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„Definitiv psychische und physische Schäden für die Kinder“

„Wir streiken!“, steht auf einem Plakat. Auf anderen: „Mit Maske kann ich mich nicht konzentrieren“ oder „Mit Kopfweh kann ich nicht lernen, ich komme nicht mehr in die Schule“. Diese und viele weitere Plakate haben vor kurzem einige Eltern, eine Oma und mehrere Kinder in einer spontanen Aktion im Eingangsbereich der Zweiflinger Grundschule aufgehängt. Sie wollten damit gegen die Maskenpflicht im Unterricht protestieren, die seit Montag, den 22. März 2021, auch für die Schüler an Baden-Württembergs Grundschulen gilt, und darauf aufmerksam machen, was sie überhaupt für die Kinder bedeutet. Sie wollten „die anderen Mütter aufwecken und ermutigen“. Zuvor mussten Grundschüler die Masken in der Schule lediglich dann tragen, wenn sie von ihrem Platz aufstehen wollten. Die Plakate wurden jedoch kurz danach vonseiten der Schule und der Gemeindeverwaltung, nachdem die Eltern die Schule verlassen hatten, wieder abgehängt.

„Es ist doch normal, dass sich Eltern einsetzen, wenn es um ihr Kind geht“

„Die Aktion war impulsiv“, erklären die drei Mütter Helena Köhler, Tamara Wieland und Melanie Bräuninger. „Aber es ist doch normal, dass sich Eltern einsetzen, wenn es um ihr Kind geht.“ Jede Mama tue doch nur ihr Bestes fürs Kind. „Wir hätten das genehmigen lassen sollen“, merken sie selbstkritisch an. Wie sie erfahren haben, hat Bürgermeister Klaus Gross die Schilder wieder abgehängt, damit die Grundschüler am nächsten Schultag nicht damit konfrontiert werden. „Er hätte auch früher kommen und mit uns reden können“, meinen sie. Man hätte das Ganze als Diskussionsgrundlage aufgreifen können.

„Vertrauen in die Politik ist längst verloren“

Wichtig ist den drei Frauen zu betonen, dass ihr Protest weder gegen die Lehrer ihrer Kinder, noch die Schule oder die Gemeindeverwaltung gedacht ist. „Die Lehrer und die Rektorin hier in Zweiflingen haben Verständnis für die Sorgen der Kinder und unterstützen die Eltern, wo sie können“, sagen sie. Dagegen hätten sie das Vertrauen in die Politik längst verloren und befürchten, dass „die Kinder untergehen“. Die Eltern fragen sich auch, wieso die Masken bei negativen Corona-Tests nicht abgenommen werden könnten.

„Maskenpflicht an Schulen ist durch das Kultusministerium vorgegeben“

Auf GSCHWÄTZ-Nachfrage verweist Gudrun Schreiber, Rektorin der Zweiflinger Grundschule, darauf, „dass die Maskenpflicht an Schulen durch das Kultusministerium im Rahmen einer Verordnung vorgegeben ist“. Dazu würden die Meinungen der Eltern weit auseinandergehen. „Die Meinungsfreiheit ermöglicht uns verschiedene Meinungen zu haben und diese auch zu äußern“, signalisiert sie dafür Verständnis. Sie sagt aber auch: „Die Aktion war eine unerlaubte Plakatierung an der Schule. Dies wurde von uns behoben.“ Mit einer der betroffenen Mütter hätte sie anschließend noch ein Telefongespräch gehabt. Dabei „fand ein offener sachbezogener Austausch statt“.

„Angst, dass die Lehrerin sie nicht versteht“

„Meine Tochter hatte Tränen in den Augen“, sagt Helena Köhler aus Zweiflingen, deren Kind in die zweite Klasse geht, aber weiterhin von zu Hause aus lernt. „Sie hat Angst, dass ihre Lehrerin sie mit Maske nicht verstehen kann und traut sich auch gar nicht, damit zu reden.“ Das Mädchen würde es noch mitmachen, wenn sie die Maske nur beim Verlassen des Platzes aufsetzen müsste. Über den ganzen Unterricht hinweg aber nicht. Ihre Mutter denkt, dass dieMaskenpflicht „definitiv psychische und physische Schäden für die Kinder“  nach sich zieht.

Mimik kann wegen der Maske nicht erkannt werden

Melanie Bräuninger vom Schießhof gibt zu bedenken, „dass die Kinder mit Mimik am meisten lernen“. Das sei allerdings wegen der Maske nicht möglich. Ihr Sohn besucht ebenfalls die Grundschule in Zweiflingen, ihre Tochter die Realschule in Öhringen. Beide Kinder sind zurzeit im Homeschooling. „Die Kinder wünschen sich, dass sie ihre Lehrer und Mitschüler wieder lachen sehen“, sagt sie. Ihre Tochter habe Angst, dass sie zu viel verpasst und würde gerne wieder zur Schule gehen. „Sie würde sich testen lassen und auch die Maske in Kauf nehmen, wenn sie wieder gehen könnte“, erklärt die Mutter. Sie würde ihr das erlauben, denn „das ist ihre Entscheidung.“ Zu Hause würde die 14-Jährige leiden, der direkte Kontakt zu den Lehrern und den Mitschülern fehle.

„Das Kind braucht ein Lächeln“

Tamara Wieland sieht die Maskenpflicht ebenso kritisch: „Das Kind kann die Mimik unter der Maske nicht erkennen. Aber es braucht doch ein Lächeln.“ Die junge Mutter, die schwanger ist und deshalb selbst Angst vor einer Ansteckung hat, hat sich viel mit dem Thema beschäftigt. Sie hat sogar eine Maske verbrannt, um zu sehen, was dabei passiert. „Die ist nicht verbrannt, sondern geschmolzen, weil das nur Plastik pur ist“, gibt sie zu bedenken. Das sei nichts für die Umwelt und genauso wenig für die Lungen eines Kindes. Außerdem: „Viele Kinderärzte machen darauf aufmerksam, dass ein kleines Kind öfter einatmet als ein Erwachsener und deshalb unter der Maske viel mehr verbrauchte Luft einatmet.“ Die Folge seien Schwindel und Kopfschmerz.

„Das Lungenvolumen nimmt ab wegen der Maske“

Sie verweist noch mit einem anderen Aspekt auf die negativen Auswirkungen der Masken hin: „Der Lungenarzt meiner Mutter hat bei ihr festgestellt, dass ihr Lungenvolumen von 74 auf 52 Prozent abgenommen hat, seit sie ständig eine Maske tragen muss“. Die Frau arbeitet in einem Casino, muss wegen des Kundenverkehrs bei der Arbeit eine Maske tragen. „Der Arzt sagte, dass das von der Maske kommt.“ Und sie verweist auf die Erfahrung, die ihr Mann gemacht hat: „Der musste einen Tag lang Prüfungen mit Maske schreiben. Es gab immer nur kurze Pausen“, erzählt sie. „Der war abends fix und fertig und hatte Kopfschmerzen.“

„Auch die Lehrer finden die Masken furchtbar“

Die Tochter von Tamara Wieland besucht die Grundschule in Forchtenberg, bleibt aber momentan ebenfalls zu Hause. Sie hätte sich an der Schule auch so eine Aktion wie in Zweiflingen gewünscht. „Aber die Mütter dort trauen sich nicht“, bedauert sie. Sie habe aber auch festgestellt, dass „auch die Lehrer die Masken furchtbar finden“. An der Grundschule ihrer Tochter werde immerhin für Maskenpausen gesorgt. In Zweiflingen dagegen hätte die Rektorin schon vorher darum gebeten, dass die Kinder Masken tragen.

„Die Lehrer machen das toll“

Melanie Bräuninger bedauert die fehlenden sozialen Kontakte ihrer Kinder. „Wir wohnen eher abgeschieden und deshalb haben unsere Kinder nur sich“, sagt sie. „Man traut sich ja nicht zu fragen, ob andere Kinder kommen können.“ Ihr Sohn findet es zwar doof, dass er nicht in die Schule darf, er lerne aber trotzdem gut. Für die Tochter von Tamara Wieland sei das kein Problem: „In Forchtenberg hat sie Kontakt zu anderen Kindern.“ Es sei eher die Sorge um die Mitschüler, die jetzt in die Schule gehen dürfen, die das Kind beschäftige. Für den Unterricht bekomme sie Erklärvideos. „Die Lehrer tun alles für die Kinder. Die machen das toll“, ist sie überzeugt. Schließlich müssten die Lehrkräfte den jeweiligen Stoff durchbekommen. Das bereite ihr keine Sorgen, denn ihre Tochter komme trotz allem gut voran.

