Fünf Kinder der Nagelsberger Kita Schatzkinder wuseln im Weinberg von Manuel und Hartmut Jäger oberhalb von Ingelfingen. Gemeinsam mit ihren Müttern und ausgestattet mit großen Eimern und Erntescheren schneiden sie eifrig Weintrauben von den Rebstöcken. Manuel Jäger hat die Parole, „Wir wollen Traubensaft machen“, ausgegeben und dazu braucht man eben Trauben. Er will den Kindern heute zeigen, wie das so ist mit der Arbeit im Weinberg und woher der Traubensaft überhaupt kommt. Denn den kennen die meisten heutzutage nur noch aus dem Tetrapak oder der Flasche.
Ein kleines, feines Weingut
Die Familie Jäger, Betreiber des Landhaus Rössle in Niedernhall, besitzt oberhalb von Ingelfingen „und bis rüber nach Niedernhall“ etwa zwei Hektar Weinberge. Ein Hektar davon stammt noch von den Eltern von Jäger Senior. Sie keltern gemeinsam mit zwei Winzern aus dem Kochertal. „Wir liefern ihnen die Trauben, die bauen sie nach unseren Vorstellungen aus und liefern uns dann die fertigen Flaschen“, erzählen die beiden Männer. Jäger & Jäger ist ein kleines, feines Weingut, das acht Sorten Wein – rot und weiß – im Angebot hat.
Ohrenzwicker haben im Saft nichts verloren
Der Kontakt zu der Nagelsberger Kita kam über Kita-Leiterin Elvira Jakobi zustande, die ab und zu bei Jägers aushilft. Und so kommt es, dass Ella, Shelby, Leo, Ruslan und Johanna mit ihren Mamas und der angehenden Erzieherin Stefanie Rolsing ihren ersten Ausflug seit Beginn der Corona-Pandemie machen. Mit Feuereifer sind die Vier- bis Sechsjährigen am Werk. Flink bringen sie die roten und blauen Beeren zu Manuel Jäger, der sie in eine kleine Presse stopft. Zuvor aber muss er noch die Ohrenzwicker retten, die mit in ein paar Eimer geraten sind. „Oh nein, die müssen da raus“, rufen die Kinder, die auf eine kleine Fleischbeilage verzichten können. Dann deckt der Vater von vier Kindern die Trauben ab, legt Hölzer oben auf und dann dürfen die Kleinen ans Werk. Abwechselnd drehen sie an der langen Kurbel und merken schnell, wie anstrengend das ist. Und trotzdem rufen die Wartenden immer wieder: „Jetzt bin aber ich dran.“
Das schmeckt aber lecker
Gespannt beobachten die Kinder, wie unten der Traubensaft in eine kleine Schüssel läuft. Ungeduldig tippen sie mit den Fingern in die rote Flüssigkeit und lecken sie ab. Manuel Jäger, selbst Vater von vier kleinen Kindern, verteilt den Saft auf die mitgebrachten Gläser. „Alle Mann cheers“, ruft eins der Mädchen und setzt das Glas an. Den Kindern schmeckt’s, auch wenn die Jägers meinen, dass „zu wenig Zucker drin ist und noch zwei Wochen Sonne fehlen“. Manuel Jäger lacht und meint: „Es wäre eine Premiere, mal bei Schnee zu lesen.“
Früher Handarbeit, heute kommt die Maschine
Während die Kinder ihren Saft und Kekse genießen, erklärt Hartmut Jäger, wie die Weinbergarbeit früher war und wie in der Kelter gepresst wird. „Geht da mal hin und schaut es euch an“, meint er. Heutzutage wird auch nicht mehr unbedingt von Hand geerntet, sondern große Maschinen fahren zwischen den Rebstöcken durch und schütteln die Trauben ab. „Wir sind um jede Rebe bestimmt siebenm Mal herumgerannt“, erklärt Jäger Junior. „Da tut es zuerst schon weh, wenn die so geschüttelt werden.“ Jäger senior hat auf seinem Handy ein Video mit so einer Erntemaschine und zeigt es den Kindern. Staunend beobachten sie die moderne Arbeitsweise.
Änderungen damals und heute
Die beiden Wengerter machen noch auf einen anderen Umstand aufmerksam: „Früher waren die Blätter beim Ernten gelb, heutzutage sind die Blätter grün, wenn die Trauben reif werden.“ Das sei der Klimawandel. Ein weiterer Unterschied von gestern und heute: „Früher wurde nach Kilogramm bezahlt, heute geht es nach Oechsle.“ Der Grad werde mit dem sogenannten Refraktometer gemessen. Reihum dürfen Kinder und Mütter einen Blick durch die kleine Röhre werfen.
Tropfende Traubenschalen
Jetzt holt Manuel Jäger die ausgepressten Trauben aus der Presse und zeigt sie den Kindern. Ein lautes „iiiihhhh“ ist von den Kindern zu hören, als er das Obst mit der Hand noch weiter auspresst. Fasziniert fassen die Kinder die tropfenden Traubenschalen an. Ruslan ist wenig begeistert. „Er mag es nicht, wenn seine Hände schmutzig werden“, lacht die Erzieherin. Zum Glück haben die beiden Winzer Wasserkanister mitgebracht. Schnell die Hände waschen.
„Die Kerne müssen braun sein“
Eifrig naschen die Kinder von den Weintrauben. Die sechsjährige Shelby mag die roten – ein Portugieser – lieber, denn die seien süßer. Manuel Jäger zeigt ihnen die Kerne aus den ausgequetschten Weintrauben: „Die müssen braun sein.“ Sein Vater erinnert die kleinen Besucher daran, dass „es beim Edeka Trauben mit und ohne Kerne gibt“.
Wieder was dazugelernt
Die Mütter rufen zum Aufbruch, die Kinder wollen lieber noch „Matschepampe machen“. Doch Erzieherin Rolsing ruft sie zusammen und lautstark bedanken sie sich bei den beiden Jägers. Die Betreuerin ergänzt: „Morgen fragen wir euch, wie ihr das heute gemacht habt.“ Gut versorgt mit Weintrauben und müde von ihrem kleinen Abenteuer machen sich die fünf auf den Heimweg. Ruslan ist überzeugt, „dass er heute was dazugelernt hat“.
Text: Sonja Bossert
Auf der Suche nach der schönsten Traube. Foto: GSCHWÄTZ
Voller Stolz zeigt Leo seine Ausbeute. Foto: GSCHWÄTZ
Ganz schön anstrengend: Shelby an der Kurbel. Foto: GSCHWÄTZ
Da kommt der Saft. Foto: GSCHWÄTZ
Hartmut Jäger erklärt, wie das früher so war im Weinberg. Foto: GSCHWÄTZ
Lautstark bedanken sich die Kinder und Betreuerin Stefanie Rolsing bei den Jägers. Foto: GSCHWÄTZ