab 38 Grad Celsius, trockener Husten – also ohne Schleim und nicht durch chronische Erkrankungen wie Asthma verursacht – wenn der Geschmacks- oder Geruchssinn gestört sind. „Alle Symptome müssen akut auftreten“, so Elke Sturm. „Symptome einer bekannt chronischen Erkrankung sind nicht relevant.“ Im optimalen Fall würden die Beschäftigten weitere Schritte mit ihren direkten Vorgesetzten telefonisch abstimmen.

Bisher rund 200 Schnelltests vorsorglich durchgeführt

„Bei ebm-papst haben wir Covid-19 bereits mit dem Ausbruch in China im Januar 2020 sehr ernst genommen und umgehend eine Reihe von Maßnahmen, wie beispielsweise das Tragen von Mundschutz oder die Sensibilisierung auf erhöhte Körpertemperatur, umgesetzt“, schreibt Pressesprecher Hauke Hannig. „Auch bieten wir unseren Mitarbeitern bereits seit vielen Monaten zusätzlich Sicherheit, in dem wir über unsere Betriebsärzte bei Verdachtsfällen PCR-Testungen (Mund-Nase-Abstriche) durchführen.“ Die nun beginnende Erkältungszeit werde bei ebm-papst mit Schnelltests begleitet: „Wir haben mit dem Einsatz dieser Schnelltests in den vergangenen acht Wochen sehr gute Erfahrungen gesammelt und können damit unseren Mitarbeitern einen weiteren Schutz bieten und damit eine höhere Sicherheit im Unternehmen ermöglichen“. Bisher wurden laut Hannig vorsorglich rund 200 Schnelltests in Mulfingen durchgeführt. Der Vorteil sei, „dass wir umgehend ein Ergebnis erhalten“. Ein Schnelltest schlage an, wenn eine Virenlast vorliege. Ist dies der Fall, werde über den PCR-Test (Mund-Nase-Abstrich) und eine Laboranalyse überprüft, ob eine Covid-19-Infektion vorliegt.

„Wir thematisieren Covid-19 sowie die Hygieneregeln wieder verstärkt“

„Wäre dies der Fall, gelten die Regeln des Infektionsschutzgesetzes. Der Schnelltest zeigt überdies auch an, ob eine Infektion vorlag und Antikörper gebildet wurden“, schreibt Hannig weiter. Bei einer erhöhten Körpertemperatur – mehr als 38 Grad Celsius – oder bei Erkältungssymptomen – beispielsweise Halsschmerzen – sollen die ebm-papst-Mitarbeiter umgehend ihren Hausarzt konsultieren und nicht in die Firma kommen. Zur Kommunikation werden bei dem Unternehmen vielseitige Kanäle genutzt: angefangen von Intranet über mündliche Kurzinfos bei Schichtübergaben bis hin zu Aushängen und Newslettern. „Wichtiger Kanal ist zudem unsere Corona-Hotline, deren Mitarbeiter für alle Fragen zur Verfügung stehen und Koordinationsaufgaben, beispielsweise in Bezug auf unsere Testungen, übernehmen“, so der Pressesprecher. „Aufgrund der Zunahme von Infektionen, insbesondere in Deutschland, und der anstehenden Erkältungszeit thematisieren wir Covid-19 sowie die Hygieneregeln wieder verstärkt, setzen wieder stärker auf mobiles Arbeiten in A- und B-Teams und Videokonferenzmöglichkeiten.“

Regelmäßige Informationen zum aktuellen Stand

Sascha Sprenger von der Pressestelle des Landratsamtes Hohenlohe schreibt auf die GSCHWÄTZ-Anfrage: „Schon immer gilt, dass Mitarbeitende – genau wie Besucher – mit eindeutiger COVID-19-Symptomatik das Landratsamt nicht betreten dürfen“. Allerdings würden die Mitarbeiter regelmäßig zum aktuellen Sachstand im Umgang mit COVID-19 sowie einhergehenden Änderungen informiert.

Mitarbeiter sind in selbst verantwortlich

„Unsere Mitarbeitenden sind grundsätzlich dazu aufgefordert, bei einer Erkrankung nicht zur Arbeit zu kommen“, schreibt Rainer Grill, Pressesprecher von Ziehl-Abegg. „Einmal dient dies der verbesserten eigenen Genesung, zum anderen einer Vermeidung von Ansteckungen anderer Mitarbeitenden.“ Dies geschehe aber unabhängig von Covid-19. Aber es gelte auch: „Als Unternehmen können wir nicht per Aushang definieren, ab wann jemand gesund oder krank ist: Das muss der- oder diejenige im ersten Schritt für sich selbst entscheiden und dann gegebenenfalls einen Arzt zurate ziehen. Grill nennt ein Beispiel: „Würden wir etwa eine „laufende Nase“ als Kriterium festlegen, dann müssten Mitarbeiter mit leichtem Heuschnupfen grundsätzlich zu Hause bleiben“. Daher müsse jeder für sich selbst entscheiden, ob er krank ist und nötigenfalls ärztlichen Rat einholen.