Zwischen Arbeit, Familie und Homeschooling

Melanie Bräuninger weist noch auf etwas anderes hin: „Die weiterführende Schule wird vergessen.“ Die Digitalisierung sei ein Witz, der Schießhof ist nicht an das schnelle Internet angeschlossen. Hinzu kommt: Alle drei Frauen sind berufstätig, müssen Beruf, Familie und Homeschooling unter einen Hut bringen. Helena Köhler kann als leitende Mitarbeiterin einer Reinigungsfirma nicht ins Homeoffice wechseln. „Es geht irgendwie“, sagt sie. „Ich schaue halt, dass ich alles unter einen Hut kriege.“ Außerdem sei ihr Chef tolerant. Melanie Bräuninger betreibt mit ihrem Mann einen Landwirtschaftsbetrieb mit Milchvieh- und Pferdehaltung. Sie steht täglich um fünf Uhr auf, um Vorarbeiten zu leisten. Um acht Uhr beginne sie, mit dem Sohn zu lernen. „Er soll die gleichen Strukturen haben wie in der Schule auch“, betont sie.

„Wir müssen lernen damit zu leben“

„Das Virus ist da und wir müssen lernen, damit zu leben“, sind die Frauen überzeugt. Aber die Maske dürfe nicht zur Gewohnheit werden. „Wenn es extreme Veränderungen dadurch geben würde, wäre es ja okay“, sagt Melanie Bräuninger. „Und auch bei Massenveranstaltungen.“ Sie hat sich ebenfalls viel mit der Thematik beschäftigt und berichtet von einem Kinderarzt, der „im Radio dafür plädierte, alle Schulen zu öffnen“. Denn, so der Mediziner, die Kinder müssten ihr eigenes Immunsystem aufbauen. „Irgendwann müssen wir doch zur Normalität zurück“, mahnt Tamara Wieland an. „Oder soll das immer so weitergehen?“ Aber wie könne das funktionieren?

Text: Sonja Bossert

Mit Plakaten protestieren Eltern an der Grundschule in Zweiflingen gegen die Maskenpflicht für Grundschüler. Foto: privat

Manche Kinder wollen wegen der Masken nicht in die Schule. Foto: privat

Mit der Aktion sollten auch andere Eltern aufgeweckt werden. Foto: privat

Die Eltern befürchten physische und psychische Schäden bei ihren Kindern. Foto: privat




Nix zum Schmusen

Sobald man den hellen Stall betritt, gehen die Köpfe hoch. Neugierig schauen 20 große, dunkle Augen aus schwarzen, hell- und dunkelbraunen, wolligen Gesichtern auf den Besuch: Zehn Alpakas stehen und liegen in den großen Boxen. Sie strahlen Ruhe aus, durch ihr wolliges Fell sogar eine gewisse Gemütlichkeit, und kauen genüsslich ihr Futter wieder. Mit den hochgezogenen Mundwinkeln scheinen sie zu lächeln. Die Vorderzähne stehen leicht hervor, was ihnen zusätzlich etwas Drolliges verleiht. Gleichzeitig ist etwas zu hören, was am ehesten einem leisen Summen oder Brummen ähnelt – quasi die Alpaka-Sprache. Jedes der Tiere hat seinen eigenen Ton. Damit unterhalten sie sich oder betteln um Futter.

„Als Rasenmäher sind die Alpakas eher nicht geeignet“

Die fünf Hengste und fünf Stuten sind im Besitz von Carolin und Matthias Wied auf dem Bobachshof oberhalb von Criesbach. „Vor fünf Jahren haben wir die ersten drei Hengste gekauft“, blickt der 41-Jährige zurück, der aus dem Weiler stammt. „Das hat sich dann so peu à peu entwickelt“, ergänzt seine Frau lachend. Ein Jahr später kam das erste Fohlen zur Welt, dieses Jahr werden im Juni zwei erwartet. Der Nebenerwerbslandwirt wollte, dass die Wiesen um den Hof der Familie herum abgefressen werden. Außerdem sei ein Alpaka doch wirklich mal etwas anderes. Allerdings: „Als Rasenmäher sind die Alpakas eher nicht geeignet.“ Die Tiere seien sehr wählerisch und fressen nicht alles. Gourmets also.

„Monte ist der Chef“

Alpakas sind Kleinkamele und kommen ursprünglich aus den Anden in Südamerika. Sie sind nicht mit Lamas verwandt, sondern stammen vom Vikunja ab. Neben den unterschiedlichen Farbtönen der Felle fällt auf: Die Tiere im Stall der Familie Wied sind nicht alle gleich groß. Sieben bis acht Jahre alt ist das älteste Alpaka auf dem Bobachshof – der Hengst Monte. Er ist zwar der Chef der Herde, aber bei weitem nicht der Größte. Teilweise sind jüngere Tiere größer als die älteren. Doch die Rangordnung ist geregelt – „die Pubertiere streiten eher aus Langeweile“.

Beste Futterverwerter

„Alpakas sind robust in der Pflege“, sagen die Besitzer. „Sie fressen Heu und draußen auf der Weide Gras.“ Im Stall hängen auch noch Lecksteine für den Mineralienhaushalt. Nur die tragenden Stuten bekommen zusätzlich etwas Kraftfutter. „Die Hengste bekommen das nur ab und zu, denen haut’s sonst den Draht raus“, merkt Carolin Wied lachend an. Sie sind beste Futterverwerter, die alles verdauen und selbst auf dem Weg zur Weide noch das kleinste Grashalm abzupfen. Rund eine halbe Stunde Zeit müssen die Besitzer täglich für die Tiere aufwenden zum Ausmisten und Füttern: „Ihnen ist es egal, ob wir da sind oder nicht.“ Hauptsache die Stalltür ist offen, durch die sie direkt auf die Weide können. Hinter dem Stall erstreckt sich ein großes Wiesengelände, das durch Zäune unterteilt ist. Hier verbringen die Alpakas am liebsten ihre Zeit – natürlich streng getrennt nach Geschlechtern. Nur wenn es regnet, dürfen sie nicht raus. „Das macht ihnen zwar nicht wirklich was aus, aber es dauert vier bis fünf Tage, bis das Fell wieder trocken ist.“

Optimal auf Kälte eingestellt

Als echte Hochgebirgler sind Alpakas optimal auf Kälte eingestellt. „Die genießen sie regelrecht und legen sich mit dem Bauch direkt in den Schnee, wenn es mal schneit“, erklärt die 34-Jährige. Das Vlies ist sieben bis acht Zentimeter lang und so dicht, dass sogar Schnee darauf liegen bleibt. Die einzelnen Haare sind sehr dünn und innen hohl – „eine der wertvollsten Fasern der Welt.“ Im Mai, wenn die Tage wärmer werden, werden die Alpakas geschoren. Das macht Matthias Wied selbst, manchmal unterstützt von einem Scherer. Das Wollvlies wird anschließend von Hand vorsortiert. Daraus lassen sie Decken, Kissen und sogar Seife machen, die sie unter dem Label „Die Alpaka-Hirtin“ in ihrem Hofladen verkaufen. Weitere Produkte in ihrem Sortiment: Strickgarn, Socken, Einlegesohlen, Mützen und Schals, Kleidung und Plüschtiere.

Spaziergänge mit Alpakas

Zusätzlich bietet das Paar Spaziergänge mit den Alpakas an – beliebt für Kindergeburtstage aber auch bei Firmen oder privaten Gruppen. Dann geht’s für rund eine Stunde in die nähere Umgebung – der idyllisch gelegene Weiler bietet dafür die optimalen Gegebenheiten. Die Kunden dürfen die Tiere führen, die allerdings bestimmen das Tempo. Nur am Strick ziehen gehe nicht – dann könne es schon mal passieren, dass sich das Alpaka einfach hinlegt. „Wir nehmen immer mindestens zwei der Hengste mit“, sagt Matthias Wied. „Alpakas sind Herdentiere, ein einzelnes allein würde nicht mitgehen.“ Tragende oder säugende Stuten könne man nicht nehmen und gemischte Alpaka-Gruppen würden auch nicht funktionieren. „Da haben die Hengste dann ganz andere Interessen.“ Reiten könne man Alpakas ebenfalls nicht – der Rücken der Tiere ist dafür nicht ausgelegt. Trotzdem sind sie sehr kräftig und können aus dem Stand heraus einen Meter hochspringen.

