„Definitiv psychische und physische Schäden für die Kinder“
„Wir streiken!“, steht auf einem Plakat. Auf anderen: „Mit Maske kann ich mich nicht konzentrieren“ oder „Mit Kopfweh kann ich nicht lernen, ich komme nicht mehr in die Schule“. Diese und viele weitere Plakate haben vor kurzem einige Eltern, eine Oma und mehrere Kinder in einer spontanen Aktion im Eingangsbereich der Zweiflinger Grundschule aufgehängt. Sie wollten damit gegen die Maskenpflicht im Unterricht protestieren, die seit Montag, den 22. März 2021, auch für die Schüler an Baden-Württembergs Grundschulen gilt, und darauf aufmerksam machen, was sie überhaupt für die Kinder bedeutet. Sie wollten „die anderen Mütter aufwecken und ermutigen“. Zuvor mussten Grundschüler die Masken in der Schule lediglich dann tragen, wenn sie von ihrem Platz aufstehen wollten. Die Plakate wurden jedoch kurz danach vonseiten der Schule und der Gemeindeverwaltung, nachdem die Eltern die Schule verlassen hatten, wieder abgehängt.
„Es ist doch normal, dass sich Eltern einsetzen, wenn es um ihr Kind geht“
„Die Aktion war impulsiv“, erklären die drei Mütter Helena Köhler, Tamara Wieland und Melanie Bräuninger. „Aber es ist doch normal, dass sich Eltern einsetzen, wenn es um ihr Kind geht.“ Jede Mama tue doch nur ihr Bestes fürs Kind. „Wir hätten das genehmigen lassen sollen“, merken sie selbstkritisch an. Wie sie erfahren haben, hat Bürgermeister Klaus Gross die Schilder wieder abgehängt, damit die Grundschüler am nächsten Schultag nicht damit konfrontiert werden. „Er hätte auch früher kommen und mit uns reden können“, meinen sie. Man hätte das Ganze als Diskussionsgrundlage aufgreifen können.
„Vertrauen in die Politik ist längst verloren“
Wichtig ist den drei Frauen zu betonen, dass ihr Protest weder gegen die Lehrer ihrer Kinder, noch die Schule oder die Gemeindeverwaltung gedacht ist. „Die Lehrer und die Rektorin hier in Zweiflingen haben Verständnis für die Sorgen der Kinder und unterstützen die Eltern, wo sie können“, sagen sie. Dagegen hätten sie das Vertrauen in die Politik längst verloren und befürchten, dass „die Kinder untergehen“. Die Eltern fragen sich auch, wieso die Masken bei negativen Corona-Tests nicht abgenommen werden könnten.
„Maskenpflicht an Schulen ist durch das Kultusministerium vorgegeben“
Auf GSCHWÄTZ-Nachfrage verweist Gudrun Schreiber, Rektorin der Zweiflinger Grundschule, darauf, „dass die Maskenpflicht an Schulen durch das Kultusministerium im Rahmen einer Verordnung vorgegeben ist“. Dazu würden die Meinungen der Eltern weit auseinandergehen. „Die Meinungsfreiheit ermöglicht uns verschiedene Meinungen zu haben und diese auch zu äußern“, signalisiert sie dafür Verständnis. Sie sagt aber auch: „Die Aktion war eine unerlaubte Plakatierung an der Schule. Dies wurde von uns behoben.“ Mit einer der betroffenen Mütter hätte sie anschließend noch ein Telefongespräch gehabt. Dabei „fand ein offener sachbezogener Austausch statt“.
„Angst, dass die Lehrerin sie nicht versteht“
„Meine Tochter hatte Tränen in den Augen“, sagt Helena Köhler aus Zweiflingen, deren Kind in die zweite Klasse geht, aber weiterhin von zu Hause aus lernt. „Sie hat Angst, dass ihre Lehrerin sie mit Maske nicht verstehen kann und traut sich auch gar nicht, damit zu reden.“ Das Mädchen würde es noch mitmachen, wenn sie die Maske nur beim Verlassen des Platzes aufsetzen müsste. Über den ganzen Unterricht hinweg aber nicht. Ihre Mutter denkt, dass dieMaskenpflicht „definitiv psychische und physische Schäden für die Kinder“ nach sich zieht.
Mimik kann wegen der Maske nicht erkannt werden
Melanie Bräuninger vom Schießhof gibt zu bedenken, „dass die Kinder mit Mimik am meisten lernen“. Das sei allerdings wegen der Maske nicht möglich. Ihr Sohn besucht ebenfalls die Grundschule in Zweiflingen, ihre Tochter die Realschule in Öhringen. Beide Kinder sind zurzeit im Homeschooling. „Die Kinder wünschen sich, dass sie ihre Lehrer und Mitschüler wieder lachen sehen“, sagt sie. Ihre Tochter habe Angst, dass sie zu viel verpasst und würde gerne wieder zur Schule gehen. „Sie würde sich testen lassen und auch die Maske in Kauf nehmen, wenn sie wieder gehen könnte“, erklärt die Mutter. Sie würde ihr das erlauben, denn „das ist ihre Entscheidung.“ Zu Hause würde die 14-Jährige leiden, der direkte Kontakt zu den Lehrern und den Mitschülern fehle.