Text: Sonja Bossert




Transnet-Brandschutzexperte betont: „Zellen können explodieren, das ist aber nicht vergleichbar mit der Wirkung von Dynamit oder TNT“

Der geplante Netzbooster in Kupferzell lässt die Emotionen weiterhin hochkochen. (Wir berichteten: https://www.gschwaetz.de/2020/09/30/selbst-brandschutzexperte-von-transnet-warnt-in-folge-einer-fehlfunktion-koennen-extrem-giftige-gase-austreten/, https://www.gschwaetz.de/2020/08/28/transnet-kann-vorwuerfe-der-interessensgemeinschaft-nicht-nachvollziehen/ oder https://www.gschwaetz.de/2020/08/17/es-ist-von-anfang-an-unheimlich-viel-im-dunklen-still-heimlich-und-leise-hinter-verschlossenen-tueren-verhandelt-worden/).

„Diese Zellen können brennen.“

Wir haben nun beim Brandschutzexperten Dr. Dietmar Schelb, Leiter Forschungsstelle für Brandschutztechnik am Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) nachgehakt, nachdem Dr. Marion Kühnle von der Interessengemeinschaft darauf hingewiesen hat, dass diese Lithium-Ionen-Batterien brennen können. Kühnle hat dabei auf eine Arbeit von Schelb verwiesen. In seiner Antwort-Mail an GSCHWÄTZ schreibt Dr. Schelb nun zur Gefährdung durch die Batterien: „Die Netzstabilisationsanlage besteht aus rund 100 Containern mit Batterien drin. Jede dieser Batterien im Container besteht wiederum aus mehreren tausend Zellen. Diese Zellen können brennen und sie setzen dabei Fluorwasserstoff frei“.

„Es reißt lediglich eine Folie oder Membran auf.“

Die Zellen könnten laut Schelb durchaus auch „explodieren“, das sei aber nicht vergleichbar mit einer Bombenexplosion oder der Wirkung von Dynamit oder TNT: „Es reißt lediglich eine Folie oder Membran einer einzelnen Zelle auf, und Flammen können nach außen hin erscheinen“. Doch weil dies im Innern eines Containers geschehe, sei es für Außenstehende ungefährlich. Den Vergleich mit Beirut findet Schelb denn auch unangebracht und irreführend.

„Wenn eine Zelle brennt, darf sich der Brand nicht ausbreiten.“

Von dem Booster gehe keine Explosionsgefahr für Außenstehende aus, ist der Forscher überzeugt. Die Batterien des Netzboosters seien sicherer, als die meisten Batterien im E-Fahrzeug: „Die Batterien müssen einen so genannten Propagationstest bestehen. Wenn eine Zelle brennt (warum auch immer), darf sich der Brand nicht ausbreiten“. Das Brandschutzkonzept sehe zudem vor, „dass beim Brand einer Zelle eine Wassernebelanlage startet, die den giftigen Fluorwasserstoff sofort niederschlägt“. Das Löschwasser werde anschließend gesammelt.

 




„Ich habe mir schon oft das Maul verbrannt“

Er ist Puppenspieler, Bildermaler, Filmemacher und Schriftsteller. Er kennt sich aus in der Kunst- und Künstlerszene, ist mit bekannten Show- und Schauspielgrößen auf Du und Du. Und hat nach eigener Aussage gemeinsam mit seiner Frau Helga die Kunst nach Künzelsau gebracht. Ende Oktober wird der Tausendsassa Ted Moré 90 Jahre alt. Ein Alter, das man ihm kaum abnehmen mag. Das Puppenspiel hat er sich selbst angeeignet. Zuvor war er unter anderem als Zirkusmanegen-Sprecher tätig. „Da habe ich sprechen gelernt“, erklärt der noch 89-Jährige. Er habe aber auch bemerkt, dass die Schauspielerei nicht sein Fall war. „Das Puppenspiel aber ging“, erinnert er sich.

Seit 51 Jahren in Nagelsberg, eigene Bühne seit 1972

Seit 51 Jahren lebt und arbeitet das Ehepaar in Nagelsberg. 1972 begannen sie, ihre Inszenierungen auch auf der eigenen Bühne zu präsentieren, zuvor hatten sie dort die Stücke lediglich einstudiert und geprobt. Das waren nicht nur Stücke für Kinder, sondern auch Anspruchsvolle für Erwachsene: Neben dem Faust der Jedermann, Till Eulenspiegel oder Hans Sachs. Zusätzlich boten sie in dieser Zeit Showgrößen wie Hannes Wader, Bill Ramsay oder Rizzo Reinhart eine Bühne. Musikkapellen aus Düsseldorf, Chicago und Philadelphia traten in dem ehemaligen Kuhstall auf. Jazz, Kabarett, Pantomime wurden hier gespielt. Und sie zeigten das runde Dutzend Filme von Ted Moré wie Die Bremer Stadtmusikanten, Sybille und das kleine i oder eben den Faust. Als Beigabe hat sich im Moréschen Theater der Filmclub Künzelsau gegründet. „Vor 50 Jahren war hier sonst nichts los“, blickt Helga Moré zurück.