„Alpakas spiegeln den Menschen“

Alpakas gelten als friedliche und sensible Tiere, sozial und anhänglich und werden gern für Therapiezwecke eingesetzt. „Sie spiegeln den Menschen“, erklären die Besitzer. „Wenn wir Stress haben, sind sie auch unruhig.“ Und sie sind sehr neugierig: „Wenn man im Stall was macht, kommen sie und schauen zu.“ Trotzdem sind Alpakas keine Haus- oder Schmusetiere: „Es sind Wildtiere mit ganz speziellen Eigenschaften, die sich auch anders als Haustiere verhalten.“ Bevor sie sich die ersten Exemplare angeschafft haben, besuchten die Besitzer Kurse, denn die Tiere brauchen gewisse Bedingungen, um optimal versorgt zu sein. „Ein Schaf oder eine Ziege ist einfacher zu halten“, ist Matthias Wied überzeugt.

Kein Spucken

Und nein: Entgegen der landläufigen Meinung spucken Alpakas im Normalfall nicht auf Menschen. „Das machen sie bei Futterneid oder Rangkämpfen unter einander“, erklärt ihr Besitzer. „Bei Menschen machen sie das nur, wenn sie Angst haben oder man sie ärgert.“

Hofladen

Coronabedingt finden zurzeit keine Spaziergänge mit den Alpakas statt. Alle Produkte aus dem Hofladen von Familie Wied können unter Telefon 0152/0994 0066 oder per E-Mail an info@alpaka-hirtin.de bestellt und nach Terminvereinbarung kontaktlos abgeholt oder per Post verschickt werden. Weitere Informationen auf der Internetseite: https://alpaka-hirtin.jimdo.com/

Text: Sonja Bossert

 

Alpakas gelten als friedliche und sehr sensible Tiere. Foto: GSCHWÄTZ




„Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme“

Nach Dänemark, Norwegen, Island und Bulgarien, Irland und die Niederlande zog Deutschland am Dienstag, den 15. März 2021, nach und setzte ebenfalls die Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff aus – „eine reine Vorsichtsmaßnahme“, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in einer Pressekonferenz in Berlin sagte (unter anderem auf ntv zu sehen https://www.n-tv.de/politik/Deutschland-setzt-Impfungen-mit-Astrazeneca-aus-article22426727.html). Dies erfolge auf eine Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts hin und betreffe sowohl Erst- als auch Folgeimpfungen (https://www.pei.de/DE/newsroom/hp-meldungen/2021/210315-voruebergehende-aussetzung-impfung-covid-19-impfstoff-astra-zeneca.html).

Starke Impfreaktionen

„Hintergrund sind neu gemeldete Fälle von Thrombosen der Hirnvenen, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer AstraZeneca-Impfung stehen“, so Spahn. Über starke Impfreaktionen nach einer Impfung gegen das Coronavirus hatte GSCHWÄTZ bereits zuvor berichtet (https://www.gschwaetz.de/2021/01/26/das-fing-mit-knubbel-am-hals-an/ und https://www.gschwaetz.de/2021/01/28/atemprobleme-nach-impfung/). Allerdings hatte die Frau in unserem Bericht zwei unterschiedliche Chargen des Biontech/Pfizer-Präparats bekommen.

Die EMA entscheidet

Insgesamt sieben Fälle von Hirnvenenthrombosen bei 1,6 Millionen Impfungen seien registriert worden – das sei so beträchtlich, dass „eine Aussetzung gerechtfertigt sei“, heißt es in dem Spahn-Video weiter. Und: „Menschen, die bereits eine Gabe des Vakzins erhalten hätten und die bis zu vier Tage nach der Impfung zunehmend unter Kopfschmerzen litten oder punktförmige Hautblutungen bei sich entdeckten, sollten sich umgehend an einen Arzt wenden.“ Nun werde die Europäische Arzneimittelbehörde EMA darüber entscheiden, „ob und wie sich die neuen Erkenntnisse auf die Zulassung des Impfstoffes auswirken“. Sollte die EMA positiv für AsraZeneca entscheiden, könnten „Folgeimpfungen gegebenenfalls nachgeholt“ und dann auch insgesamt „über den Fortgang der Impfungen entschieden werden“.

Ein schwerer Stand von Anfang an

Der Impfstoff von AstraZeneca wurde in Zusammenarbeit mit der Universität Oxford entwickelt und wird in Großbritannien und anderen Ländern großflächig eingesetzt. Er gilt als besonders preiswert und gut zu handhaben, weil er nicht so stark gekühlt werden muss wie die anderen Vakzine, aber auch als weniger wirksam als andere Vakzine wie beispielsweise die von Biontech/Pfitzer oder Moderna. Von Anfang an hatte der Impfstoff einen schweren Stand. Von Impfstoff „zweiter Klasse“ war die Rede und dass er nur begrenzt gegen die Südafrika-Mutante des Corona-Virus wirke (auch GSCHWÄTZ berichtete darüber https://www.gschwaetz.de/2021/02/26/lehrer-bekommen-keinen-impfstoff-zweiter-klasse-betont-das-regierungspraesidium-baden-wuerttemberg/).

Debatte über Sicherheit des Impfstoffs

Zudem war das Vakzin in Deutschland anfänglich lediglich für 18- bis 64-Jährige zugelassen, denn für ältere Menschen habe es keine ausreichenden Studien gegeben. Die Ständige Impfkommission (Stiko) war hier nicht der EMA gefolgt, die AstraZeneca auch für ältere Menschen empfohlen hatte (https://www.ema.europa.eu/en/news/ema-recommends-covid-19-vaccine-astrazeneca-authorisation-eu). Das warf natürlich Fragen auf, weil zur Risikogruppe vor allem über 80-Jährige gehören, die eigentlich zuerst geimpft werden sollen. Eine Debatte über die Sicherheit des Impfstoffs begann. Pflegekräfte, die bevorzugt mit dem Impfstoff versorgt werden sollten, sollen das Angebot reihenweise abgelehnt haben.

Neue Studiendaten

Erst Anfang März revidierte die Stiko ihre Einschätzung und gab den Impfstoff auch für über 65-Jährige frei. Auf der Homepage des Robert Koch-Insituts heißt es, dass diese Entscheidung „auf einer intensiven Analyse und Bewertung von neuen Studiendaten, die erst innerhalb der vergangenen Tage als Vorab-Publikationen verfügbar wurden“, beruhe (https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/AstraZeneca-Impfstoff.html). Daten aus England und Schottland würden die Wirksamkeit „eindrücklich belegen“. Die Stiko empfiehlt zwei Impfungen mit dem AstraZeneca-Vakzin, wobei der Abstand zwischen beiden Gaben „möglichst zwölf Wochen“ betragen solle.

„Diese Entscheidung ist eine fachliche und keine politische“

„AstraZeneca wird in vielen Ländern der Welt millionenfach verimpft“, sagte Minister Spahn in seinem Statement vor der Presse. Doch da für ihn immer klar gewesen sei, „dass diese Entscheidung eine fachliche und keine politische“ sei, folge er der Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts. Nun müsse auch die Frage geklärt werden, „ob der Nutzen der Impfung größer ist als mögliche Risiken“. „Diesen Prozess der Prüfung warten wir jetzt ab“.




Wenn Hohenlohes Hänge nach Knoblauch duften

Nun geht sie wieder los, die Zeit, auf die so manche Feinschmecker und Hobbyköche jeden Winter sehnsüchtig warten: Der Bärlauch hat begonnen, seine nach Knoblauch duftenden, sattgrünen Blätter der Sonne entgegenzuschieben.

Vielfältig einsetzbar

Auch unsere Leserin Sylvia Bendel weiß dieses Lieblingskraut besonders zu schätzen: „Jedes Jahr fange ich am 26. Februar an Bärlauch zu sammeln“, schreibt sie in einer E-Mail an die Redaktion GSCHWÄTZ. Dieses Jahr hat sie bereits zwei Tage eher damit angefangen. „Die Wochen, in denen es Bärlauch gibt, muss man viel holen, dann kann man das ganze Jahr davon haben.“ Erst vor drei Wochen hat sie aus den letzten Bärlauchspätzle Käsespätzle gemacht. Der Verwandte von Zwiebel und Knoblauch ist in der Küche vielfältig einsetzbar: Man kann daraus Pesto, Butter, Dipps oder Suppe zaubern. Man kann ihn trocknen oder einfrieren, um ihn für Salat und Soßen zu verwenden – wie andere Kräuter auch.