„Das Kind braucht ein Lächeln“
Tamara Wieland sieht die Maskenpflicht ebenso kritisch: „Das Kind kann die Mimik unter der Maske nicht erkennen. Aber es braucht doch ein Lächeln.“ Die junge Mutter, die schwanger ist und deshalb selbst Angst vor einer Ansteckung hat, hat sich viel mit dem Thema beschäftigt. Sie hat sogar eine Maske verbrannt, um zu sehen, was dabei passiert. „Die ist nicht verbrannt, sondern geschmolzen, weil das nur Plastik pur ist“, gibt sie zu bedenken. Das sei nichts für die Umwelt und genauso wenig für die Lungen eines Kindes. Außerdem: „Viele Kinderärzte machen darauf aufmerksam, dass ein kleines Kind öfter einatmet als ein Erwachsener und deshalb unter der Maske viel mehr verbrauchte Luft einatmet.“ Die Folge seien Schwindel und Kopfschmerz.
„Das Lungenvolumen nimmt ab wegen der Maske“
Sie verweist noch mit einem anderen Aspekt auf die negativen Auswirkungen der Masken hin: „Der Lungenarzt meiner Mutter hat bei ihr festgestellt, dass ihr Lungenvolumen von 74 auf 52 Prozent abgenommen hat, seit sie ständig eine Maske tragen muss“. Die Frau arbeitet in einem Casino, muss wegen des Kundenverkehrs bei der Arbeit eine Maske tragen. „Der Arzt sagte, dass das von der Maske kommt.“ Und sie verweist auf die Erfahrung, die ihr Mann gemacht hat: „Der musste einen Tag lang Prüfungen mit Maske schreiben. Es gab immer nur kurze Pausen“, erzählt sie. „Der war abends fix und fertig und hatte Kopfschmerzen.“
„Auch die Lehrer finden die Masken furchtbar“
Die Tochter von Tamara Wieland besucht die Grundschule in Forchtenberg, bleibt aber momentan ebenfalls zu Hause. Sie hätte sich an der Schule auch so eine Aktion wie in Zweiflingen gewünscht. „Aber die Mütter dort trauen sich nicht“, bedauert sie. Sie habe aber auch festgestellt, dass „auch die Lehrer die Masken furchtbar finden“. An der Grundschule ihrer Tochter werde immerhin für Maskenpausen gesorgt. In Zweiflingen dagegen hätte die Rektorin schon vorher darum gebeten, dass die Kinder Masken tragen.
„Die Lehrer machen das toll“
Melanie Bräuninger bedauert die fehlenden sozialen Kontakte ihrer Kinder. „Wir wohnen eher abgeschieden und deshalb haben unsere Kinder nur sich“, sagt sie. „Man traut sich ja nicht zu fragen, ob andere Kinder kommen können.“ Ihr Sohn findet es zwar doof, dass er nicht in die Schule darf, er lerne aber trotzdem gut. Für die Tochter von Tamara Wieland sei das kein Problem: „In Forchtenberg hat sie Kontakt zu anderen Kindern.“ Es sei eher die Sorge um die Mitschüler, die jetzt in die Schule gehen dürfen, die das Kind beschäftige. Für den Unterricht bekomme sie Erklärvideos. „Die Lehrer tun alles für die Kinder. Die machen das toll“, ist sie überzeugt. Schließlich müssten die Lehrkräfte den jeweiligen Stoff durchbekommen. Das bereite ihr keine Sorgen, denn ihre Tochter komme trotz allem gut voran.
Zwischen Arbeit, Familie und Homeschooling
Melanie Bräuninger weist noch auf etwas anderes hin: „Die weiterführende Schule wird vergessen.“ Die Digitalisierung sei ein Witz, der Schießhof ist nicht an das schnelle Internet angeschlossen. Hinzu kommt: Alle drei Frauen sind berufstätig, müssen Beruf, Familie und Homeschooling unter einen Hut bringen. Helena Köhler kann als leitende Mitarbeiterin einer Reinigungsfirma nicht ins Homeoffice wechseln. „Es geht irgendwie“, sagt sie. „Ich schaue halt, dass ich alles unter einen Hut kriege.“ Außerdem sei ihr Chef tolerant. Melanie Bräuninger betreibt mit ihrem Mann einen Landwirtschaftsbetrieb mit Milchvieh- und Pferdehaltung. Sie steht täglich um fünf Uhr auf, um Vorarbeiten zu leisten. Um acht Uhr beginne sie, mit dem Sohn zu lernen. „Er soll die gleichen Strukturen haben wie in der Schule auch“, betont sie.
„Wir müssen lernen damit zu leben“
„Das Virus ist da und wir müssen lernen, damit zu leben“, sind die Frauen überzeugt. Aber die Maske dürfe nicht zur Gewohnheit werden. „Wenn es extreme Veränderungen dadurch geben würde, wäre es ja okay“, sagt Melanie Bräuninger. „Und auch bei Massenveranstaltungen.“ Sie hat sich ebenfalls viel mit der Thematik beschäftigt und berichtet von einem Kinderarzt, der „im Radio dafür plädierte, alle Schulen zu öffnen“. Denn, so der Mediziner, die Kinder müssten ihr eigenes Immunsystem aufbauen. „Irgendwann müssen wir doch zur Normalität zurück“, mahnt Tamara Wieland an. „Oder soll das immer so weitergehen?“ Aber wie könne das funktionieren?
Text: Sonja Bossert