„Es gibt nur fünf Länder in Europa, wo wir noch nicht waren.“

Das Paar ist viel herumgekommen mit seinen Marionetten – deutschland- und europaweit. Zahlreiche Engagements führten sie ins Ausland. „Es gibt nur fünf Länder in Europa, wo wir noch nicht waren“, sagt die 86-Jährige. So spielten sie Goethes Faust an französischen Gymnasien, hatten ein einwöchiges Engagement am Institute of Contemporary Art in London, reisten oft nach Polen. Sie machten Puppentheater für Kinder, aber auch für Erwachsene. Anfang der 2000er-Jahre war er bei der ersten Jahreshauptversammlung der Gewerkschaft Verdi engagiert, um in den Sitzungspausen Sketche zu machen. „Dem Engholm hat das gar nicht gepasst, der ist mit seinem Tross gleich wieder gegangen“, erinnert sich Moré. „Aber dann habe ich mit dem Gregor Gysi gequatscht und ein bisschen die Sozis geschädigt, die das Catering gemacht haben.“

Ausgesprochen expressionistische Marionetten

Die Marionetten fertigt das Paar selbst an. „Sie sind angelehnt an Holzschnitte, Bauernaltäre, an Afrika und Südsee“, sagt der Künstler. „Sie sind ausgesprochen expressionistisch, denn Weglassen hebt das Ganze.“ Die Figuren sehen von jeder Seite und von vorne immer anders aus, weil sie auf der Bühne im Profil stehen müssen. Weil Moré findet, dass seine Figuren dekorativ genug sind, verzichtet er seit jeher auf ein Bühnenbild. Es gibt lediglich Accessoires wie Bäume oder Sessel. Alles andere würde nur stören.

„Seit diesen Zeiten hat sich alles verändert.“

Ursprünglich stammen die Morés aus dem Ruhrgebiet. Kennengelernt hatten sich die gelernte Erzieherin, die bereits zuvor beim bekannten Puppenspieler Heinrich Maria Denneborg das Puppenspiel gelernt hatte, und der gebürtige Wittener in dem Kindergarten, den sie leitete. Vor 56 Jahren wurde geheiratet, gemeinsam zogen sie dann nach Bad Pyrmont. In dieser Zeit hatten sie viele Auftritte in Stuttgart, während denen sie in Bad Cannstatt in einem Wohnwagen lebten. „Das waren rund 200 Vorstellungen jährlich“, blickt der bald 90-Jährige zurück. „Seit diesen Jahren hat sich alles verändert“, erzählt auch Helga Moré wehmütig. „Heute gibt es in Stuttgart zehn bis 15 Puppentheater.“

Rund 1.000 selbstgemalte Grafiken und Bilder

Der damalige Leiter des Stuttgarter Jugendamtes vermittelte ihnen schließlich den Hof in Nagelsberg, den sie selbst aus- und umbauten, wo sie ihre zwei Kinder großzogen und heute noch leben. Überall in dem ehemaligen Bauernhaus und in der angrenzenden Scheune hängen Marionetten, rund 1.000 selbstgemalte Grafiken und Bilder und zahlreiche Bücher füllen die Regale an den Wänden. Seine unzähligen Bilder sind eine „Malerei des Augenblicks“, meint er, auf Bestellung gehe da nichts. Für die Motive lässt er sich von Stimmungen oder auch Gedichten wie „Der Knabe im Moor“ von Anette Droste-Hülshoff inspirieren.

„Schießt die von der Bühne.“

Doch auch sonst zog es die Morés immer wieder aus Nagelsberg hinaus. So sind sie seit den 80er-Jahren jedes Jahr 14 Tage in Berlin. Viele Jahre hatten sie ein Abo für die Alte Oper Frankfurt, besuchten Konzerte mit Max Raabe und seinem Palastorchester, der Chansonsängerin Juliette Greco oder dem Dirigenten Simon Rattle. „Es gab Leute, da konnte man sagen, das lohnt sich, sich das anzukucken“, sagt er. Doch er nimmt auch kein Blatt vor den Mund, wenn ihm etwas nicht gefällt. Dann sagt er schon mal: „Schießt die von der Bühne“ oder „Schämt ihr euch nicht, das nennt ihr Puppenspiel?“. Bei diesen Leuten ist in seinen Augen nichts da, „die haben nichts mitbekommen“. Er bekennt freimütig: „Ich habe mir schon oft das Maul verbrannt, weil ich was Falsches gesagt habe“. In diesem Sinne hat er auch seine beiden Kinder erzogen: „Ich konnte ihnen mitgeben, wenn etwas nicht so ist, wie ich es will, mach ich es mir so, wie ich will“.
Ted Moré schöpft aus einem reichen Fundus an Erinnerungen. „Er hat ein phänomenales Gedächtnis“, sagt seine Frau. Der Puppenspieler erinnert sich in seinen Erzählungen noch an zahlreiche Details. Auf seinen vielen Reisen lernte er bekannte Künstler und Darsteller wie Gert Fröbe und Willy Millowitsch aber auch die Kabarettistin Lore Lorentz kennen.

„Heute will das keiner mehr.“

„Die Dinge, die wir im Theater erlebt haben, gibt es heute nicht mehr“, erinnert der zweifache Vater wehmütig und lacht dennoch verschmitzt. Zu den Erwachsenenvorstellungen in seinem Theater kamen seinerzeit auch Reinhold Würth und Harald Unkelbach „Aber bei Würth machen sie jetzt alles selbst“, bedauert Moré. Zu manchen Vorstellungen brachten Eltern aber auch ihre Kinder mit, weil sie dachten, ein Puppenspiel sei automatisch kindgerecht. Rund 50 Stücke, glaubt er, haben sie inszeniert, so genau weiß er das gar nicht – „wir machten, was gerade verlangt wurde“. So machte er einen Film für den Tag des Zahnes der Zahnärztevereinigung in Berlin – „aber heute will das keiner mehr“. Das seien alles Artikel, die verschwinden.