Bärlauch-Fülle in Hohenlohe

Sylvia Bendel wohnt direkt an der Ingelfinger Klinge. Hier wächst Bärlauch in Hülle und Fülle. Rund um St. Wendel am Stein bedeckt er den ganzen Waldhang. Sie hat ihn aber auch schon im Kupfertal und im Ohrnbachtal entdeckt. „Vor dem Kochen kann ich schnell in die Klinge gehen und mir Blätter oder später Knospen und Blüten holen – einfach genial“, findet sie. Sie hat auch keine Angst davor, den Bärlauch mit wilden Tulpen oder den giftigen Maiglöckchen zu verwechseln – weil er so intensiv nach Knoblauch riecht.

Sylvia Bendel verarbeitet das Allium-Gewächs zu Spätzle und Bärlauch-Butter. In der nun frisch begonnenen Saison hat sie bereits Pesto und einen Dipp, zu dem sie Kartoffeln reicht, hergestellt. Lecker ist Bärlauch auch als Pesto zu Spaghetti oder anderen Nudeln.

Rezepte

Rezepte von Sylvia Bendel:

Für Bärlauch-Dipp je einen Becher Quark und einen Becher Schmand mit püriertem Bärlauch – Menge nach Geschmack – verrühren. Mit etwas Salz abschmecken.

Für das Pesto den pürierten Bärlauch mit Öl und Pinienkernen vermischen. Zum Schluss noch salzen. Beim Öl kann man Oliven- oder auch Sonnenblumenöl nehmen. Wenn man den Bärlauch püriert, sollte man immer schon ein bisschen Salz und Öl dazugeben, dann geht es besser. Am besten dann auch gleich die Pinienkerne dazugeben, dann sind diese ebenfalls schon zerkleinert. Das Pesto in Gläser füllen und kühl stellen. Hält sich etwa ein Jahr. Man kann dann auch schon den Parmesan dazugeben, dann ist die Haltbarkeit aber wesentlich kürzer.

Für Bärlauch-Butter 250 Gramm Butter ein bisschen weich werden lassen. Dann den pürierten Bärlauch untermischen, salzen und portionsweise einfrieren wie Kräuterbutter.

Für Bärlauch-Spätzle einen normalen Spätzleteig herstellen. Je nach Geschmack pürierten Bärlauch unterrühren und ins kochende Salzwasser schaben oder drücken.

Wenn etwas später im Frühling beim Bärlauch die ersten Knospen schießen, kann man diese auch ein bisschen salzen und in Öl einlegen. Eignet sich gut als Beilage für Salat. Man kann sie auch in der Pfanne rösten und warm oder kalt essen. Die Bärlauch-Knospen schmecken nussig. Allerdings Vorsicht: Die Blütenknospen nur verwenden, wenn noch ganz junge Triebe vorhanden sind. Wenn der Bärlauch schon blüht, sollte man die Blätter nicht mehr verwenden. Dann könnten sie giftig werden.

Der Bärlauch bedeckt ganze Hänge. Foto: Sylvia Bendel

Frisch gepflückte Bärlauchblätter. Foto: Sylvia Bendel

 

Bärlauch eignet sich für Spätzle…

… er ist geeignet für Kräuterbutter und …

… ergibt intensiv nach Knoblauch duftendes, sattgrünes Pesto. Foto: Sylvia Bendel




„Wir sind das Ende der Nahrungskette“

Wer von Künzelsau nach Langenburg fährt, sieht sie schon von weitem: bunte Zelte, Wohnwagenanhänger, Gehege mit Trampeltieren und Dromedaren, Ponys, einem großen Pferd und Lamas. Hinter einer Hofstelle im kleinen Örtchen Laßbach hat der Zirkus Quaiser sein Lager aufgeschlagen. An diesem sonnigen Nachmittag dösen Löwenmännchen Marcej und seine Gefährtin Manuschka tiefenentspannt in ihrem Gehege in der Sonne. Ab und an verschafft sich der Zirkusesel mit lautem Iah Gehör, die kleine Ponyherde galoppiert über die Koppel und mittendrin kräht die einjährige Scarlett fröhlich aus ihrem Buggy.

„Die Löwen haben hier die allerbeste Haltung, die wir ihnen bieten können“

Als Manolito Quaiser ins Löwengehege geht, kommt Leben in die Raubtiere. Brummend gehen ihm die beiden entgegen, reiben sich an ihm wie zu groß geratene Hauskatzen und lassen sich kraulen. „Löwen muss man lesen können, sie zeigen schon Tage vorher, wenn sie ein Problem haben“, erklärt Manolitos Frau Nikita. „Hier haben sie die allerbeste Haltung, die wir ihnen bieten können.“ Um die Löwen halten zu dürfen, hat der Juniorchef eine einjährige Ausbildung mit Schulungen in Sachkunde, Praktika im Tierpark und anschließender Prüfung durchlaufen müssen. Auch ein polizeiliches Führungszeugnis musste er vorlegen. „Es wurde geprüft, ob dieser Mensch physisch und psychisch in der Lage ist, mit diesen Tieren umzugehen“, sagt Nikita Quaiser. „Es ist ein mächtiger Werdegang, bis man das hat“, ergänzt er. Aber er sei schließlich damit aufgewachsen. Fremden würde er einen Besuch im Löwengehege nicht empfehlen, auch wenn die Tiere noch so friedlich wirken. „Das wäre eine haarige Sache“, erklärt der 28-Jährige. Um die Löwen zu trainieren, sei „sehr, sehr viel Zeit und Futter nötig“. Jedes Tier habe seine Talente, auf die er bei der Dressur eingeht und daraus ergeben sich dann die jeweiligen Tricks: „Die Löwin ist so begabt, die muss man fördern. Aber der Löwe ist faul, mit dem mache ich eher Schmusetricks“. Täglich trainiert er mit den Löwen mindestens eine Stunde lang. Dafür gibt es eigens ein Trainingsrund, ansonsten verdösen die etwa 17 und 15 Monate alten Tiere 23 Stunden am Tag. „Die sind jetzt in einem lernwichtigen Alter, sind neugierig und wollen lernen“, so der Besitzer.

Stillstand seit Frühjahr 2020

Eigentlich war der Aufenthalt der Zirkusleute hier oben nur als Winterquartier gedacht. Die 13-köpfige Zirkusfamilie, die schon das vierte Mal auf dem Hof ist, wollte noch einen Weihnachtszirkus zeigen und im Frühjahr 2020 wieder auf Tournee gehen – durch Süddeutschland, den Schwarzwald und an der Schweizer Grenze entlang. Doch Corona machte alle Pläne zunichte. Seit Oktober 2019 nun hängen die Menschen und ihre Tiere hier fest und ein Ende ist nicht in Sicht. „Wir hatten ein teures Hygienekonzept erstellt und die entsprechende Ausrüstung eingekauft“, blickt Nikita Quaiser zurück, die selbst Luft-Akrobatik und eine Taubennummer zeigt. „Und obwohl das streng kontrolliert wird, konnten wir auch im vergangenen Sommer nicht auftreten.“ Nur für karge zwei Wochen hätten sie ihre Künste zeigen dürfen. Aber in der kurzen Zeit hätte sich das nicht wirklich gelohnt. Weil sie die ganze Zeit auf einen richtigen Re-Start hofften, hatten sie ihre Fahrzeuge, Lkw und Zugmaschinen nicht abgemeldet. „Wir wollten keine Zeit vergeuden mit Neuanmeldungen unserer Fahrzeuge, sondern gleich durchstarten, sobald es erlaubt ist.“ Im Moment leben Menschen und Tiere von Hartz 4. „Das reicht nicht zum Leben und nicht zum Sterben“, zieht Manolito Quaiser ein bitteres Fazit.

Sparen bei den Tieren kommt nicht infrage

Die beiden Löwen fressen jeweils 15 bis 20 Kilogramm Fleisch – täglich. Ein ausgewachsenes Löwenmännchen bringt es auf satte 300 Kilogramm Gewicht. Macaj wiegt momentan geschätzte 120 Kilogramm. Drei Rundballen Heu, Zuckerrübenschnitzel, Bruchmais und Quetschhafer bekommen die anderen Tiere jeden Tag. Hinzu kommen Lecksteine, die nach zwei Wochen auch schon wieder weggeschleckt sind. Doch sparen an den Tieren kommt für die Zirkusleute nicht infrage. „Diesen Standard sind die doch gewohnt“, erklärt der 28-Jährige. Überhaupt steht das Wohl der Tiere bei den Zirkusleuten an vorderster Stelle: „Wir bringen unseren Tieren nichts bei, was sie in der Natur nicht auch machen würden.“ Mit Zwang gehe gar nichts.

