Sie war eigentlich schon totgeglaubt, nun soll sie im Zuge der Grünen Schienen-Wende wie zahlreiche weitere Trassen in Deutschland wiederbelebt werden: die Kochertalbahn als moderne S-Bahn, die in regelmäßiger Taktung fährt und das Kochertal wieder an das Bahnsystem andocken soll.
Der ehemalige Künzelsauer Bahnhof – und zahlreiche weitere Bahnhöfe bis Forchtenberg – erinnern bis heute an die Kochertalbahn, die bis in die 1980er Jahre hinein 100 Jahre lang fuhr. Dann setzte die Region gänzlich auf den NVH (Nahverkehr Hohenlohe), also auf Busse anstatt auf die Bahn. Längst werden die alten Bahnhofsgebäude anderweitig genutzt. In Künzelsau etwa befindet sich dort der Jugendkulturverein Kokolores und die Pizzeria EMMAS GLÜCK.
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Zwischen 200 und 300 Millionen Euro Kosten – Stand heute
Das Bahn-Wiederbelebungsprojekt sollt laut derzeitigen Schätzungen zwischen rund 200 (ohne Tunnelvariante) und rund 300 Millionen Euro (mit Tunnelvariante von der Berufsschule nach Gaisbach) kosten – kein Pappenstil also, obwohl sich die kleine Kreisstadt des kleinsten Kreises im Ländle nicht beschweren kann, ist doch unter anderem der Schrauben-Riese Würth und damit auch zweitreichste Familie in ganz Deutschland dort beheimatet – und zahlreiche weitere Weltmarktführer-Unternehmen. Dennoch reitet man als echter sparsamer Baden-Württemberger auch hier nicht mit einem Goldesel durch die Gegend.
Krankenhaus weg – Kochertalbahn her?
2018 wurde das kleine Krankenhaus in Künzelsau geschlossen aufgrund der von Baden-Württemberg und Berlin vorgegebenen Krankenhausreform. Krankenhäuser sollen am besten keine roten Zahlen schreiben. Stattdessen wurden Millionen in den Neubau des Krankenhauses in Öhringen gesteckt, das, nun ja, zahlentechnisch auch keine Erfolgsbilanz aufweist.
Bürgerinitiative kämpft wochenlang umsonst
Damals gingen die Menschen wochenlang für ihr Krankenhaus in Künzelsau auf die Straße, es formierte sich eine Bürgerinitiative, die kämpfte – umsonst. Nun befindet sich in dem alten Krankenhausgebäude unter anderem eine Hospiz. Passender geht es wohl kaum.
Darum für viele auch etwas unverständlich, wie nun wieder so viel Geld da sein beziehungswiese locker gemacht werden soll für eine Bahn, an deren Stelle man ja auch einfach mit dem Bus zum nächsten Bahnhof – in diesem Fall in Waldenburg oder Öhringen – fahren soll. Während Künzelsaus Bürgermeister Stefan Neumann mit der „Reaktivierung eine große Chance für die gesamte Region“ sieht, hält sich Waldenburg Bürgermeister Bernd Herzog mit seinen Worten eher zurück, wenn er erklärt: „“Uns ist es wichtig, dass alle relevanten Informationen aus Waldenburg, Kupferzell und Künzelsau in das Projekt einfließen, und am Ende die beste Lösung für die Region steht. Auf dem Weg dahin begleiten wir die Planungen der Stadt Künzelsau wohlwollend und ergebnisoffen.“ Man darf dabei auch nicht vergessen: Sein Waldenburg hat ja auch schon einen Bahnanschluss. Aber auch die Worte von Christoph Spieles, Bürgermeister aus Kupferzell, klingen eher verhalten beim Bahnprojekt: „Kupferzell, Waldenburg und Künzelsau arbeiten schon lange eng für die Region zusammen. Dafür ist es wichtig, dass alle immerzu gut informiert sind. Auf das Basis begleiten wir die Bemühungen der Stadt Künzelsau zur neuen Kochertalbahn offen und interessiert.“ Das hört sich fast so an, wie wenn man als Bürgermeister vom Zuschauerrand einfach mal abwartet, was so passiert.
Auch Halt im Gewerbepark
Fakt ist: Es ist einfach komfortabler und bequemer, mit einer Bahn, die regelmäßig, etwa im 1-Stunden-Takt fährt, an den nächsten Bahnhof zu fahren Zum anderen wäre die Kreisstadt nach Jahrzehnten wieder an ein Bahnnetz angeschlossen. Die Studenten in dieser Stadt würden das sicher begrüßen – und auch die zahlreichen Arbeitnehmer:inenn, die tagtäglich zum Gewerbepark Hohenlohe zu ihren Weltmarktführer-Arbeitgeber:innen an der A6 mit ihrem Auto fahren. Dort würde die Bahn auch Halt machen.
Die Wiederbelebung alter Trassen ist auch ein Trend, den man in Europa beobachten kann, was den Tourismus betrifft. Manche erreichen dabei sogar Kultstatus – bei einer Trasse in idyllischer Umgebung und/oder mit einer Bahn, die auf „old charme“ optisch aufbereitet ist. Auch die Trasse der ursprünglichen Kochertalbahn führt malerisch bergauf bergab zwischen Wäldern und Wiesen vorbei. Es war damals übrigens die Trasse mit der beeindruckendsten Steigung.
Derzeit starke finanzielle Fördermöglichkeiten von Land und Bund für die Wiederbelebung alter Trassen
Die Reaktivierung von Bahngleisten könnte laut der Stadtverwaltung Künzelsau aktuell finanziell stark von Bund und Land gemäß dem Gemeinde-Verkehrs-Finanzierungsgesetzt gefördert werden. Der Bund würde dabei, laut der Stadtverwaltung Künzelsau, 90 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten tragen. Die restlichen zehn Prozent würden zum Teil durch das Land Baden-Württemberg übernommen werden.
Entscheidend sei dabei, so betont es die Stadt Künzelsau, jetzt zügig voranzukommen, da für die ersten hundert reaktivierten Bahnkilometer übernimmt das Land-Baden-Württemberg die Kosten für den Betrieb im Ein-Stunden-Takt komplett.
Die Strecke soll sich so weit wie möglich am historischen Trassenverlauf orientierten. Das würde bedeuteten: Abfahrt in Künzelsau wäre am Kokolores / an der Pizzeria EMMAS Glück.
Bislang würde die Trasse lediglich zwischen der A6 und Künzelsau wiederbelebt werden. Möglich wäre aber – rein theoretisch – auch ein Ausbau wie ehedem bis nach Forchtenberg. In jedem Fall würde die Kochertalbahn eine Aufwertung der ländlich-touristischen Region bedeuten.
Foto: Ehemalige Kochertalbahn, die bis in die 1980er Jahre hinein über 100 Jahre lang betrieben wurde
Video: Altes Videomaterial von der Kochertalbahn