Fast 50 Jahre für einen Roman

In diesem Jahr hatte Moré wegen Corona nur wenige Auftritte – so war er dreimal in Mainz. Doch er blickt lächelnd nach vorne. In den Herbstferien veranstaltet das Ehepaar Moré ein Haus der offenen Tür. Mit dem „Trauerspiel zum Totlachen“ „100 Hasen und ein dicker König“ bringt er ein neues Kinderstück auf die Bühne. Dann will er auch seinen Roman verkaufen, den er nach immerhin fast 50 Jahren nun endlich fertiggestellt hat. „1972 hat der Schriftstellerverband einen Förderpreis ausgeschrieben“, erinnert sich der Autor. „Ich bekam den Preis für mein Exposé und jetzt ist das Werk endlich vollendet.“ Warum es so lange dauerte? Da waren ja noch das Theater, die Malerei, der Hausumbau. Selbst die Tage eines Tausendsassas sind nur 24 Stunden lang. Der Roman, in dem Ted Moré auch Autobiografisches verarbeitete, ist dreiteilig angelegt und soll mit dem Titel „Bankiers aller Gimpel“ erscheinen.

„Ich hoffe, ich halte das nochmal 50 Jahre.“

Seit einem Sturz vor einigen Jahren kann Helga Moré nicht mehr mit ihrem Mann spielen, seither stemmt er die Aufführungen alleine. Fürs Altenheim fühlt er sich noch zu jung. Er findet, dass die dortigen Bewohner wie in einer Kabarettshow seien und „von Beruf alt sind“. „2022 existiert das Theater 50 Jahre“, sagt er. „Ich hoffe, ich halte das nochmal 50 Jahre“, und lächelt mit einem Augenzwinkern.

Text: Sonja Bossert

Im Moréschen Theater soll in den Herbstferien das Kinderstück „100 Hasen und ein dicker König“ gezeigt werden. Foto: GSCHWÄTZ

Diese selbstgemachten Puppen sind typisch Ted Moré. Foto: GSCHWÄTZ

Rund 1.000 Grafiken und Bilder hat Ted Moré gemalt. Foto: GSCHWÄTZ

 




„Ich kann nur sagen: Chapeau TSV“

Endlich ist es soweit: Nach vierjähriger Planungsphase fiel am Donnerstag, den 17. September 2020, mit dem offiziellen Spatenstich der Startschuss für das Sportvereinszentrum KÜNfit des TSV Künzelsau. Das alte Vereinsheim ist im Sommer der Abrissbirne zum Opfer gefallen, nun kann mit dem Neubau gestartet werden, dessen Einweihung im Oktober 2021 geplant ist. Im Heinz-Ziehl-Sportpark soll für rund fünf Millionen Euro eine moderne Sportstätte mit Fitness- und Gymnastikräumen und Sauna entstehen (GSCHWÄTZ berichtete).

„Jetzt wird in die Tat umgesetzt, was vor vier Jahren als Idee begann“

Die Gäste der Zeremonie – hauptsächlich langjährige Vereinsmitglieder, Vertreter der Stadt Künzelsau, des Württembergischen Landessportbunds (WLSB) sowie der beteiligten Planungs- und Baufirmen – geizten nicht mit Vorschusslorbeeren. TSV-Präsident Erwin Bergmann blickte in seiner launigen Ansprache zurück auf einen „vierjährigen Marathon“ mit verschiedenen Studien und Vorgaben, die es zu beachten galt. Doch nun werde es ernst: „Jetzt wird in die Tat umgesetzt, was vor vier Jahren als Idee begann“. Ab sofort sei das für jeden sichtbar und deshalb wolle der TSV mit dem Spatenstich einen guten Anfang machen. Bergmann betonte auch: „Trotz Covid-19 müssen wir mutig weitergehen“. Er versteht das KÜNfit als einen Beitrag zur Vorsorge vor Krankheiten. Zudem sei der Neubau nicht nur ein Prestigeobjekt sondern auch eine Unternehmung der rund 1.500 TSV Mitglieder. Und: „Es werden auch ein paar Arbeitsplätze entstehen“. Wenn es rund läuft, so der TSV-Präsident weiter, werde das neue Gebäude in gut 13 Monaten bezogen und „dann geht unsere Arbeit richtig los“.

Baustein-Aktion

Bergmann, der bereits zu Beginn an die Adresse von Bürgermeister Stefan Neumann um eine weitere Unterstützung von Seiten der Stadt geworben hatte, erinnerte an die Bausteinaktion, denn „jedes Haus braucht ein solides Fundament, auf dem es stehen kann“. Bei der Aktion kann für 1.000 Euro Spende eine silberne, für 5.000 Euro eine goldene und für eine Raum-Benennnung eine Platin-Plakette erworben werden. Diese wird an der Außenmauer des neuen Gebäudes angebracht.