„Die Kinder machen von klein auf mit“

So sei es auch bei den Kindern. Zur Familie gehören noch Scarletts ältere Geschwister Roberto und Giuliana, die endlich wieder in den Kindergarten dürfen. „Die Kinder machen von klein auf mit, je früher, desto besser“, erzählt ihre Mama Nikita. „Doch das geht nicht von uns aus.“ Die Kleinen würden trainieren, ohne dass ihre Eltern viel mitbekommen. Dabei übt sich jedes in dem, was es interessiere. Wie jeder im Zirkus machen auch sie das, was sie können. „Sie sehen doch alles, erleben die verschiedenen Aspekte der ganzen bunten Zirkuswelt.“ Die Kinder imitieren die Erwachsenen. „Die müssen einfach machen.“

„Momentan ist alles in der Warteschlange“

Auch die Zirkusleute müssen jeden Tag trainieren. Doch es fehle die Manege, denn das große Zirkuszelt konnten sie aus Platzmangel nicht aufbauen. Training im Wohnwagen mache jedoch keinen Spaß, Luftakrobatik geht dort gar nicht, da landet man ganz schnell an der Decke. „In der Manege riecht es nach Sägespänen und man kann die Musik laufenlassen“, beschreibt Manolito Quaiser die so ganz andere Atmosphäre im Zirkusrund. „Da trainiert man zwei Stunden und merkt es gar nicht.“ Momentan sei alles in der Warteschlange. Die Arbeit staut sich, vor allem die Ausbildung der Tiere. „Die können sich in einem kleineren Zelt nicht richtig ausleben, der Bewegungsradius ist eingeschränkt und sie kapieren auch nicht, was ich von ihnen will“, so der Zirkus-Chef. Jetzt seien die Tiere halt viel draußen, um wenigstens ein bisschen Abwechslung und Bewegung zu bekommen. Langweilig wird es den Zirkusleuten trotzdem nicht – die Tiere machen auch neben dem Training viel Arbeit. Sie müssen gefüttert und die Ställe ausgemistet werden. Jetzt im Frühjahr steht der Fellwechsel an. „Sobald ich bei den Trampeltieren, Dromedaren und Lamas mehr Haare rausziehen kann, werden die Tiere geschoren“, sagt der Besitzer.

„Es gibt Gewinner und Verlierer in dieser Krise“

Vielleicht im Spätsommer, so hofft die Familie, können sie wieder auftreten. „Wir lieben es, unserem Publikum unsere Freude zu zeigen“, betont Nikita Quaiser. Aber leider sei der Zirkus das Ende der Nahrungskette: „Es gibt keine Hilfe für uns.“ Viele andere Zirkusse hätten schon aufgegeben – „da gehen ganze Existenzen zugrunde“. Hinzu kommt: Ohne das große Zirkuszelt können die Leute ihre Ausrüstung nicht restaurieren. „Sonst wird jedes Teil mindestens einmal in der Woche in die Hand genommen, da sieht man sofort, ob etwas repariert werden muss“, erklärt die dreifache Mutter. „Es gibt Gewinner und Verlierer in dieser Krise“, ist die 26-Jährige überzeugt und fragt sich: „Wieso dürfen alle ins Kaufland und andere dürfen nicht öffnen und nicht arbeiten?“

Aufgeben ist keine Option

Doch Aufgeben komme für sie nicht in Betracht: „Diesen Zirkus gibt es seit 200 Jahren“, sagt Manolito Quaiser. Damals war das noch ein ganz kleiner Zirkus, in das heutige Zelt passen rund 1.500 Zuschauer. „Wir sind jetzt in der neunten Generation, da hört man nicht so einfach auf.“ Er atmet tief durch und schaut etwas ratlos in die Ferne: „Was sollen wir sonst tun, wir haben doch nichts gelernt?“ Die einzige Alternative sei für ihn, den „Knecht im Tierpark zu machen“. Bis jetzt sei es immer weiter gegangen, auch wenn es schon vor Corona nicht immer einfach war. „Wir haben während der Tournee schon bei der Anfahrt zu einem neuen Ziel rund 3.500 Euro Ausgaben, bevor wir überhaupt auftreten“, erklären die Zirkusleute. Dazu gehören die Kaution für den jeweiligen Platz, Anschlusskosten für Strom und Wasser, Versicherungen für die Fahrzeuge, Reklame für die Auftritte: „Man fürchtet sich vor unerwarteten Kosten.“

Unterstützung von den Hohenlohern

Nikita Quaiser trotz der prekären Situation noch das Gute: die Unterstützung der Menschen aus dem Ort und der Umgebung. Immer wieder kommen Leute vorbei, die Sach- oder Geldspenden abgeben wollen. Sie zahlen keine Miete für den Platz auf dem Hof, lediglich Wasser und Strom. Bei ihrem ersten Aufenthalt in Laßbach sei sein Vater im Krankenhaus gewesen, musste operiert werden. „Wir wollten in der Nähe bleiben und waren auf der Suche nach einem Platz“, erinnert sich Manolito Quaiser. „Der Besitzer hat sofort ja gesagt.“ Jetzt sind sie zum vierten Mal in Folge hier. Beim ersten Mal hätten die Nachbarn noch Angst vor ihnen gehabt, doch dann hätten sie an den Festen im Ort teilgenommen und dem Hofbesitzer beim Aufbau einer Landwirtschaftshalle geholfen. So hätte man sich kennengelernt und es sei eine Art Gemeinschaft entstanden.

Spendenaufruf

Die Familie Quaiser kann es kaum erwarten, dass sie wieder auftreten dürfen. „Sobald es heißt, dass wir wieder dürfen, steigen wir ein und fahren los.“ Bis es so weit ist, ist jede Hilfe und Unterstützung willkommen. Vor allem ist die Familie auf der Suche nach einem Platz mit Wasser- und Stromanschluss, wo sie ihr großes Zirkuszelt aufstellen können. Die Tiere freuen sich über Spenden von Heu, Stroh, Kraftfutter und Mineralsteine. Fertig gepackte Beutel mit Äpfeln oder Karotten aus dem Supermarkt werden auch gerne angenommen. Wer nicht einkaufen gehen möchte, kann auch einfach Geld spenden. „Alles hilft“, erklärt Nikita Quaiser. Wer den Zirkus Quaiser unterstützen möchte, sollte vorher die Zirkus-Hotline 0157/5218 0315 anrufen.

Text: Sonja Bossert

Löwenmännchen Macaj ist noch in der Wachstumsphase. Foto: GSCHWÄTZ

Auch Trampeltiere und Lamas gehören zum Zirkus Quaiser. Foto: GSCHWÄTZ

Neben den Löwen ist der schwarze Hengst der ganze Stolz des Zirkus-Chefs. Foto: GSCHWÄTZ

 




„Dass da jemand gekämpft hat, damit es uns besser geht“

Sie ist eines der bekanntesten Gesichter des deutschen Widerstands in der Nazi-Zeit und inspiriert auch heute noch die Menschen: Sophie Scholl. Am Montag, den 22. Februar 2021, jährte sich ihr Todestag zum 78. Mal. An jenem Tag im Jahr 1943 wurde sie mit ihrem Bruder Hans und dem gemeinsamen Freund Christoph Probst wegen ihres Engagements in der Widerstandsgruppe Weiße Rose und Flugblattaktionen an ihrer Universität in München zum Tode verurteilt und noch am gleichen Tag im Strafgefängnis Stadelheim hingerichtet. Am 09. Mai 2021 wäre die Widerstandskämpferin 100 Jahre alt geworden.

„Die Brävste bin ich nicht, die Schönste will ich gar nicht sein, aber die Klügste bin ich immer noch“ (Zitat von Sophie Scholl)

Einen ganz besonderen Bezug hat die Stadt Forchtenberg zu Sophie Scholl – „sie ist eine der bekanntesten Persönlichkeiten unserer Stadt“, schreibt Bürgermeister Michael Foss auf GSCHWÄTZ-Anfrage. Hier wurde Sophie Scholl als viertes von fünf Kindern eines liberalen Vaters und einer Mutter geboren, die vor ihrer Heirat Diakonisse war. Getauft wurde sie in der Michaelskirche auf den Namen Lina Sofie. Danach verlebte das kleine Mädchen neun glückliche Kinderjahre in der Kocherstadt. Noch heute wird in Forchtenberg an Sophie und Hans Scholl erinnert: „Wir tragen ihren Namen unter anderem bei uns im Stadtlogo“, schreibt Bürgermeister Foss weiter. „Im Rathausfoyer steht eine Büste von ihr und eine Straße ist nach ihr benannt.“

„Diese Liebe die ganz umsonst ist…“ (Sophie Scholl in einem Brief über ihre Eltern)

Die örtliche Grundschule heißt Geschwister-Scholl-Schule und seit 2006 es gibt sogar einen Hans und Sophie Scholl-Pfad, auf dem man verschiedene Orte ihrer Kindheit besichtigen kann (https://www.forchtenberg.de/freizeit-tourismus/wander-radwege/themenpfade). Im Würzburger Tor gibt es eine kleine, von Renate S. Deck eingerichtete Gedenkstätte über die Weiße Rose und die Geschwister Scholl mit wechselnden Ausstellungen und Vorträge. Zurzeit stehen im Foyer des Rathauses sogenannte Rollups – eine Art Plakate – die das Leben der Geschwister Scholl und die Geschichte der Weißen Rose erzählen.