„Ich kann nur sagen: Chapeau TSV“

Bürgermeister Stefan Neumann betonte in seiner Rede, wie sehr er sich auf diesen „wichtigen Spatenstich“ gefreut habe: „So ein Tag ist immer ein richtig toller Tag“. In den 60er-Jahren, als das alte Vereinsheim gebaut wurde, sei die Welt noch eine andere gewesen: Damals gab es noch Uwe Seeler, Feldhandball und ein Deutscher hielt den Weltrekord im 100-Meter-Sprint. „Damals war es selbstverständlich, in den Sportverein zu gehen, das geht heute zurück“, bedauerte Neumann. In den 90er-Jahren sei das Stadion erweitert worden, der Heinz-Ziehl-Sportpark sei entstanden, aber in weiten Teilen unverändert sei das TSV-Vereinsheim geblieben. „Die Entscheidung für diese Konzeption ist eine richtige, aber mutige“, betonte der Rathauschef. „Ich kann nur sagen: Chapeau TSV.“ In Sachen Mitglieder und Sporttreibende müsse man neue Wege gehen. Auch wies Neumann auf die 440.000 Euro Förderung hin, mit denen sich die Stadtverwaltung an den Kosten beteilige – immerhin seien das 70 Prozent. „Sie müssen Werbung beim Gemeinderat machen, meine Unterstützung haben sie“, so der Bürgermeister, der dem TSV wünschte, im Kosten- und Zeitrahmen zu bleiben und sich erleichtert zeigte, dass die Stadt „mal nicht dabei ist“.

„Die Wertschätzung ist immer noch groß“

„Ein Verein ist kein Wirtschaftsunternehmen, aber bis hierhin war es bereits sehr, sehr viel Arbeit“, betonte Jan Philippiak, Vorsitzender der Heinz-Ziehl-Stiftung und langjähriges TSV-Mitglied. Zwei Aufgaben habe ein Sportverein: Bewegung und Begegnung. Das sei im alten TSV-Sportheim nicht mehr möglich gewesen. „Seit Corona könnte man meinen, dass Stätten der Begegnung an Stellenwert verloren haben“, sagte er. Doch das sehe er nicht so: „Die Wertschätzung ist immer noch groß“. Sport sei ein Erlebnis und im neuen Sportvereinszentrum können auch die Sportanlagen außen genutzt werden und jeder könne seinen Sport mit einer anderen Sportart verknüpfen. Er wünschte dem TSV „weiterhin ein gutes Händchen, Durchhaltevermögen und Begeisterung“.

„Hier entsteht etwas für die ganze Bevölkerung“

WLSB-Vertreter Marcus Lachenwitzer hat das Projekt von Anfang an begleitet und mitentwickelt. „Ich hoffe, dass der WLSB mehr als nur zahlen geholfen hat“, meinte er. Denn so ein Projekt koste bereits mehrere Jahre im Voraus. „Ich habe den größten Respekt vor den Vereinsmitgliedern für die vielen Stunden, die sie bereits investiert haben“, blickte er zurück. In seiner Ansprache nannte er den Neubau einen „Meilenstein“ und „Aufforderung an alle“. „Hier entsteht etwas für die ganze Bevölkerung und den aktiven Gesundheitssport“, sagte der WLSB-Vertreter. „Die Zeit, die uns geschenkt wird, muss man sinnvoll nutzen, also tun Sie was für sich und bleiben Sie fit“, forderte er die Zuhörer auf. Auch er beglückwünschte den TSV zu „diesem mutigen Schritt“ und meinte: „Ich freue mich jetzt schon riesig auf die Eröffnung“.

„Es ist ein spezielles Grundstück“

Architekt Thomas Auch von a+b freie Architekten aus Weinstadt gab einen Rückblick auf die Überlegungen zu Größe und Form des zukünftigen Sportzentrums. „Es ist ein spezielles Grundstück, nämlich gebogen, und wir mussten versuchen, die Kurve zu kriegen“, sagte er. Das sei nicht einfach gewesen, aber letztlich habe man eine gute Lösung gefunden. Das Gebäude wird keilförmig mit einer Länge von 38 Metern, einer Breite von 22 Metern und 1.500 Quadratmetern Nutzfläche. „Ein Sportverein vermittelt Werte wie Fairness“, so der Architekt. „Das wünsche ich auch für die Baustelle.“

Text: Sonja Bossert

TSV-Präsident Bergmann (Mitte), Bürgermeister Neumann (2.v.r.), TSV-Vizepräsident Beck (3.v.r.), Jan Philippiak (4.v.r.), Vorsitzender der Heinz-Ziehl-Stiftung, WLSB-Vertreter Lachwitzer (5.v.r.), und weitere Vertreter von TSV, Architekturbüro und Baufirmen beim Spatenstich. Foto: GSCHWÄTZ

Die Ruhe vor dem Sturm: Am Heinz-Ziehl-Sportpark soll ein modernes Sportvereinszentrum entstehen. Foto: GSCHWÄTZ

TSV-Präsident Erwin Bergmann erinnerte an die Baustein-Aktion des TSV. Foto: GSCHWÄTZ

Jan Philippiak wies auf die zwei Aufgaben eines Sportvereins hin: Bewegung und Begegnung. Foto: GSCHWÄTZ

WLSB-Vertreter Marcus Lachenwitzer hat das Projekt von Anfang an begleitet. Foto: GSCHWÄTZ

Architekt Thomas Auch wünscht sich Fairness auf der Baustelle. Foto: GSCHWÄTZ

 

 

 

 




Nationalität eines Tatverdächtigen veröffentlichen – ja oder nein?

In den frühen Morgenstunden vom Sonntag, den 06. September 2020, kam es in der Schwäbisch Haller Innenstadt laut einer Pressemitteilung zu einem Sexualdelikt an einer 21-jährigen Frau. Der versuchten Vergewaltigung entging sie nur mit viel Glück. Das Kriminalkomissariat Schwäbisch Hall konnte einen 20-jährigen Tatverdächtigen ermitteln und festnehmen. Der Mann wurde einem Haftrichter vorgeführt und schließlich in eine Justizvollzugsanstalt gebracht.