„Man muss einen harten Geist, aber ein weiches Herz haben“ (Zitat von Sophie Scholl)

Die Grundschule in Forchtenberg lebt die Erinnerung an Sophie Scholl. Im Schulhausflur hängen Bilder der Mitglieder der Weißen Rose und eine Fotografie zeigt eine Szene aus einem Film, in der die Geschwister ihre Flugblätter ins Treppenhaus der Münchner Universität werfen. Doch wie bringt man Grundschülern, die ja noch sehr jung sind, dieses schwere Thema nahe? Interessiert es die Kinder überhaupt oder denken sie eher, ist ja lange vorbei? „Zum 75. Todestag im Jahr 2018 haben wir sehr viel mit unseren Klassen gemacht“, erinnert sich Rektorin Petra Schüler. „Es gab verschiedene Stationen im Schulgebäude, an denen an die Geschwister Scholl und die Weiße Rose erinnert wurde.“ So bastelten die Kinder die Weiße Rose aus Salzteig, fertigten Collagen, gestalteten Bilder in Tupftechnik oder im Stil von Andy Warhol und schrieben Steckbriefe. Die 59-Jährige, die seit 2012 an der Schule unterrichtet, stellte dabei fest: „Die Kinder der dritten und vierten Klasse haben sehr viele Hintergrundinfos von daheim.“ Die Kinder waren fasziniert von der Geschichte und „dass da jemand gekämpft hat, damit es uns besser geht“.

„Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique regieren zu lassen“ (Zitat der Weißen Rose)

Das Thema KZ wollte Petra Schüler in dem Zusammenhang eigentlich aussparen, jedoch wusste ein Kind Bescheid und hat denn auch gleich die Kameraden informiert. Die Kinder waren sich einig: Es ist gemein, einfach eine Bevölkerungsgruppe rauszupicken. „Ich habe sie gefragt, ob sie bei einem Fahrradunfall auch zuerst nach der Religion der Helfer fragen würden oder einfach nur sind, wenn sie Hilfe bekommen“, sagt die Lehrerin. Natürlich sei zu viel auch nicht gut, man wolle die Kinder ja nicht überfrachten. Deshalb findet es die Schulleiterin besser, diese Themen mit geschichtlichen Ereignissen zu verknüpfen und alles auf einem gesunden Maß zu halten. „Es sollte nicht vergessen werden“, findet sie. „Aber solange Menschen keine Angst haben, nach Deutschland zu Besuch zu kommen, dann haben wir alles richtig gemacht.“

„Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den ihr um euer Herz gelegt. Entscheidet euch, ehe es zu spät ist“ (Zitat aus einem Flugblatt der Weißen Rose)

Aber auch die Erst- und Zweitklässler wussten einiges über die Geschwister Scholl und die syrischen Kinder – der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund liegt an der Schule bei über 20 Prozent – konnten ihre Erfahrungen mit Krieg und Flucht beisteuern. „Wir hatten auch eine schöne Gedenkfeier in der Kirche, in der wir die bekannte Flugblatt-Szene nachstellten“, erinnert sich die Lehrerin. „Dabei riefen die Kinder Freiheit und erklärten verschiedene Begriffe, außerdem lasen die Zweitklässler Fürbitten vor und legten dazu weiße Rosen vor die Bilder von Hans und Sophie Scholl und ihren Mitstreitern.“

„Es fallen heute so viel Menschen, es ist Zeit, dass jemand dagegen fällt“ (Zitat von Sophie Scholl)

Zusätzlich ging das Lehrerkollegium – zurzeit unterrichten 13 Lehrerinnen an der Schule die rund 150 Schüler – auf Studienfahrt nach München. „Wir besuchten die Uni und eine Ausstellung, machten eine Führung mit und anschließend legten wir im KZ Dachau einen Kranz nieder“, erinnert sich die Schulleiterin. „Auch viele Lehrer haben das nicht immer parat und es gibt ja die Tendenz, dass es jetzt auch mal gut sein müsse, aber ich denke, dass es jederzeit wieder passieren kann.“ Deshalb findet sie es wichtig, die Erinnerung wach zu halten. Doch was sie richtig ärgert: Wenn sich Personen heutzutage auf Demonstrationen mit Sophie Scholl vergleichen – denn dieser Vergleich sei ziemlich schräg. „Das ist anmaßend, eine Person zu übernehmen, die sich nicht mehr wehren kann“, entrüstet sie sich. „Sophie kann ihre Meinung doch nicht mehr sagen.“

„Steh zu den Dingen, an die du glaubst. Auch wenn du alleine dort stehst“ (Zitat von Sophie Scholl)

„Sophie Scholl ist auch heute noch eine Inspiration“, findet Petra Schüler. „2018 unterrichtete ich eine dritte Klasse und bei den Kindern fiel fast immer das Wort `mutig´, wenn wir über Sophie Scholl sprachen.“ Den Bogen zur Gegenwart schlugen die syrischen Kinder. „Eins der Mädchen lief eineinhalb Jahre von Syrien nach Deutschland mit ihrer Familie.“ Eine schier unfassbare Vorstellung für die anderen Kinder. Ganz im Sinne von Sophie Scholl werden die geflüchteten Kinder in die Schulgemeinschaft integriert. „Hier gibt es keine Ablehnung den Geflüchteten gegenüber“, sagt die Lehrerin. „Wir leben das aber auch vor, dass jeder genauso wert voll ist. Sophie Scholl wäre stolz auf uns.“

„Ich bin nach wie vor der Meinung, das Beste getan zu haben, was ich gerade jetzt für mein Volk tun konnte“ (Antwort Sophie Scholls auf die Abschlussfrage, Auszug aus den Verhörprotokollen)

Vor einigen Jahren drehte eine Geschichtslehrerin an der damaligen Forchtenberger Hauptschule einen Film über Sophie Scholl mit ihren Schülern. „Sie sind die Stationen von Sophie abgelaufen, der Film ist einfach zauberhaft“, erinnert sich Petra Schüler. „Sie hat hier viele Spuren hinterlassen.“ Denn Sophie Scholl sei ein Naturkind gewesen, war viel am Fluss unterwegs, wo sie auch schwimmen lernte. Sauste im Winter mit dem Schlitten die Kirchenstiege hinunter. „Die Schüler konnten sich gut mit Sophie identifizieren“, so die Schulleiterin. „Es gibt nicht viele Menschen, die bis ans Äußerste gehen.“ Mit den Viertklässlern erarbeiteten die Lehrer Präsentationen der anderen Mitglieder der Weißen Rose. Und in diesem Zusammenhang auch die Grundrechte: „Wir haben beleuchtet, was heutzutage alles möglich ist, vor allem die Meinungsfreiheit. Hoffentlich wirkt das langfristig“.

„So ein herrlicher Tag und ich soll gehen. Aber was liegt an unserem Leben, wenn wir es damit schaffen, Tausende von menschen aufzurütteln und wachzurütteln.“ (Zitat von Sophie Scholl am Tag ihrer Hinrichtung)

Zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl plante die Schule eigentlich ein richtiges Geburtstagsfest mit allen Schülern, Lehrern und den Eltern. „Es sollte richtig fröhlich werden mit Luftballons und Kuchen“, erzählt Carolin Ewald, Lehrerin an der Schule seit 2017. „Wir wollten Sophies Lieblingslied singen – Die Gedanken sind frei –  und einen Steckbrief schreiben.“ Corona machte einen Strich durch die Rechnung – bis April sind alle außerschulischen Aktivitäten abgesagt. Was es aber geben wird, ist definitiv eine Gedenkplatte aus Edelstahl mit der ausgelaserten Inschrift „In Erinnerung an Sophie Scholls 100. Geburtstag“ und einer Abbildung ihres Kopfes. Noch sucht die Schule einen Platz dafür – nicht auf dem Boden, das würde ihnen pietätlos erscheinen. „Auch wollen wir Sophies Leben als Whiteboard nachstellen und alle Kinder und Lehrer werden sich im Schulhof zum Schriftzug „Sophie 100″ aufstellen“, beschreibt die 28-Jährige ihre Pläne. Und natürlich wird es dann auch Kuchen geben.