Haller Tagblatt veröffentlichte eine Meldung

Über das Geschehen veröffentlichte das Haller Tagblatt eine Meldung in der Printausgabe vom 10. September 2020, ohne anscheinend die Nationalität des mutmaßlichen Täters zu nennen. Daraufhin zeigten sich die beiden Sprecher des AfD-Kreisverbandes Hohenlohe-Schwäbisch Hall und Landtagsabgeordneten, Udo Stein und Anton Baron, bestürzt. In einer Pressemitteilung nannten sie es „eine Schande, dass solche Vorfälle inzwischen nicht nur in den großen Ballungszentren, sondern mittlerweile auch im beschaulichen Schwäbisch Hall angekommen sind“. Udo Stein bezeichnete „das Verschweigen der Nationalität des Täters durch das örtliche Haller Tagblatt in seiner Druckausgabe am 10.9.2020, während weite Teile der überregionalen Presse und der zu Grunde liegende Polizeibericht die Nationalität des Tatverdächtigen ausdrücklich benennen“, als nicht hinnehmbar. Schließlich hätte die „einzige örtliche Tageszeitung auch die Pflicht, die Bevölkerung umfassend über solche Vorfälle aufzuklären“.

Der Polizeibericht

Unter https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/110969/4701488  hatte das Polizeipräsidium Aalen am 09. September folgenden Bericht veröffentlicht:

„Schwäbisch Hall: Tatverdächtiger nach Sexualdelikt festgenommen

Gegen 2:45 Uhr am Sonntagmorgen war eine 21-jährige Frau gemeinsam mit Freundinnen in der Innenstadt von Schwäbisch Hall im Bereich Holzmarkt unterwegs. Als die junge Frau sich kurz von der Gruppe entfernte, um Zigaretten zu holen, wurde sie von einem ihr unbekannten Mann am Aufzug Gelbinger Gasse/Mohrenstraße angesprochen. Die junge Frau forderte den Unbekannten mehrfach erfolglos auf, sich zu entfernen. In der Folge kam es zu einem Gerangel, wobei der Mann die Frau trotz deren Gegenwehr zu Boden bringen konnte, wo er sie im Intimbereich berührte und versuchte, sie zu entkleiden. Die Frau gab schließlich vor, mit ihm mitgehen zu wollen, woraufhin sie zufällig in Richtung der Freundinnen der jungen Frau gingen. Beim Erkennen der Freundinnen rannte die Frau zu diesen und suchte Schutz in der Gruppe. Der Mann flüchtete daraufhin.

Die Frauen erstatteten beim Polizeirevier Schwäbisch Hall Anzeige. Dem Kriminalkommissariat Schwäbisch Hall, das in der Folge die Ermittlungen übernommen hatte, gelang es, einen Tatverdächtigen zu ermitteln, der am Dienstag auf Antrag der Staatsanwaltschaft Heilbronn einem Haftrichter vorgeführt wurde. Der beantragte Haftbefehl wurde erlassen und der tatverdächtige 20-jährige Somalier in eine Justizvollzugsanstalt eingeliefert.“

Aufruf an die GSCHWÄTZ-Leser

Auch wir von der GSCHWÄTZ-Redaktion haben uns nun Gedanken über das Geschehen gemacht und uns gefragt, wie wir das sehen: Sollte die Nationalität eines Tatverdächtigen veröffentlicht werden oder nicht, wenn sie denn bekannt ist? Die Meinungen gehen hier auseinander. Die einen möchten generell keine Nationalität nennen, egal um wen es sich handelt. Die anderen würden sie in jedem Fall veröffentlichen, also auch bei deutschen Straftätern. Einig sind wir uns bis jetzt lediglich darin, dass alle Fälle gleich behandelt werden sollen, also stets eine Nennung der Nationalität beziehungsweise niemals eine Nennung.

Wir wollen nun unsere Leser fragen und zur Diskussion anregen: Wie seht ihr das? Nennung der Nationalität auf jeden Fall oder niemals? Ist es für euch wichtig zu wissen, welche Nationalität ein Tatverdächtiger hat? Schickt uns eure Ansichten an info@gschwaetz.de.

Quelle: Pressemitteilung der AfD Hohenlohe-Schwäbisch Hall und Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Aalen
Text: Sonja Bossert



„Der TSV Ingelfingen fühlte sich wohl überfahren“

Auf dem Sportplatz in Niedernhall geht es an diesem Nachmittag lautstark zu. Zwei Jugendmannschaften spielen, Eltern und Trainer stehen am Spielfeldrand und feuern lautstark an. Es ist ein Freundschaftsspiel der F-Jugend der Kickers Mittleres Kochertal gegen die Mannschaft aus Öhringen. Drei der Jugendleiter der Kickers, Mike Smolny, Timo Winkler und Michael Link, sowie der sportliche Leiter Ralf Stehle beobachten das Geschehen.