„Die Sonne scheint noch“ (Letzte Worte Sophie Scholls an ihren Bruder Hans, kurz vor ihrer Hinrichtung)

In der Zukunft will die Schule außerdem ein Curriculum erstellen, anhand von dem jährlich über Sophie Scholl gesprochen wird – beispielsweise an ihrem Geburtstag. „Hier in Forchtenberg steht ja klar Sophie Scholl im Vordergrund“, erklärt Petra Schüler. In Ingersheim, wo ihr Bruder Hans geboren wurde, sei es genau umgekehrt. Doch später soll auch in Forchtenberg eine Gedenkplatte für Sophies großen Bruder dazu kommen.

Text: Sonja Bossert

Zitate von Sophie Scholl von den Rollups im Forchtenberger Rathaus sowie der Homepage http://beruehmte-zitate.de

Diese Plakette im Rathausfoyer erinnern an Sophie und Hans Scholl. Foto: GSCHWÄTZ

Die Grundschule in Forchtenberg wurde nach Sophie Scholl und ihrem Bruder Hans genannt. Foto: GSCHWÄTZ

Porträts der Mitglieder der Weißen Rose im Flur der Grundschule. Foto: GSCHWÄTZ

Das Rathaus von Forchtenberg. Hier wurde Sophie Scholl geboren. Foto: GSCHWÄTZ

Der Hans und Sophie Scholl-Pfad führt durch Forchtenberg auf den Lebensspuren der Geschwister. Foto: GSCHWÄTZ

Am Forchtenberger Wehr lernte Sophie Scholl Schwimmen. Foto: GSCHWÄTZ

Im Würzburger Tor hat Renate S. Deck die Gedenkstätte „Weiße Rose i-Punkt“ eingerichtet. Foto: GSCHWÄTZ

Die folgenden Fotos entstanden im Foyer des Forchtenberger Rathauses, wo Renate S. Deck Rollups über die Weiße Rose aufgestellt hat. Foto: GSCHWÄTZ

Auszug aus dem Poesiealbum von Sophie Scholl.  Foto: GSCHWÄTZ

Auszug aus dem Forchtenberger Taufregister mit dem Eintrag für Sophie Scholl. Foto: GSCHWÄTZ

Sophie Scholl als kleines Mädchen. Foto: GSCHWÄTZ

Sophie im Kreise von Familie und Freunden in den Kocherwiesen bei Forchtenberg. Foto: GSCHWÄTZ

Kinderpferdestuhl eines Forchtenberger Friseurs, auf dem auch Sophie Scholl ihre Ponyfrisur erhalten hat. Foto: GSCHWÄTZ

 

 




„Die letzten Verschmutzungen haben die Grenze des Ertragbaren überschritten“

Wie GSCHWÄTZ vor kurzem berichtete, haben Angehörige des fahrenden Volkes vier Wochen lang am Ballenwasen in Gaisbach ihr Lager aufgeschlagen, bis die Polizei das Gelände räumte. Zurückblieben war ein verwahrloster Platz, Müll, Kot und sogar ein ausgedienter Wohnwagen (wir berichteten https://www.gschwaetz.de/2021/02/26/fahrende-hinterlassen-am-ballenwasen-einen-saustall/).

„Die Stadtverwaltung hatte deshalb Kontakt mit dem Landesverband Deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg aufgenommen“

Nun hat sich die Stadtverwaltung Künzelsau gegenüber GSCHWÄTZ eine Stellungnahme dazu abgegeben: „Die Stadtverwaltung war während des Aufenthalts der Gruppe um einen Dialog bemüht“, schreibt Elke Sturm von der Pressestelle, die auch Verständnis für den Unmut äußerte, den das Lager auslöste. „Die letzten Verschmutzungen haben die Grenze des Ertragbaren überschritten. Die Stadtverwaltung hatte deshalb auch Kontakt auf Landesebene mit dem Landesverband Deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg aufgenommen.“

„Die Wohnwagen-Gespanne haben den Platz bereits mittwochs geräumt“

Bereits im Vorfeld und in Abstimmung mit der Polizei seien die Beteiligten Anfang der vergangenen Woche darüber informiert worden, dass „der Platz bis Donnerstag geräumt und saniert werden soll“. Daraufhin hätten die Wohnwagen-Gespanne den Platz bereits mittwochs geräumt. Im Moment stehe der Platz der Öffentlichkeit allerdings nicht zur Verfügung.

„Spezielle Regelungen für das Abstellen von Wohnwagen durch Sinti und Roma gibt es in Deutschland nicht“

Die Pressesprecherin schreibt weiter: „Der Parkplatz Ballenwasen ist in der Vergangenheit immer mal wieder, in den letzten Jahren vermehrt, von Landfahrern genutzt worden. Spezielle Regelungen für das Abstellen von Wohnwagen durch Sinti und Roma gibt es in Deutschland nicht.“




„Um etwa drei Uhr kam die Nachricht, dass es hier brennt“

Ein leichter Rauchgeruch hängt über dem beschaulichen Örtchen Goldbach bei Waldenburg. Über einem der Wohnhäuser steht dichter Rauch. In der Nacht hat es hier gebrannt, Wohnhaus und Stallgebäude des Gehöfts wurden zerstört. Die Dächer sind nur noch schwarze Gerippe mit einer großen, verbogenen Fotovoltaikanlage obendrauf. Hier wird auf absehbare Zeit niemand mehr wohnen. Das Tor zum Stallgebäude scheint dafür noch völlig intakt zu sein, weist keinerlei Brandspuren auf. Und immer noch sind zahlreiche Feuerwehrleute mit Nachlöscharbeiten und Bekämpfung von Glutnestern beschäftigt. Sie fahren eine Drehleiter zwischen Wohnhaus und Stall und spritzen von oben Wasser in die Gebäude. Weißer Dampf steigt auf.

„Um etwa drei Uhr kam die Nachricht, dass es hier brennt“

Auch Waldenburgs Bürgermeister Bernd Herzog und Landrat Dr. Matthias Neth sind vor Ort. „Um etwa drei Uhr kam die Nachricht, dass es hier brennt“, erzählt Herzog von der vergangenen Nacht. Er ist sofort mit ausgerückt. Für ihn eine klare Sache – schließlich sei er als Bürgermeister der „oberste Feuerwehrmann“ im Ort. Über 100 Angehörige der Feuerwehren aus Waldenburg, Künzelsau, Kupferzell und Öhringen seien vor Ort gewesen. Dazu die Tiernotrettung und Seelsorger. „Zum Glück ist den Menschen und Tieren nichts passiert“, ist Herzog trotz allem erleichtert.

„Man weiß ja nie, ob so ein Feuer nicht übergreift.“

„Gegen drei Uhr ist meine Frau kurz aufgestanden und hat gleich gesehen, dass es bei den Nachbarn brennt“, erzählt ein Nachbar des abgebrannten Hofes. „Meine Frau hat auch gleich bei der Feuerwehr angerufen.“ Doch die hätte schon Bescheid gewusst. „Wahrscheinlich haben die Besitzer selbst den Brand bemerkt.“ Die Garage des Nachbarn steht direkt neben dem betroffenen Grundstück. „Wir haben schnell unser Auto aus der Garage geholt, man weiß ja nie, ob so ein Feuer nicht übergreift.“ Dann hätte er den Nachbarn geholfen, die Kühe in Sicherheit zu bringen. „Wir haben sie auf die Weide gebracht, dort sind sie jetzt noch“, erzählt der Mann. Tiefenentspannt liegen die Viecher auf ihrer Weide in der Sonne – vom Stress der vergangenen Nacht ist zumindest bei ihnen nichts mehr zu bemerken.

Über die Brandursache war noch keine Auskunft zu bekommen. Der Schaden liegt bei geschätzten 350.000 Euro.