Kinder lieben Fußball

Die meisten Kinder – vor allem Jungs – lieben Fußball. Für ein Spiel braucht es nicht viel: Schnell sind mit ein paar Jacken zwei „Tore“ aufgebaut und irgendwer hat immer einen Ball dabei. Große Worte sind nicht nötig und die einfachste Regel kennt eigentlich jeder: Das Runde muss in das Eckige. Die Jubelposen haben selbst die Allerkleinsten schnell drauf. Irgendwann entsteht dann bei vielen Kindern der Wunsch, im Verein aktiv Fußball zu spielen – und den großen Stars wie Messi oder Ronaldo nachzueifern.

Geteilte Jugendleitung

Um Kinder wieder zum Fußball zu bringen und gleichzeitig den sportlichen Leistungsgedanken zu fördern und zu fordern, haben sich im Sommer fünf Vereine unter dem Namen Kickers Mittleres Kochertal zusammengetan: TSV Niedernhall, TSV Weißbach, TG Forchtenberg und SG Sindringen/Ernsbach. Die Leitung teilen sich jeweils ein Vertreter der beteiligten Vereine. Neben Mike Smolny vom SG Sindringen/ Ernsbach, Timo Winkler vom TG Forchtenberg und Michael Link vom TSV Niedernhall ist das noch Andre Ostermaier vom TSV Weißbach. Sportlicher Leiter ist Ralf Stehle vom TSV Niedernhall. Alle haben selbst schon Fußball gespielt und Kinder in den Vereinen. Die Kosten teilen sich die Vereine: Die Kickers haben ein eigenes Budget, finanziert über die Heimatvereine. Jeder Verein zahlt gleich viel in die Kasse. „Die Kosten hatten wir auch vorher schon“, so Michael Link. „Die Vereine zahlen auch weiter, wenn mal kein Kind aus ihren Reihen dabei ist.“ Natürlich wolle man vor allem die guten Spieler halten. Und jedes Kind, das im Training ist, sollte dann auch bei den Spielen auflaufen, denn „es geht auch um die Entwicklung der Kinder“.  

„Wir wollen Kindern einen Platz abseits der Spielekonsole bieten.“

„Die Idee hatten wir schon seit zehn Jahren“, sagt Michael Link. „Die Kinder gehen gemeinsam zur Schule, also war es eigentlich eine logische Konsequenz.“ Es gibt ein gemeinsames Konzept und einen Leitfaden, der für alle bindend ist. Sichtbares Zeichen des Zusammenschlusses ist das gemeinsame Vereinswappen. Seine fünf Säulen stehen für die fünf beteiligten Vereine. „Mit der Vereinskleidung wollen wir allen gleichermaßen gerecht werden“, sagen die Jugendleiter. Außerdem: „Bei uns dürfen alle Kinder mittrainieren und sie sollen so lange wie möglich dabeibleiben“. Früher sei ein Verein groß gewesen, heutzutage aber gebe es unzählige weitere Möglichkeiten, sich zu entfalten. „Wir wollen Kindern einen Platz abseits der Spielekonsole bieten“, so die Männer. Sport solle für jeden zugänglich und finanzierbar sein, deshalb stehe ihre Türe auch jedem offen – auch Mädchen und Frauen. „Bei den C-Junioren spielt ein Mädchen und bei den Bambinis und der D-Jugend haben wir auch Frauen als Trainerinnen“, erzählen die Männer. „Das ist ein anderer Umgang, der bei den Kindern aber gut ankommt.“ Um die Gemeinschaft weiter zu fördern, gibt es außerdem Stadionbesuche, Kanufahrten oder Grillabende. Die Kinder sollen sich wohlfühlen. 

„Das lief alles ohne uns.“

Nicht mit im Boot bei den Kickers sind allerdings der TSV Ingelfingen und die Vereine aus Zweiflingen und Ohrnberg, die vorher Partner in Spielgemeinschaften waren. „Von dieser Seite gab es vor allem die Befürchtung, dass die Vereinsidentität verloren geht“, sagen die Jugendleiter. Ein Vertreter des TSV Ingelfingen, der nicht namentlich genannt werden möchte, bedauert die Trennung, „denn man sei ewig lange Partner gewesen.“ Auch wenn man nie so zusammengewachsen sei, was vorher definitiv gefehlt habe. Zu dem Konzept der Kickers meint er: „Wir haben relativ spät davon erfahren, das lief alles ohne uns.“ Man hätte von den Plänen gewusst, doch erst auf Anfrage sei man darüber informiert worden, wie weit das Konzept gediehen ist. „Es gab dann eine Einladung zu einem Gespräch, doch das fertige Konzept gab es nur aufs Handy“, blickt er zurück. „Wir haben nur zwei Wochen Bedenkzeit bekommen, außerdem haben ein paar der geplanten Dinge nicht zu unserem Verein gepasst.“ So hätten die Kickers nicht bedacht, dass „Ingelfingen eine Flächengemeinde ist, wir müssen teils jetzt schon weite Wege fahren“. Was dem Ingelfinger außerdem sauer aufstößt: Die Versuche von Seiten der Kickers, gute Spieler des TSV Ingelfingen abzuwerben – was er als weder fair noch offen empfunden hat. „Es gab einen Aderlass an Spielern“, berichtet er. Außerdem saß den ausscheidenden Vereinen die Meldefrist im Nacken, sie mussten schnellstmöglich neue Partner finden. „Die Kickers Mittleres Kochertal wollen den Fußball qualifizierter machen und alle Mannschaften in die Bezirksliga bringen“, sagt der Ingelfinger. Bereits vor zehn Jahren hätte es ein ähnliches Konzept gegeben – damals mit den Vereinen aus Ingelfingen, Weißbach und Niedernhall – das aber nicht umgesetzt wurde.

„Der TSV Ingelfingen fühlte sich wohl überfahren.“

„Das war ein Kommunikationsproblem auch von unserer Seite“, bedauern die Kickers-Jugendleiter. Man habe aber mit allen offen und ehrlich gesprochen. Allerdings habe es von Seiten der ehemaligen Partner kein Feedback gegeben. „Der TSV Ingelfingen fühlte sich wohl überfahren und streckte deshalb die Fühler nach Künzelsau aus“, sagt Michael Link. Es sei schwer, in Corona-Zeiten in Kontakt zu bleiben. Aber man habe jetzt keine Probleme mit den anderen Vereinen und komme nach wie vor gut mit einander aus. „Wir wünschen den ehemaligen Partnern das Beste“, sagen die Kickers-Leute versöhnlich. „Wir haben uns ja nicht im Schlechten getrennt und treffen uns auf dem Platz wieder.“ Man müsse andere Wege akzeptieren.

„Sportlich ist das ein Schritt nach vorne.“

Nun wollen die Vereine nach vorn blicken. Ab der Saison 2020/21 bilden die Ingelfinger Fußballer mit den Vereinen aus Gaisbach und Kuperzell eine Spielgemeinschaft ab der D-Jugend. „Sportlich ist das ein Schritt nach vorne“, so der Vereinsvertreter. Außerdem kennen sich die Jugendleiter bereits. Trainiert wird in Kuperzell und Gaisbach, in Ingelfingen eventuell ab nächstem Jahr. „Die Eltern der meisten Spieler haben positiv reagiert, manche sind aber auch nach Niedernhall gewechselt“, erzählt der Vereinsmann, der weiterhin hofft, dass manche zurück nach Ingelfingen kommen. Kupferzell und Gaisbach brächten laut dem Ingelfinger eine hohe fußballerische Qualität mit. „Jetzt geht es darum, wie wir das Ganze als Konzept ausarbeiten“, sagt er. Ein weiterer Pluspunkt: In Gaisbach gibt es auf dem Sportplatz Kunstrasen, sodass auch im Winter trainiert werden kann. Außerdem stünden auch Hallen zur Verfügung, die von D- und C-Jugend für ihre Hallenrunden genutzt werden könnten. „Nach dem ersten Training waren die Kinder hell begeistert“, so der Ingelfinger, der froh darüber ist. „Die Trennung von unserem langjährigen Partner war auch für die Kinder ein Riesen-Einschnitt und in vielen Familien ein großes Thema.“

„Als Papa rutscht man da so rein.“

Auch bei den Kickers geht der Blick nach vorne. „Die Kinder freuen sich riesig, dass sie nun endlich gemeinsam mit ihren Freunden aus der Schule spielen können“, so Michael Link. „Die würden am liebsten jeden Tag gehen.“ Trainiert werde jetzt zweimal die Woche. Rund 20 Kinder spielen pro Jugend mit, in der D-Jugend fast 30. Durch die Kooperation seien Synergien entstanden. So hätten sie nun pro Mannschaft bis zu vier Trainer – alles Väter und ehrenamtlich, wie die Jugendleiter und Ralf Stehle übrigens auch – „als Papa rutscht man da so mit rein“. Einziger Wermutstropfen: Wegen Corona findet keine Runde statt, lediglich Freundschaftsspiele sind erlaubt – „eine entbehrungsreiche Zeit“. Trainiert werden darf unter Beachtung der entsprechenden Abstands- und Hygieneregeln.

„Der Start war schon mal gut.“

„Die Eltern und Kinder haben durchweg positiv auf die Gründung der Kickers Mittleres Kochertal reagiert“, sind sich die Jugendleiter einig. „Es gab keinerlei Gegenwind.“ Für die Jugendleiter ist der eingeschlagene Weg der richtige. „Die Fahrwege sind nicht länger geworden“, sagt Michael Link. Bis zur E-Jugend gebe es feste Standorte, ab der D-Jugend muss jeder Jahrgang in jede Ortschaft fahren. Gerne hätten sie auch auf ihren jeweiligen Vereinsnamen verzichtet. Denn eine weitere Zielsetzung sei es gewesen, einen Bezug zur Region zu schaffen und alte Hierarchien einzureißen. „Die Kickers sind zwar noch sehr jung, aber der Start war schon mal gut“, so die Jugendleiter. „Die gemeinsamen Trainings verlaufen gut und von Anfang an ist eine Gemeinschaft da gewesen.“ Das sei auch bei den Trainern so. „Es gab sofort das Gefühl, das könnte toll werden“, ist Timo Winkler überzeugt. „Alte Befindlichkeiten wollten wir nicht mit reinnehmen.“ Jeder solle sich gleich behandelt fühlen in Rechten und Pflichten.

Text: Sonja Bossert

Michael Link, Mike Smolny und Timo Winkler (v.l.n.r.) sind Jugendleiter und Trainer bei den Kickers Mittleres Kochertal. Foto: GSCHWÄTZ

 

Freundschaftspiel der F-Jugend der Kickers Mittleres Kochertal gegen Öhringen. Foto: GSCHWÄTZ

Der sportliche Leiter der Kickers Mittleres Kochertal, Ralf Stehle. Foto: GSCHWÄTZ