Text: Sonja Bossert

Blick über den Goldbacher Löschteich auf den abgebrannten Stall. Foto: GSCHWÄTZ

Ankunft der Drehleiter: Über 100 Feuerwehrleute waren in der Nacht vor Ort. Foto: GSCHWÄTZ

Das abgebrannte Wohnhaus. Foto: GSCHWÄTZ

Die geschwärzten Balken vom Dach des Stalls. Foto: GSCHWÄTZ

Blick in den abgebrannten Stall. Foto: GSCHWÄTZ

Zwei Feuerwehrleute lassen sich mit der Drehleiter über die abgebrannten Gebäude bringen. Foto: GSCHWÄTZ

Löscharbeiten von oben. Foto: GSCHWÄTZ

Weißer Dampf hüllt die Feuerwehrleute ein. Foto: GSCHWÄTZ




Angehörige des fahrenden Volkes hinterlassen am Ballenwasen einen Saustall

Rund vier Wochen glich der Parkplatz am Sportgelände des SSV Gaisbach aus der Ferne einem Campingplatz. Hier hatten Angehörige des fahrenden Volks ihr Lager mit zahlreichen Wohnwägen aufgeschlagen. „Das ist nicht das erste Mal“, sagt eine Frau, die unter der Woche dort täglich vorbeikommt (ihr Name ist der Redaktion bekannt, sie hat aber um Anonymität gebeten). Ihr Kind besucht den Waldkindergarten, der ebenfalls am Ballenwasen sein Domizil hat.

Mittlerweile hat die Polizei den Platz geräumt. Allerdings: Jetzt sieht der Ort ziemlich verwahrlost aus – wie ein Saustall. Überall liegt Müll herum und sogar ein alter Wohnwagen wurde stehen gelassen.

„Wir haben schon bedrohliche Gesten sehen müssen“

„Das ist nicht zumutbar“, regt sich die Mutter weiter auf. Sie störe nicht, dass sich diese Menschen dort häuslich niedergelassen haben. Hinz käme: „Sie hinterließen überall ihre Notdurft.“ Außerdem fühlten sich die Mütter bedroht, wenn sie an dem Lager vorbeimussten. „Wir haben schon bedrohliche Gesten sehen müssen“, erzählt sie weiter.

„Es ist wohl nicht so einfach, diese Menschen wieder wegzuschicken“

Vom Ordnungsamt der Stadtverwaltung Künzelsau, das in der Sache von den Müttern kontaktiert wurde, fühlt sich die Frau im Stich gelassen. „Wir haben schon das Gefühl, dass wir dort nicht so gehört werden.“ Doch wurde ihr auch gesagt, dass der Stadt das Problem bekannt sei. „Es ist wohl nicht so einfach, diese Menschen wieder wegzuschicken“, bemüht sie sich um Verständnis.

Rechtliche Lage

Laut Gesetz ist das Übernachten in einem Fahrzeug auf einem öffentlichen Parkplatz grundsätzlich verboten. Allerdings: Wer zu müde zum Weiterfahren ist, darf ganz offiziell eine Nacht lang im Wohnwagen, Wohnmobil oder auch Auto übernachten – „zur Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit“, wie es heißt. Das ist nach rund zehn Stunden der Fall. Campingstühle und Markisen dürfen dabei nicht herausgeholt werden. Wie sieht also die Lage der Fahrenden aus?

Einen Anspruch auf Bereitstellung von Abstellplätzen für Wohnwägen gibt es in Deutschland wohl nicht. Allerdings haben etwa Sinti und Roma spezielle Minderheitenrechte diesbezüglich.

GSCHWÄTZ hat im konkreten Fall Ballenwasen bei der Stadtverwaltung Künzelsau um Auskunft vor allem auch hinsichtlich der rechtlichen Lage gebeten. Die Antwort darauf steht noch aus.

Text: Sonja Bossert

Den kann wohl keiner mehr gebrauchen: alter Wohnwagen am Ballenwasen. Foto: privat

Unappetitlich: Die Menschen haben überall ihre Notdurft verrichtet. Foto: privat

Überall liegt Müll herum. Foto: privat

Angehörige des Fahrenden Volks hatten sich für rund vier Wochen am Ballenwasen in Gaisbach niedergelassen. Foto: privat




„Wir wurden enteignet und entmündigt“

„Das lasse ich mir nicht bieten“, gibt sich der Mann kämpferisch. Der 78-Jährige (sein Name ist der Redaktion bekannt, er möchte aber anonym bleiben) fühlt sich von der Stadtverwaltung Niedernhall ungerecht behandelt – regelrecht „enteignet und entmündigt“. Im Mai 2016 war die Kocherstadt schwer von einem Hochwasser getroffen worden. Um ein solches Ereignis in Zukunft zu verhindern, investiert die Stadt einiges, ertüchtigt den Hochwasserschutz, baut teilweise neu. Im vergangenen Jahr wurde hinter dem Solebad in Richtung Criesbach der Hochwasserschutzdamm am Kocherufer verbreitert. Von der Baumaßnahme war auch ein Grundstück der Niedernhaller Familie betroffen. Der Besitzer spricht von rund 200 Quadratmetern Ackerfläche, die unrechtmäßig überbaut worden seien. Bis zur halben Höhe des alten Dammes reiche der Besitz der Familie, die Grundstücksgrenze sei mit dem Damm überbaut. Jetzt steht dort eine Mauer aus Natursteinen.

Vorgefertigter Kaufvertrag

Im Vorfeld hatte die Familie 2018 ein Schreiben vom Regierungspräsidium bekommen, dass für die Hochwasserschutzmaßnahme Teile ihres Ackers benötigt werden würden. Auch eine Informationsveranstaltung habe es gegeben, auf der der Mann und seine Frau bereits den Preis erfuhren, der für ihre Fläche bezahlt werden solle. „Dann kam Bürgermeister Beck mit einem fertigen Kaufvertrag zu uns, in dem auch schon der Preis drin stand“, blickt der Mann zurück. „Wir haben aber gleich signalisiert, dass wir nicht verkaufen, sondern tauschen wollen.“ Das wiederum lehnte der Verwaltungschef ab, „weil die Stadt Niedernhall nichts verkauft oder tauscht“, erinnert sich der dreifache Vater. Sein Vorschlag sei: „Nach vorne gehören der Stadt noch rund 15 Meter Fläche bis zum Weg. Die hätten sie uns im Tausch geben können.“ Dann würde endlich wieder Ruhe einkehren.

Frühere Tauschgeschäfte

Schon früher wurden auch in Niedernhall munter Grundstücke getauscht. „Wir hatten ein Stück dort, wo jetzt das Hallenbad steht, und damals mit der Stadt getauscht“, erzählen die Besitzer. „Wir haben immer mitgemacht, wenn die Stadt was wollte und es Sinn machte.“ Doch das war noch zu Zeiten des alten Bürgermeisters. „Überhaupt, wo kommen wir hin, wenn der Käufer den Preis diktiert“, regt sich der Grundstücksbesitzer weiter auf. Die Gemeinde könne nur einen Richtpreis machen. „Irgendwann sagte Bürgermeister Beck, wir brauchen das Grundstück nicht mehr, wir bauen da eine Spundwand hin“, blicken die Eheleute zurück. „Doch uns gehört das Grundstück nicht nur bis zum Fuß des alten Dammes, sondern bis ungefähr zu seiner halben Höhe.“ Die Mauer stehe also auf ihrem Besitz.

Überraschung nach dem Urlaub

Als das Ehepaar nach einem längeren Urlaub wieder nach Niedernhall zurückkehrte, wurde es von den Baumaßnahmen am Kocherufer überrascht. „Ich bin zu den Bauarbeitern hin und sagte denen, das könnt ihr nicht machen, da ist doch nichts geklärt“, sagt der Mann. Aber es wurde weitergebaut und damit Tatsachen geschaffen. Genauso überrascht sei das Landratsamt gewesen, das davon ausgegangen sei, dass alles geklärt ist. „Bürgermeister Beck hatte uns außerdem zugesagt, eine Abschrift der Baugenehmigung zu schicken“, erzählt der Mann weiter. Die sei erst im November des vergangenen Jahres gekommen. „Da war die Einspruchsfrist lange vorbei.“

Dienstaufsichtsbeschwerde

Der Mann will nicht aufgeben, überlegt sich zurzeit weitere Schritte. Mittlerweile hat er gegen Achim Beck eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht. Vor allem wirft er dem Bürgermeister vor, „zu wenig mit den Leuten zu reden“.

GSCHWÄTZ hat auch bei Achim Beck um eine Stellungnahme gebeten. Dieser teilte in einer ersten E-Mail gegenüber GSCHWÄTZ mit: „Ich beantworte die E-Mail in der mir zur Verfügung stehenden Zeit. Sie erhalten also dann Antwort, wenn ich die Zeit dafür habe. Derzeit gehe ich davon aus, dass ich Ihnen im Laufe der nächsten Woche antworten kann.“ Das war am 16. Februar 2021.

Text: Sonja Bossert

Bilder der Baumaßnahme. Der obere dunkle Strich zeigt an, wie weit das Grundstück des Niedernhallers reicht. Foto: privat

Die Mauer entsteht. Foto: privat

Natursteine stützen den Hochwasserschutzdamm ab. Foto: privat